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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Der langweilige Kammerherr

drei Monate, so langsam verging mich die Zeit. Da war viel los von wegen
die vornehmen Franzosens. Konzert und Komedi, Lnmmerspiel und Bootfahren
aufn See. Mannichmal wußt ich garnich, wo mich der Kopp stand, und Piähr
wußte das auch nich, der ümmer hinter seinen jungen Herzog herlief und
auch allens mitmachte, weil er so gut aufwarten konnt. Einmal erzählte er
mich, daß sein junger Herr un bald wieder fort müßte. Denn geht die Prin¬
zessin auch weg, und allens Glück hat ein Ende! sagt er und wischt sich die
Angers.

Ja, glücklich waren die zwei, das konnt man merken, und ich hätt ihnen
auch allens Gute gewünscht, wenn ich mir nicht alteriren mußte um meinen
Herrn, der immer blasser ward. Die klein Komteß ihr Porträte lag in Ecke,
er kuckte nie mehr danach, und er Suef keine Nacht mehr. Das war nu wirklich
schrecklich, und das einzige, was mir tröstete, das war, daß der ganze Swindel
nil nich mehr lange dauern konnte. Wenn er die Prinzessin nich mehr in all
ihrer Schönheit vor Augen hatt, denn mußte mein Junker doch auch wieder
vernünftig werden.

Nu sollte da noch ein Abschiedsfest für den jungen Herzog sein. Kein
Mensch durfte da eine Ahnung von haben, wann er fortginge, Piähr hatte
mich das bloß verraten. Ich sagte es natürlicherweise auch nich weiter, bloß
als ich mit einmal Herrn Rosenstein sah, sag ich ihn, daß der Herzog die-
selbigte Nacht, wo das Fest zu Ende ging, abreisen wollt. Rosenstein war
ein so gefälligen Mann, der mich so oft was geschenkt hatt, was sollt ich ihn
nich auch ein büschen verzählen?

Das Fest war richtig fein. Zuerst ein Wasserpattie aufn großen Plöner
See, wo wir Dieners rudern sollten. Da war nämlich Mondenschein, und die
Franzosens stellten sich ümmer ganz grüsig mien Mond an, wenn sie ihn auch
garnich mal sein richtigen Namen gaben. Piähr sagte, daß sie ihm Line
nannten, was ja ein Frcmensname is. Na, das is denn einerlei. Die Wasser¬
pattie fing an, als der Mond gerade in die Höchte an Himmel stieg. Alle
die französchen und deutschen Herrschaftens setzten sich in die Bootens, wo
bunte Laternens anwaren, und gleich zu Anfang war viel Spektakel und Lachen.

Der alte Herzog Peter Friedrich war nich mit von die Pattie. Der war
in sein Stoß und lauerte mien Abendessen, bis daß alle wiederkämen, und
wittlerweile strickte er an seinen Strumpf. Der alte französche Herzog abers,
der saß mit sein Sohn und mit die Prinzessin in ein Boot, und Piähr ru¬
derte ihnen. Das Brautpaar sah traurig aus, sie saßen Hand in Hand, und
sie thaten mich leid. Ich hatt man gehört, daß die Onkels und Tanten von
die Prinzessin noch nix von ne Hochzeit wissen wollten, und un war der Ab¬
schied natürlicheweise doppelt sauer.

Wie ich so leise übers Wasser fahr und die Riemen eintauch, mußt ich
an den Abschied von die beiden Herrschaftens denken, und es ward mich ganz


Gienzboten IV 1M2 75
Der langweilige Kammerherr

drei Monate, so langsam verging mich die Zeit. Da war viel los von wegen
die vornehmen Franzosens. Konzert und Komedi, Lnmmerspiel und Bootfahren
aufn See. Mannichmal wußt ich garnich, wo mich der Kopp stand, und Piähr
wußte das auch nich, der ümmer hinter seinen jungen Herzog herlief und
auch allens mitmachte, weil er so gut aufwarten konnt. Einmal erzählte er
mich, daß sein junger Herr un bald wieder fort müßte. Denn geht die Prin¬
zessin auch weg, und allens Glück hat ein Ende! sagt er und wischt sich die
Angers.

Ja, glücklich waren die zwei, das konnt man merken, und ich hätt ihnen
auch allens Gute gewünscht, wenn ich mir nicht alteriren mußte um meinen
Herrn, der immer blasser ward. Die klein Komteß ihr Porträte lag in Ecke,
er kuckte nie mehr danach, und er Suef keine Nacht mehr. Das war nu wirklich
schrecklich, und das einzige, was mir tröstete, das war, daß der ganze Swindel
nil nich mehr lange dauern konnte. Wenn er die Prinzessin nich mehr in all
ihrer Schönheit vor Augen hatt, denn mußte mein Junker doch auch wieder
vernünftig werden.

Nu sollte da noch ein Abschiedsfest für den jungen Herzog sein. Kein
Mensch durfte da eine Ahnung von haben, wann er fortginge, Piähr hatte
mich das bloß verraten. Ich sagte es natürlicherweise auch nich weiter, bloß
als ich mit einmal Herrn Rosenstein sah, sag ich ihn, daß der Herzog die-
selbigte Nacht, wo das Fest zu Ende ging, abreisen wollt. Rosenstein war
ein so gefälligen Mann, der mich so oft was geschenkt hatt, was sollt ich ihn
nich auch ein büschen verzählen?

Das Fest war richtig fein. Zuerst ein Wasserpattie aufn großen Plöner
See, wo wir Dieners rudern sollten. Da war nämlich Mondenschein, und die
Franzosens stellten sich ümmer ganz grüsig mien Mond an, wenn sie ihn auch
garnich mal sein richtigen Namen gaben. Piähr sagte, daß sie ihm Line
nannten, was ja ein Frcmensname is. Na, das is denn einerlei. Die Wasser¬
pattie fing an, als der Mond gerade in die Höchte an Himmel stieg. Alle
die französchen und deutschen Herrschaftens setzten sich in die Bootens, wo
bunte Laternens anwaren, und gleich zu Anfang war viel Spektakel und Lachen.

Der alte Herzog Peter Friedrich war nich mit von die Pattie. Der war
in sein Stoß und lauerte mien Abendessen, bis daß alle wiederkämen, und
wittlerweile strickte er an seinen Strumpf. Der alte französche Herzog abers,
der saß mit sein Sohn und mit die Prinzessin in ein Boot, und Piähr ru¬
derte ihnen. Das Brautpaar sah traurig aus, sie saßen Hand in Hand, und
sie thaten mich leid. Ich hatt man gehört, daß die Onkels und Tanten von
die Prinzessin noch nix von ne Hochzeit wissen wollten, und un war der Ab¬
schied natürlicheweise doppelt sauer.

Wie ich so leise übers Wasser fahr und die Riemen eintauch, mußt ich
an den Abschied von die beiden Herrschaftens denken, und es ward mich ganz


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[0601] Der langweilige Kammerherr drei Monate, so langsam verging mich die Zeit. Da war viel los von wegen die vornehmen Franzosens. Konzert und Komedi, Lnmmerspiel und Bootfahren aufn See. Mannichmal wußt ich garnich, wo mich der Kopp stand, und Piähr wußte das auch nich, der ümmer hinter seinen jungen Herzog herlief und auch allens mitmachte, weil er so gut aufwarten konnt. Einmal erzählte er mich, daß sein junger Herr un bald wieder fort müßte. Denn geht die Prin¬ zessin auch weg, und allens Glück hat ein Ende! sagt er und wischt sich die Angers. Ja, glücklich waren die zwei, das konnt man merken, und ich hätt ihnen auch allens Gute gewünscht, wenn ich mir nicht alteriren mußte um meinen Herrn, der immer blasser ward. Die klein Komteß ihr Porträte lag in Ecke, er kuckte nie mehr danach, und er Suef keine Nacht mehr. Das war nu wirklich schrecklich, und das einzige, was mir tröstete, das war, daß der ganze Swindel nil nich mehr lange dauern konnte. Wenn er die Prinzessin nich mehr in all ihrer Schönheit vor Augen hatt, denn mußte mein Junker doch auch wieder vernünftig werden. Nu sollte da noch ein Abschiedsfest für den jungen Herzog sein. Kein Mensch durfte da eine Ahnung von haben, wann er fortginge, Piähr hatte mich das bloß verraten. Ich sagte es natürlicherweise auch nich weiter, bloß als ich mit einmal Herrn Rosenstein sah, sag ich ihn, daß der Herzog die- selbigte Nacht, wo das Fest zu Ende ging, abreisen wollt. Rosenstein war ein so gefälligen Mann, der mich so oft was geschenkt hatt, was sollt ich ihn nich auch ein büschen verzählen? Das Fest war richtig fein. Zuerst ein Wasserpattie aufn großen Plöner See, wo wir Dieners rudern sollten. Da war nämlich Mondenschein, und die Franzosens stellten sich ümmer ganz grüsig mien Mond an, wenn sie ihn auch garnich mal sein richtigen Namen gaben. Piähr sagte, daß sie ihm Line nannten, was ja ein Frcmensname is. Na, das is denn einerlei. Die Wasser¬ pattie fing an, als der Mond gerade in die Höchte an Himmel stieg. Alle die französchen und deutschen Herrschaftens setzten sich in die Bootens, wo bunte Laternens anwaren, und gleich zu Anfang war viel Spektakel und Lachen. Der alte Herzog Peter Friedrich war nich mit von die Pattie. Der war in sein Stoß und lauerte mien Abendessen, bis daß alle wiederkämen, und wittlerweile strickte er an seinen Strumpf. Der alte französche Herzog abers, der saß mit sein Sohn und mit die Prinzessin in ein Boot, und Piähr ru¬ derte ihnen. Das Brautpaar sah traurig aus, sie saßen Hand in Hand, und sie thaten mich leid. Ich hatt man gehört, daß die Onkels und Tanten von die Prinzessin noch nix von ne Hochzeit wissen wollten, und un war der Ab¬ schied natürlicheweise doppelt sauer. Wie ich so leise übers Wasser fahr und die Riemen eintauch, mußt ich an den Abschied von die beiden Herrschaftens denken, und es ward mich ganz Gienzboten IV 1M2 75

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/601>, abgerufen am 23.12.2024.