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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Gemeinen schlugen 145>(> für die Einkommen unter 20 Pfund 2^ Prozent,
für die von 20 bis 200 Pfund 5 und für die über 200 Pfund 10 Prozent
vor, und die Lords erklärten diese Einschätzuugsweise für angemessen (r<za"o-
nable). Rogers meint, der damalige Adel sei zwar in allem übrigen beinahe
so schlecht wie der hohe Klerus gewesen, habe aber doch in Beziehung aus
Billigkeit gegen das Volk und gemeinnützigen Sinn immer noch hoch über
den obern Zehntausend von heute gestanden. Das gilt auch für Deutschland.
Die jetzt in Preuße" eingeführte Progression der Einkommensteuer bis zu
4 Prozent haben hvchadliche Herren in der "Post" und der "Schlesischen Zei¬
tung" als ein Zugeständnis an den Sozialismus beklagt, obwohl die Pro¬
gression dort, wo sie erst recht anfangen sollte, schon Halt macht: vor jenen Ein¬
kommen, von deren ungeheurer Größe man sich im fünfzehnten Jahrhundert
gar keinen Begriff Hütte machen können; auch diese Kvlossaleinkommen werden,
einen hundertprozentigen Kommnnalstenerzuschlag dazu gerechnet, nur mit acht
Prozent besteuert.

Bei den hohen Arbeitslöhnen des fünfzehnten Jahrhunderts waren die
Landlords stets geneigt, Land zu verkaufen -- die Festlegung des Grundbesitzes
durch öntg-ils war damals noch nicht durchgeführt --, und wenn sie verpach¬
teten, so waren ihnen vermögende Pächter, denen sie kein Inventar -- Stocke
oder eg.Mg.1 nennt es der Engländer -- zu liefern brauchten, die willkom¬
mensten. An beidem fehlte es nicht, da die kleinen Pächter in der Lage waren,
Geld zu sparen und Vorräte zu sammeln, sodaß sie sich nach einer Reihe
guter Wirtschaftsjahre entweder ankaufen oder eine größere inveumrlvse Pacht
übernehmen konnten. So entwickelten sich aus den Kleinpächtern des fünf¬
zehnten Jahrhunderts einerseits die Aeonen oder FreeholderS, die bis in den
Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hinein das Rückgrat des englischen Volks
gebildet haben, andrerseits die kapitalistischen Pächter. Die gute Zeit währte
bis zum Tode Heinrichs des Siebenten, der zwar habgierig und geizig war,
aber die Volkskraft verständig schonte. Nur über die stellenweise vorkommende
Verdrängung des Ackerbaus durch die Weidewirtschaft und die dadurch verur¬
sachte Verödung mancher kleinern Ortschaften begann mau zu klagen. Ans
dem angegebnen Grunde begann zugleich die Vagabuudeuplage zum zweiten¬
mal, und diesmal als dauerndes unausrottbares Übel; sie wurde uoch ver¬
stärkt durch die Auflösung der Gefolgschaften der Lords nach Beendigung des
Rvsentriegs.

Mit Heinrich dein Achten bestieg jener böse Geist den Thron, der das
englische Volk bis aus deu heutigen Tag gepeinigt hat. Der Charakter
dieses Königs Blaubart ist bekannt. Die verderblichste seiner bösen Eigen¬
schaften war das Ungestüm, womit er jede seiner Despotenlauuen augenblick¬
lich ins Werk setzte. So baute er z. B. unaufhörlich: er baute, nur mir
niederzureißen und aufs neue zu bauen. Seine Kasse war ein Danaidenfaß;


Gemeinen schlugen 145>(> für die Einkommen unter 20 Pfund 2^ Prozent,
für die von 20 bis 200 Pfund 5 und für die über 200 Pfund 10 Prozent
vor, und die Lords erklärten diese Einschätzuugsweise für angemessen (r<za»o-
nable). Rogers meint, der damalige Adel sei zwar in allem übrigen beinahe
so schlecht wie der hohe Klerus gewesen, habe aber doch in Beziehung aus
Billigkeit gegen das Volk und gemeinnützigen Sinn immer noch hoch über
den obern Zehntausend von heute gestanden. Das gilt auch für Deutschland.
Die jetzt in Preuße» eingeführte Progression der Einkommensteuer bis zu
4 Prozent haben hvchadliche Herren in der „Post" und der „Schlesischen Zei¬
tung" als ein Zugeständnis an den Sozialismus beklagt, obwohl die Pro¬
gression dort, wo sie erst recht anfangen sollte, schon Halt macht: vor jenen Ein¬
kommen, von deren ungeheurer Größe man sich im fünfzehnten Jahrhundert
gar keinen Begriff Hütte machen können; auch diese Kvlossaleinkommen werden,
einen hundertprozentigen Kommnnalstenerzuschlag dazu gerechnet, nur mit acht
Prozent besteuert.

Bei den hohen Arbeitslöhnen des fünfzehnten Jahrhunderts waren die
Landlords stets geneigt, Land zu verkaufen — die Festlegung des Grundbesitzes
durch öntg-ils war damals noch nicht durchgeführt —, und wenn sie verpach¬
teten, so waren ihnen vermögende Pächter, denen sie kein Inventar — Stocke
oder eg.Mg.1 nennt es der Engländer — zu liefern brauchten, die willkom¬
mensten. An beidem fehlte es nicht, da die kleinen Pächter in der Lage waren,
Geld zu sparen und Vorräte zu sammeln, sodaß sie sich nach einer Reihe
guter Wirtschaftsjahre entweder ankaufen oder eine größere inveumrlvse Pacht
übernehmen konnten. So entwickelten sich aus den Kleinpächtern des fünf¬
zehnten Jahrhunderts einerseits die Aeonen oder FreeholderS, die bis in den
Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hinein das Rückgrat des englischen Volks
gebildet haben, andrerseits die kapitalistischen Pächter. Die gute Zeit währte
bis zum Tode Heinrichs des Siebenten, der zwar habgierig und geizig war,
aber die Volkskraft verständig schonte. Nur über die stellenweise vorkommende
Verdrängung des Ackerbaus durch die Weidewirtschaft und die dadurch verur¬
sachte Verödung mancher kleinern Ortschaften begann mau zu klagen. Ans
dem angegebnen Grunde begann zugleich die Vagabuudeuplage zum zweiten¬
mal, und diesmal als dauerndes unausrottbares Übel; sie wurde uoch ver¬
stärkt durch die Auflösung der Gefolgschaften der Lords nach Beendigung des
Rvsentriegs.

Mit Heinrich dein Achten bestieg jener böse Geist den Thron, der das
englische Volk bis aus deu heutigen Tag gepeinigt hat. Der Charakter
dieses Königs Blaubart ist bekannt. Die verderblichste seiner bösen Eigen¬
schaften war das Ungestüm, womit er jede seiner Despotenlauuen augenblick¬
lich ins Werk setzte. So baute er z. B. unaufhörlich: er baute, nur mir
niederzureißen und aufs neue zu bauen. Seine Kasse war ein Danaidenfaß;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/629>, abgerufen am 23.07.2024.