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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Der Prozeß gegen Ahlwardt

schlittert werden mußte, daß es nichts Gefährlicheres und Vaterlandsloseres geben
konnte, als eine solche Broschüre zu veröffentlichen? -- Paasch: Ich bin andrer Mei¬
nung. Ich halte dafür, daß sich der Angeklagte ein großes Verdienst um das Vater¬
land erworben hat. Ich habe mit Ahlwardt stundenlang darüber beraten, ob durch
die Broschüre das Vertrauen des Soldaten erschüttert werden könne. Wir sind zu
einem negativen Resultat gekommen. Wir hofften, daß die Militärverwaltung diese
Gewehre zurückgeben werde.

Ist es nicht höchst schmerzlich, wenn ein Richter, der sich so drastisch
ausgelassen hat, von einem Zeugen eine solche Erwiderung hinnehmen muß?

Weiter sagt derselbe Zeuge, es komme darauf an, ob nicht etwa Offiziere jüdischer
Abkunft bei der Zuteilung an Löwe beteiligt gewesen seien. -- Vors.: Sie wissen
doch wohl keine Namen solcher Offiziere? Wozu also solche Verdächtigungen? --
Präses: Das ist hier eine Rassensache. Wir haben ja doch anch schon einen jüdischen
Kultusminister gehabt. -- Berl.: Wer war das? Herr von Goßler? -- Vors.:
Sollen nun auch noch die Ministerien hier um den Pranger gestellt werden? --
Verd.: Die Militnrsachverständigen haben sich hier immer in aller Weitschweifigkeit
äußern dürfen! -- Vors.: Der Zeuge Panhas schweift in Regionen ab, in die wir
ihm hier nicht folgen können. Man sieht doch, wie parteiisch die Verteidigung vor¬
geht, daß sie sich hier nun extra an einen Namen anklammert. Hier soll wieder
etwas in den Schmutz gezogen werden. Ich lasse hier aber nichts in den Schmutz
ziehen. -- Verd.: Ich ziehe hier nichts in den Schmutz, sondern ich verteidige den
Angeklagten Ahlwardt. -- Vors.: Sie wissen doch eben so gut wie ich, daß es
eine unwahre Thatsache^) ist, daß in jener Familie nichts Indisches ist.

Die Frage des Verteidigers nach dem Namen war unpassend. Der Vor¬
sitzende hätte eine weitere Erörterung darüber mit dem Bemerken abschneiden
sollen, daß notorisch die angedeutete Behauptung unwahr sei. Wozu aber
die heftige Verwahrung, daß er nichts in den Schmutz ziehen lasse? Wenn
der Zeuge, statt auf einen Kultusminister, auf einen Justizminister hingewiesen
hätte, wäre dieser dadurch in den Schmutz gezogen worden? Ist doch jüngst
auch in einem Nachbarlande der Enkel eines Juden zum Fürstlnschof erhoben
worden!

Am neunten Tage kommt es zu folgende" Vorgängen. Zunächst erklärt der
Vorsitzende auf einen Beweisantrng des Verteidigers: Das Bestreben des An¬
geklagten und feines Verteidigers geht ja von Anfang an darauf hinaus, die Sache
nicht zu Ende bringen zu lassen. So ist es anch wieder mit diesem Antrage. --
Hiernach überreicht der Verteidiger noch sieben Beweisanträge, wobei er als Grund
die Besorgnis anführt, daß vielleicht einmal die Verhandlung ganz plötzlich ge¬
schlossen werden könne. Der Vorsitzende erklärt dies für eine unerhörte Belei¬
digung des Gerichts. Die Beweisanträge werden hierauf vom Gerichtshof abgelehnt.
Am Schluß der Gründe heißt es: Der Gerichtshof ist auch der Überzeugung, daß
mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte selbst in der Verhandlung zugegeben hat,
wie angenehm es ihm wäre, wenn die Beendigung der Sache bis nach erfolgter ReichS-
tngswahl hinausgeschoben würde, die gestellten Anträge nur zu dem Zwecke gestellt
sind, die Sache zu verschleppen und die Verhandlung auszusetzen. Der Gerichtshof



'>') Was ist eine unwahre Thatsache? D. Red.
Der Prozeß gegen Ahlwardt

schlittert werden mußte, daß es nichts Gefährlicheres und Vaterlandsloseres geben
konnte, als eine solche Broschüre zu veröffentlichen? — Paasch: Ich bin andrer Mei¬
nung. Ich halte dafür, daß sich der Angeklagte ein großes Verdienst um das Vater¬
land erworben hat. Ich habe mit Ahlwardt stundenlang darüber beraten, ob durch
die Broschüre das Vertrauen des Soldaten erschüttert werden könne. Wir sind zu
einem negativen Resultat gekommen. Wir hofften, daß die Militärverwaltung diese
Gewehre zurückgeben werde.

Ist es nicht höchst schmerzlich, wenn ein Richter, der sich so drastisch
ausgelassen hat, von einem Zeugen eine solche Erwiderung hinnehmen muß?

Weiter sagt derselbe Zeuge, es komme darauf an, ob nicht etwa Offiziere jüdischer
Abkunft bei der Zuteilung an Löwe beteiligt gewesen seien. — Vors.: Sie wissen
doch wohl keine Namen solcher Offiziere? Wozu also solche Verdächtigungen? —
Präses: Das ist hier eine Rassensache. Wir haben ja doch anch schon einen jüdischen
Kultusminister gehabt. — Berl.: Wer war das? Herr von Goßler? — Vors.:
Sollen nun auch noch die Ministerien hier um den Pranger gestellt werden? —
Verd.: Die Militnrsachverständigen haben sich hier immer in aller Weitschweifigkeit
äußern dürfen! — Vors.: Der Zeuge Panhas schweift in Regionen ab, in die wir
ihm hier nicht folgen können. Man sieht doch, wie parteiisch die Verteidigung vor¬
geht, daß sie sich hier nun extra an einen Namen anklammert. Hier soll wieder
etwas in den Schmutz gezogen werden. Ich lasse hier aber nichts in den Schmutz
ziehen. — Verd.: Ich ziehe hier nichts in den Schmutz, sondern ich verteidige den
Angeklagten Ahlwardt. — Vors.: Sie wissen doch eben so gut wie ich, daß es
eine unwahre Thatsache^) ist, daß in jener Familie nichts Indisches ist.

Die Frage des Verteidigers nach dem Namen war unpassend. Der Vor¬
sitzende hätte eine weitere Erörterung darüber mit dem Bemerken abschneiden
sollen, daß notorisch die angedeutete Behauptung unwahr sei. Wozu aber
die heftige Verwahrung, daß er nichts in den Schmutz ziehen lasse? Wenn
der Zeuge, statt auf einen Kultusminister, auf einen Justizminister hingewiesen
hätte, wäre dieser dadurch in den Schmutz gezogen worden? Ist doch jüngst
auch in einem Nachbarlande der Enkel eines Juden zum Fürstlnschof erhoben
worden!

Am neunten Tage kommt es zu folgende» Vorgängen. Zunächst erklärt der
Vorsitzende auf einen Beweisantrng des Verteidigers: Das Bestreben des An¬
geklagten und feines Verteidigers geht ja von Anfang an darauf hinaus, die Sache
nicht zu Ende bringen zu lassen. So ist es anch wieder mit diesem Antrage. —
Hiernach überreicht der Verteidiger noch sieben Beweisanträge, wobei er als Grund
die Besorgnis anführt, daß vielleicht einmal die Verhandlung ganz plötzlich ge¬
schlossen werden könne. Der Vorsitzende erklärt dies für eine unerhörte Belei¬
digung des Gerichts. Die Beweisanträge werden hierauf vom Gerichtshof abgelehnt.
Am Schluß der Gründe heißt es: Der Gerichtshof ist auch der Überzeugung, daß
mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte selbst in der Verhandlung zugegeben hat,
wie angenehm es ihm wäre, wenn die Beendigung der Sache bis nach erfolgter ReichS-
tngswahl hinausgeschoben würde, die gestellten Anträge nur zu dem Zwecke gestellt
sind, die Sache zu verschleppen und die Verhandlung auszusetzen. Der Gerichtshof



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[0626] Der Prozeß gegen Ahlwardt schlittert werden mußte, daß es nichts Gefährlicheres und Vaterlandsloseres geben konnte, als eine solche Broschüre zu veröffentlichen? — Paasch: Ich bin andrer Mei¬ nung. Ich halte dafür, daß sich der Angeklagte ein großes Verdienst um das Vater¬ land erworben hat. Ich habe mit Ahlwardt stundenlang darüber beraten, ob durch die Broschüre das Vertrauen des Soldaten erschüttert werden könne. Wir sind zu einem negativen Resultat gekommen. Wir hofften, daß die Militärverwaltung diese Gewehre zurückgeben werde. Ist es nicht höchst schmerzlich, wenn ein Richter, der sich so drastisch ausgelassen hat, von einem Zeugen eine solche Erwiderung hinnehmen muß? Weiter sagt derselbe Zeuge, es komme darauf an, ob nicht etwa Offiziere jüdischer Abkunft bei der Zuteilung an Löwe beteiligt gewesen seien. — Vors.: Sie wissen doch wohl keine Namen solcher Offiziere? Wozu also solche Verdächtigungen? — Präses: Das ist hier eine Rassensache. Wir haben ja doch anch schon einen jüdischen Kultusminister gehabt. — Berl.: Wer war das? Herr von Goßler? — Vors.: Sollen nun auch noch die Ministerien hier um den Pranger gestellt werden? — Verd.: Die Militnrsachverständigen haben sich hier immer in aller Weitschweifigkeit äußern dürfen! — Vors.: Der Zeuge Panhas schweift in Regionen ab, in die wir ihm hier nicht folgen können. Man sieht doch, wie parteiisch die Verteidigung vor¬ geht, daß sie sich hier nun extra an einen Namen anklammert. Hier soll wieder etwas in den Schmutz gezogen werden. Ich lasse hier aber nichts in den Schmutz ziehen. — Verd.: Ich ziehe hier nichts in den Schmutz, sondern ich verteidige den Angeklagten Ahlwardt. — Vors.: Sie wissen doch eben so gut wie ich, daß es eine unwahre Thatsache^) ist, daß in jener Familie nichts Indisches ist. Die Frage des Verteidigers nach dem Namen war unpassend. Der Vor¬ sitzende hätte eine weitere Erörterung darüber mit dem Bemerken abschneiden sollen, daß notorisch die angedeutete Behauptung unwahr sei. Wozu aber die heftige Verwahrung, daß er nichts in den Schmutz ziehen lasse? Wenn der Zeuge, statt auf einen Kultusminister, auf einen Justizminister hingewiesen hätte, wäre dieser dadurch in den Schmutz gezogen worden? Ist doch jüngst auch in einem Nachbarlande der Enkel eines Juden zum Fürstlnschof erhoben worden! Am neunten Tage kommt es zu folgende» Vorgängen. Zunächst erklärt der Vorsitzende auf einen Beweisantrng des Verteidigers: Das Bestreben des An¬ geklagten und feines Verteidigers geht ja von Anfang an darauf hinaus, die Sache nicht zu Ende bringen zu lassen. So ist es anch wieder mit diesem Antrage. — Hiernach überreicht der Verteidiger noch sieben Beweisanträge, wobei er als Grund die Besorgnis anführt, daß vielleicht einmal die Verhandlung ganz plötzlich ge¬ schlossen werden könne. Der Vorsitzende erklärt dies für eine unerhörte Belei¬ digung des Gerichts. Die Beweisanträge werden hierauf vom Gerichtshof abgelehnt. Am Schluß der Gründe heißt es: Der Gerichtshof ist auch der Überzeugung, daß mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte selbst in der Verhandlung zugegeben hat, wie angenehm es ihm wäre, wenn die Beendigung der Sache bis nach erfolgter ReichS- tngswahl hinausgeschoben würde, die gestellten Anträge nur zu dem Zwecke gestellt sind, die Sache zu verschleppen und die Verhandlung auszusetzen. Der Gerichtshof '>') Was ist eine unwahre Thatsache? D. Red.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/626>, abgerufen am 22.12.2024.