Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.hierbei die größten Interessen der Justiz in Frage stehn. Es kommt in dieser Die Leitung der mündlichem Verhandlung in einer Strafsache ist keine In dem Prozeß gegen Ahlwardt hat der Vorsitzende gegen diese Regeln hierbei die größten Interessen der Justiz in Frage stehn. Es kommt in dieser Die Leitung der mündlichem Verhandlung in einer Strafsache ist keine In dem Prozeß gegen Ahlwardt hat der Vorsitzende gegen diese Regeln <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0618" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213732"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1944" prev="#ID_1943"> hierbei die größten Interessen der Justiz in Frage stehn. Es kommt in dieser<lb/> Beziehung vor allem die Leitung der Verhandlung dnrch den Vorsitzenden in<lb/> Betracht. Es wäre traurig, wenn diese Art der Leitung in dem deutscheu<lb/> Jnristenstaude Schule machte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1945"> Die Leitung der mündlichem Verhandlung in einer Strafsache ist keine<lb/> leichte Aufgabe. Um dem Angeklagten die geeigneten Vorhalte zu machen und<lb/> die Zeugen richtig zu befragen, muß der leitende Richter den Stoff des Pro¬<lb/> zesses, soweit er bereits aktenmäßig vorliegt, gründlich studirt haben. Es ist<lb/> nicht zu hindern, daß sich dadurch vielleicht schon Ansichten bei ihm bilden,<lb/> die in die materielle Beurteilung der Sache einschlagen. Nun hat er doch<lb/> aber sein Urteil in der Sache endgiltig erst nach Schluß der Verhandlung in<lb/> Verbindung mit deu übrigen Richtern abzugeben. Daraus folgt, daß, wenn<lb/> sich auch bereits Ansichten bei ihm gebildet haben, die für die Entscheidung<lb/> bedeutsam sind, er doch bei der Leitung der Sache mit diesen Ansichten so weit<lb/> als irgend möglich zurückhalten muß. Nur dadurch kann er sich das Vertrauen<lb/> der Parteien und die möglichste Unbefangenheit für die endliche Entscheidung be¬<lb/> wahren. Weiter hat der leitende Richter die Pflicht, sich jeder Gehässigkeit gegen<lb/> den Angeklagten zu enthalten. Er hat ihm keine Vorwürfe, weder juristisch noch<lb/> moralisch, zu macheu, die nicht durch die Sachlage geboten sind. Er hat ihn<lb/> auch nicht mit Hohn oder Ironie zu behandeln. Die Stellung des Richters<lb/> muß die der ernsten Würde sein, wobei es ihm wohl ansteht, wenn er dem<lb/> Angeklagten, so weit es nach Lage der Verhältnisse möglich ist, sogar mensch¬<lb/> liches Wohlwollen bezeigt. Eine weitere Regel für die Verhandlung (gegen<lb/> die freilich heute vielfach gesündigt wird) möchten wir in die Worte fassein Der<lb/> Richterstuhl ist keine Tribüne, von der der Richter zum Publikum zu reden<lb/> berufen wäre. Dinge, die sich nicht auf die Straferkennung beziehn, hat der<lb/> Richter nicht in die Verhandlung hineinzuziehn. Aussprüche, die für die Sache<lb/> keine Bedeutung haben, sind sowohl bei der Verhandlung, als in dem Urteil<lb/> zu vermeiden. Verstöße gegen alle diese Regeln wiegen um so schwerer,<lb/> wenn es sich um einen Prozeß handelt, der von der Parteien Gunst und Haß<lb/> getragen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1946" next="#ID_1947"> In dem Prozeß gegen Ahlwardt hat der Vorsitzende gegen diese Regeln<lb/> vielfach gefehlt. Wäre sein Mangel an Objektivität bald nach der einen, bald<lb/> nach der andern Seite ausgeschlagen, so würde es minder auffällig gewesen<lb/> sein. Wahrhaft peinlich aber berührte es, daß sich dieser Mangel durchweg<lb/> zu Ungunsten des Angeklagten erwies. Wir wollen hier eine Anzahl Vor¬<lb/> gänge aus der Verhandlung zusammenstellen und fügen jedem dieser Vorgänge<lb/> sofort einige Worte der Besprechung bei. Wir entnehmen die Vorgänge dem<lb/> ausführlichen Berichte der National-Zeitung. Sollten darin (was wir aber<lb/> nicht glauben) Ungenauigkeiten enthalten sein, so müssen wir die Verantwortung<lb/> dafür natürlich der Zeitung überlassen. Jedenfalls ist die Verhandlung so,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0618]
hierbei die größten Interessen der Justiz in Frage stehn. Es kommt in dieser
Beziehung vor allem die Leitung der Verhandlung dnrch den Vorsitzenden in
Betracht. Es wäre traurig, wenn diese Art der Leitung in dem deutscheu
Jnristenstaude Schule machte.
Die Leitung der mündlichem Verhandlung in einer Strafsache ist keine
leichte Aufgabe. Um dem Angeklagten die geeigneten Vorhalte zu machen und
die Zeugen richtig zu befragen, muß der leitende Richter den Stoff des Pro¬
zesses, soweit er bereits aktenmäßig vorliegt, gründlich studirt haben. Es ist
nicht zu hindern, daß sich dadurch vielleicht schon Ansichten bei ihm bilden,
die in die materielle Beurteilung der Sache einschlagen. Nun hat er doch
aber sein Urteil in der Sache endgiltig erst nach Schluß der Verhandlung in
Verbindung mit deu übrigen Richtern abzugeben. Daraus folgt, daß, wenn
sich auch bereits Ansichten bei ihm gebildet haben, die für die Entscheidung
bedeutsam sind, er doch bei der Leitung der Sache mit diesen Ansichten so weit
als irgend möglich zurückhalten muß. Nur dadurch kann er sich das Vertrauen
der Parteien und die möglichste Unbefangenheit für die endliche Entscheidung be¬
wahren. Weiter hat der leitende Richter die Pflicht, sich jeder Gehässigkeit gegen
den Angeklagten zu enthalten. Er hat ihm keine Vorwürfe, weder juristisch noch
moralisch, zu macheu, die nicht durch die Sachlage geboten sind. Er hat ihn
auch nicht mit Hohn oder Ironie zu behandeln. Die Stellung des Richters
muß die der ernsten Würde sein, wobei es ihm wohl ansteht, wenn er dem
Angeklagten, so weit es nach Lage der Verhältnisse möglich ist, sogar mensch¬
liches Wohlwollen bezeigt. Eine weitere Regel für die Verhandlung (gegen
die freilich heute vielfach gesündigt wird) möchten wir in die Worte fassein Der
Richterstuhl ist keine Tribüne, von der der Richter zum Publikum zu reden
berufen wäre. Dinge, die sich nicht auf die Straferkennung beziehn, hat der
Richter nicht in die Verhandlung hineinzuziehn. Aussprüche, die für die Sache
keine Bedeutung haben, sind sowohl bei der Verhandlung, als in dem Urteil
zu vermeiden. Verstöße gegen alle diese Regeln wiegen um so schwerer,
wenn es sich um einen Prozeß handelt, der von der Parteien Gunst und Haß
getragen wird.
In dem Prozeß gegen Ahlwardt hat der Vorsitzende gegen diese Regeln
vielfach gefehlt. Wäre sein Mangel an Objektivität bald nach der einen, bald
nach der andern Seite ausgeschlagen, so würde es minder auffällig gewesen
sein. Wahrhaft peinlich aber berührte es, daß sich dieser Mangel durchweg
zu Ungunsten des Angeklagten erwies. Wir wollen hier eine Anzahl Vor¬
gänge aus der Verhandlung zusammenstellen und fügen jedem dieser Vorgänge
sofort einige Worte der Besprechung bei. Wir entnehmen die Vorgänge dem
ausführlichen Berichte der National-Zeitung. Sollten darin (was wir aber
nicht glauben) Ungenauigkeiten enthalten sein, so müssen wir die Verantwortung
dafür natürlich der Zeitung überlassen. Jedenfalls ist die Verhandlung so,
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