Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Polnischer Kunstausdriicke zu schreiben. In der ersten Studie ("Deutsche
Revue" 1837) besprach er zunächst die Schwierigkeit, ja Gefährlichkeit, solche
Ausdrucke, die meistens aus dem Englischen oder Französischen (oder durch
eine dieser beiden Sprachen aus dem Lateinischen) in die Sprache der Diplo¬
matie und der Zeitungen übergegangen sind, durch deutsche Wörter zu ersetzen,
da sie nur selten deu bestimmten Sinn scharf wiedergeben könnten. Er zählt
eine lange Reihe solcher Fremdwörter auf, die mir durch lange Umschreibungen
zu verdeutschen wären, wenn der Begriff nicht noch mehr verdunkelt werden
sollte, als es ohnehin gewöhnlich der Fall ist. Um dem Leser eine ungefähre
Vorstellung von der Arbeit zu geben, die nur von einem Manne mit so außer¬
ordentlicher Belesenheit und praktischer Erfahrung unternommen werden konnte,
greifen wir für eine kurze Inhaltsangabe zwei Abschnitte heraus, einen die
auswärtige Politik und einen das Parteiwesen im Innern betreffenden.

Mit "politisches Gleichgewicht" werden zwei französische Wörter (6eM-
librs und ImliiuczL An xauvoir) und die entsprechenden englischen (umMlidrwm
und rmlimvö ol povvr) übersetzt. Das Wort ^e<Mlidruurr kommt im ersten
Viertel des siebzehnten Jahrhunderts, nämlich bei Bacon von Verulam, vor,
in dem Sinne, daß mehrere verbündete Fürsten eine Vergrößerung des Ge¬
biets des eiuen von ihnen nicht zuließen, ohne ihrerseits entschädigt zu werden.
Bei dieser Gelegenheit bestreitet Vaeon auch die Ansicht ,.einiger Scholastiker,"
daß nur eine Rechtsverletzung oder Herausfordrung zu einem Kriege berech¬
tige, vielmehr genüge dafür auch ,,die begründete Besorgnis einer nahen Ge¬
fahr" -- ein Satz, der manche Erörterungen über den Wortlaut der ,,Emser
Depesche" hätte entbehrlich machen können- Zur Zeit Ludwigs des Vierzehnten
tritt in Staatsschriften mehrfach der Gedanke aus, daß das übermäßige An¬
wachsen einer Macht die Ruhe und den Frieden aller übrigen bedrohe, aber
erst in den Friedensschlüssen nach dem spanischen Erbfvlgekriege erscheint das
Verbot der Bereinigung der Kronen von Frankreich und Spanien bei einer
Person oder einer Linie als Bedingung für die Erhaltung der lmllrui?!,, und
des imcMtiwmun. Swift gebraucht das Bild von der Wage, ImlMve ok
I'von', mit Beziehung auf die beiden großen Parteien im Lande, nimmt
jedoch noch einen dritten Faktor an, die Hand, die die Wage hält und weg¬
nimmt oder hinzuthut, wenn eine Schale oder deren Inhalt zu schwer zu
werden droht. Diese Funktion wird in einer Rede Georgs des Zweiten für
ganz Europa dem britischen Reiche zugeteilt. So war aus dein Gleichgewicht
glücklich das Übergewicht eines Staats geworden, das eben durch das asym-
Ubrinrn verhindert werden sollte. Die weitere Entwicklung und Verwicklung
"eng in dem Aufsatze selbst nachgelesen werden.

Ein andrer Artikel behandelt den Ausdruck "Klub." sprachlich ist dem
Worte in seiner heutigen Bedeutung uicht beizukommen. Es bedeutet ursprüng¬
lich Keule, Knüttel, wie das niederdeutsche Kluppel, und der Verfasser ver-


Polnischer Kunstausdriicke zu schreiben. In der ersten Studie („Deutsche
Revue" 1837) besprach er zunächst die Schwierigkeit, ja Gefährlichkeit, solche
Ausdrucke, die meistens aus dem Englischen oder Französischen (oder durch
eine dieser beiden Sprachen aus dem Lateinischen) in die Sprache der Diplo¬
matie und der Zeitungen übergegangen sind, durch deutsche Wörter zu ersetzen,
da sie nur selten deu bestimmten Sinn scharf wiedergeben könnten. Er zählt
eine lange Reihe solcher Fremdwörter auf, die mir durch lange Umschreibungen
zu verdeutschen wären, wenn der Begriff nicht noch mehr verdunkelt werden
sollte, als es ohnehin gewöhnlich der Fall ist. Um dem Leser eine ungefähre
Vorstellung von der Arbeit zu geben, die nur von einem Manne mit so außer¬
ordentlicher Belesenheit und praktischer Erfahrung unternommen werden konnte,
greifen wir für eine kurze Inhaltsangabe zwei Abschnitte heraus, einen die
auswärtige Politik und einen das Parteiwesen im Innern betreffenden.

Mit „politisches Gleichgewicht" werden zwei französische Wörter (6eM-
librs und ImliiuczL An xauvoir) und die entsprechenden englischen (umMlidrwm
und rmlimvö ol povvr) übersetzt. Das Wort ^e<Mlidruurr kommt im ersten
Viertel des siebzehnten Jahrhunderts, nämlich bei Bacon von Verulam, vor,
in dem Sinne, daß mehrere verbündete Fürsten eine Vergrößerung des Ge¬
biets des eiuen von ihnen nicht zuließen, ohne ihrerseits entschädigt zu werden.
Bei dieser Gelegenheit bestreitet Vaeon auch die Ansicht ,.einiger Scholastiker,"
daß nur eine Rechtsverletzung oder Herausfordrung zu einem Kriege berech¬
tige, vielmehr genüge dafür auch ,,die begründete Besorgnis einer nahen Ge¬
fahr" — ein Satz, der manche Erörterungen über den Wortlaut der ,,Emser
Depesche" hätte entbehrlich machen können- Zur Zeit Ludwigs des Vierzehnten
tritt in Staatsschriften mehrfach der Gedanke aus, daß das übermäßige An¬
wachsen einer Macht die Ruhe und den Frieden aller übrigen bedrohe, aber
erst in den Friedensschlüssen nach dem spanischen Erbfvlgekriege erscheint das
Verbot der Bereinigung der Kronen von Frankreich und Spanien bei einer
Person oder einer Linie als Bedingung für die Erhaltung der lmllrui?!,, und
des imcMtiwmun. Swift gebraucht das Bild von der Wage, ImlMve ok
I'von', mit Beziehung auf die beiden großen Parteien im Lande, nimmt
jedoch noch einen dritten Faktor an, die Hand, die die Wage hält und weg¬
nimmt oder hinzuthut, wenn eine Schale oder deren Inhalt zu schwer zu
werden droht. Diese Funktion wird in einer Rede Georgs des Zweiten für
ganz Europa dem britischen Reiche zugeteilt. So war aus dein Gleichgewicht
glücklich das Übergewicht eines Staats geworden, das eben durch das asym-
Ubrinrn verhindert werden sollte. Die weitere Entwicklung und Verwicklung
»eng in dem Aufsatze selbst nachgelesen werden.

Ein andrer Artikel behandelt den Ausdruck „Klub." sprachlich ist dem
Worte in seiner heutigen Bedeutung uicht beizukommen. Es bedeutet ursprüng¬
lich Keule, Knüttel, wie das niederdeutsche Kluppel, und der Verfasser ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0587" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213701"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1833" prev="#ID_1832"> Polnischer Kunstausdriicke zu schreiben. In der ersten Studie (&#x201E;Deutsche<lb/>
Revue" 1837) besprach er zunächst die Schwierigkeit, ja Gefährlichkeit, solche<lb/>
Ausdrucke, die meistens aus dem Englischen oder Französischen (oder durch<lb/>
eine dieser beiden Sprachen aus dem Lateinischen) in die Sprache der Diplo¬<lb/>
matie und der Zeitungen übergegangen sind, durch deutsche Wörter zu ersetzen,<lb/>
da sie nur selten deu bestimmten Sinn scharf wiedergeben könnten. Er zählt<lb/>
eine lange Reihe solcher Fremdwörter auf, die mir durch lange Umschreibungen<lb/>
zu verdeutschen wären, wenn der Begriff nicht noch mehr verdunkelt werden<lb/>
sollte, als es ohnehin gewöhnlich der Fall ist. Um dem Leser eine ungefähre<lb/>
Vorstellung von der Arbeit zu geben, die nur von einem Manne mit so außer¬<lb/>
ordentlicher Belesenheit und praktischer Erfahrung unternommen werden konnte,<lb/>
greifen wir für eine kurze Inhaltsangabe zwei Abschnitte heraus, einen die<lb/>
auswärtige Politik und einen das Parteiwesen im Innern betreffenden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1834"> Mit &#x201E;politisches Gleichgewicht" werden zwei französische Wörter (6eM-<lb/>
librs und ImliiuczL An xauvoir) und die entsprechenden englischen (umMlidrwm<lb/>
und rmlimvö ol povvr) übersetzt. Das Wort ^e&lt;Mlidruurr kommt im ersten<lb/>
Viertel des siebzehnten Jahrhunderts, nämlich bei Bacon von Verulam, vor,<lb/>
in dem Sinne, daß mehrere verbündete Fürsten eine Vergrößerung des Ge¬<lb/>
biets des eiuen von ihnen nicht zuließen, ohne ihrerseits entschädigt zu werden.<lb/>
Bei dieser Gelegenheit bestreitet Vaeon auch die Ansicht ,.einiger Scholastiker,"<lb/>
daß nur eine Rechtsverletzung oder Herausfordrung zu einem Kriege berech¬<lb/>
tige, vielmehr genüge dafür auch ,,die begründete Besorgnis einer nahen Ge¬<lb/>
fahr" &#x2014; ein Satz, der manche Erörterungen über den Wortlaut der ,,Emser<lb/>
Depesche" hätte entbehrlich machen können- Zur Zeit Ludwigs des Vierzehnten<lb/>
tritt in Staatsschriften mehrfach der Gedanke aus, daß das übermäßige An¬<lb/>
wachsen einer Macht die Ruhe und den Frieden aller übrigen bedrohe, aber<lb/>
erst in den Friedensschlüssen nach dem spanischen Erbfvlgekriege erscheint das<lb/>
Verbot der Bereinigung der Kronen von Frankreich und Spanien bei einer<lb/>
Person oder einer Linie als Bedingung für die Erhaltung der lmllrui?!,, und<lb/>
des imcMtiwmun. Swift gebraucht das Bild von der Wage, ImlMve ok<lb/>
I'von', mit Beziehung auf die beiden großen Parteien im Lande, nimmt<lb/>
jedoch noch einen dritten Faktor an, die Hand, die die Wage hält und weg¬<lb/>
nimmt oder hinzuthut, wenn eine Schale oder deren Inhalt zu schwer zu<lb/>
werden droht. Diese Funktion wird in einer Rede Georgs des Zweiten für<lb/>
ganz Europa dem britischen Reiche zugeteilt. So war aus dein Gleichgewicht<lb/>
glücklich das Übergewicht eines Staats geworden, das eben durch das asym-<lb/>
Ubrinrn verhindert werden sollte. Die weitere Entwicklung und Verwicklung<lb/>
»eng in dem Aufsatze selbst nachgelesen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1835" next="#ID_1836"> Ein andrer Artikel behandelt den Ausdruck &#x201E;Klub." sprachlich ist dem<lb/>
Worte in seiner heutigen Bedeutung uicht beizukommen. Es bedeutet ursprüng¬<lb/>
lich Keule, Knüttel, wie das niederdeutsche Kluppel, und der Verfasser ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0587] Polnischer Kunstausdriicke zu schreiben. In der ersten Studie („Deutsche Revue" 1837) besprach er zunächst die Schwierigkeit, ja Gefährlichkeit, solche Ausdrucke, die meistens aus dem Englischen oder Französischen (oder durch eine dieser beiden Sprachen aus dem Lateinischen) in die Sprache der Diplo¬ matie und der Zeitungen übergegangen sind, durch deutsche Wörter zu ersetzen, da sie nur selten deu bestimmten Sinn scharf wiedergeben könnten. Er zählt eine lange Reihe solcher Fremdwörter auf, die mir durch lange Umschreibungen zu verdeutschen wären, wenn der Begriff nicht noch mehr verdunkelt werden sollte, als es ohnehin gewöhnlich der Fall ist. Um dem Leser eine ungefähre Vorstellung von der Arbeit zu geben, die nur von einem Manne mit so außer¬ ordentlicher Belesenheit und praktischer Erfahrung unternommen werden konnte, greifen wir für eine kurze Inhaltsangabe zwei Abschnitte heraus, einen die auswärtige Politik und einen das Parteiwesen im Innern betreffenden. Mit „politisches Gleichgewicht" werden zwei französische Wörter (6eM- librs und ImliiuczL An xauvoir) und die entsprechenden englischen (umMlidrwm und rmlimvö ol povvr) übersetzt. Das Wort ^e<Mlidruurr kommt im ersten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts, nämlich bei Bacon von Verulam, vor, in dem Sinne, daß mehrere verbündete Fürsten eine Vergrößerung des Ge¬ biets des eiuen von ihnen nicht zuließen, ohne ihrerseits entschädigt zu werden. Bei dieser Gelegenheit bestreitet Vaeon auch die Ansicht ,.einiger Scholastiker," daß nur eine Rechtsverletzung oder Herausfordrung zu einem Kriege berech¬ tige, vielmehr genüge dafür auch ,,die begründete Besorgnis einer nahen Ge¬ fahr" — ein Satz, der manche Erörterungen über den Wortlaut der ,,Emser Depesche" hätte entbehrlich machen können- Zur Zeit Ludwigs des Vierzehnten tritt in Staatsschriften mehrfach der Gedanke aus, daß das übermäßige An¬ wachsen einer Macht die Ruhe und den Frieden aller übrigen bedrohe, aber erst in den Friedensschlüssen nach dem spanischen Erbfvlgekriege erscheint das Verbot der Bereinigung der Kronen von Frankreich und Spanien bei einer Person oder einer Linie als Bedingung für die Erhaltung der lmllrui?!,, und des imcMtiwmun. Swift gebraucht das Bild von der Wage, ImlMve ok I'von', mit Beziehung auf die beiden großen Parteien im Lande, nimmt jedoch noch einen dritten Faktor an, die Hand, die die Wage hält und weg¬ nimmt oder hinzuthut, wenn eine Schale oder deren Inhalt zu schwer zu werden droht. Diese Funktion wird in einer Rede Georgs des Zweiten für ganz Europa dem britischen Reiche zugeteilt. So war aus dein Gleichgewicht glücklich das Übergewicht eines Staats geworden, das eben durch das asym- Ubrinrn verhindert werden sollte. Die weitere Entwicklung und Verwicklung »eng in dem Aufsatze selbst nachgelesen werden. Ein andrer Artikel behandelt den Ausdruck „Klub." sprachlich ist dem Worte in seiner heutigen Bedeutung uicht beizukommen. Es bedeutet ursprüng¬ lich Keule, Knüttel, wie das niederdeutsche Kluppel, und der Verfasser ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/587
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/587>, abgerufen am 23.07.2024.