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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Lrimieruugen an Lothar Bucher

sollten müßig sein, und man hat uns an die konstituircude Versammlung
von 1789 erinnert und hinzugefügt, sie hätte schwere Stürme über das Land
gebracht. Es ist nicht meine Ansicht, sondern die eines gewiegten Geschichts¬
forschers, daß Frankreich einem glücklichern Geschicke hätte entgegengehen können,
wenn man die erste Verfassung, welche die Versammlung von 1789 gab, von
allen Seiten ehrlich angenommen und ehrlich gehalten hätte. Gewiegte Ge¬
schichtsforscher finden die Ursachen der spätern Greuel nicht darin, daß die
tonstituirende Versammlung nicht Maß zu halten wußte, sondern in dem
Schwanken des Trägers der Krone, in der Fendalaristokratie, in der Reaktion
der höhern Offiziere und Beamten, in der Einwirkung des absolutistischen
Auslandes im Osten." Das ist der Standpunkt, den man damals den demo¬
kratischen nannte, und zu dein sich "im Prinzip" fast jedermann bekannte, wenn
er auch von der Demokratie nichts hören wollte. Aber die Sachen stießen sich
im Raume. Als Bücher die unentgeltliche Aufhebung der nicht aus Verträgen
herrührenden gutsherrlichen Lasten beantragte und dabei behauptete, die meisten
gutsherrlichen Rechte seien durch Bedrückung, List, Gewalt, Mißbrauch der Justiz
entstanden, wurde er sür einen Kommunisten angesehen. Damals bestritt er
der Regierung gegenüber, daß es einen von allen grundherrlichen Lasten freien
Bauernstand in Deutschland gegeben habe. "Wir brauchen nicht auf die Zeit
der Karolinger, auf den Heerbann Karls des Großen zurückzugehn, der zum
großen Teil aus kleinen, aber völlig freien Grundeigentümern bestand, wir
brauchen nicht an die bekannten kaiserliche!! Erlasse zu erinnern, welche den
Beamten bei strenger Strafe verboten, die freien Vaueru zu Frohuden heran¬
zuziehen, nicht an die Entstehung unsrer Städte, deren erste Anbauer freie
Bauern waren, wir brauchen uns nicht auf die ursprünglich deutschen Gegenden
zu beschränke!!, wir können sogar aus die Landesteile zwischen Oder und Elbe
übergehen, welche den Wenden abgenommen waren, wo also ein erobernder
und ein unterworfener Volksstamm lebte: hier in den Marken kommen bis
tief in die neue Geschichte Bauern vor, die frei von jeder Abhängigkeit und
jeder gutsherrlichen Abgabe waren, Bauern, welche über einander zu Gericht
saßen, wie die Peers in England. Der Einfluß des römischen Rechts, der
Beamten- und der gutsherrlichen Gewalt sind bekannt." Hier hören wir be¬
reits den Versasser des "Parlamentarismus." Gegenwärtig giebt es Demo¬
kraten, die in einem freien Bauernstande einen ihrer schlimmsten Feinde er¬
blicken, weil er seiner Natur nach konservativ sein muß.

Es mag hier eingeschaltet werden, daß die Ablösung der Reallasten eine
von den Fragen ist, in denen der oft zitirte Gegensatz zwischen den Abgeord-
v. Bismarck-Schönhausen und Bucher scharf zu Tage trat. Im November 1849,
als Vncher der Kammer nicht mehr angehörte, verwahrte sich Herr v. Vismarcl
dagegen, daß durch die Gesetzgebung von 1811 begangne Rechtsverletzungen
neue rechtfertigen sollten, schlug ironisch vor, daß auch die Hhvothekarforde-


Lrimieruugen an Lothar Bucher

sollten müßig sein, und man hat uns an die konstituircude Versammlung
von 1789 erinnert und hinzugefügt, sie hätte schwere Stürme über das Land
gebracht. Es ist nicht meine Ansicht, sondern die eines gewiegten Geschichts¬
forschers, daß Frankreich einem glücklichern Geschicke hätte entgegengehen können,
wenn man die erste Verfassung, welche die Versammlung von 1789 gab, von
allen Seiten ehrlich angenommen und ehrlich gehalten hätte. Gewiegte Ge¬
schichtsforscher finden die Ursachen der spätern Greuel nicht darin, daß die
tonstituirende Versammlung nicht Maß zu halten wußte, sondern in dem
Schwanken des Trägers der Krone, in der Fendalaristokratie, in der Reaktion
der höhern Offiziere und Beamten, in der Einwirkung des absolutistischen
Auslandes im Osten." Das ist der Standpunkt, den man damals den demo¬
kratischen nannte, und zu dein sich „im Prinzip" fast jedermann bekannte, wenn
er auch von der Demokratie nichts hören wollte. Aber die Sachen stießen sich
im Raume. Als Bücher die unentgeltliche Aufhebung der nicht aus Verträgen
herrührenden gutsherrlichen Lasten beantragte und dabei behauptete, die meisten
gutsherrlichen Rechte seien durch Bedrückung, List, Gewalt, Mißbrauch der Justiz
entstanden, wurde er sür einen Kommunisten angesehen. Damals bestritt er
der Regierung gegenüber, daß es einen von allen grundherrlichen Lasten freien
Bauernstand in Deutschland gegeben habe. „Wir brauchen nicht auf die Zeit
der Karolinger, auf den Heerbann Karls des Großen zurückzugehn, der zum
großen Teil aus kleinen, aber völlig freien Grundeigentümern bestand, wir
brauchen nicht an die bekannten kaiserliche!! Erlasse zu erinnern, welche den
Beamten bei strenger Strafe verboten, die freien Vaueru zu Frohuden heran¬
zuziehen, nicht an die Entstehung unsrer Städte, deren erste Anbauer freie
Bauern waren, wir brauchen uns nicht auf die ursprünglich deutschen Gegenden
zu beschränke!!, wir können sogar aus die Landesteile zwischen Oder und Elbe
übergehen, welche den Wenden abgenommen waren, wo also ein erobernder
und ein unterworfener Volksstamm lebte: hier in den Marken kommen bis
tief in die neue Geschichte Bauern vor, die frei von jeder Abhängigkeit und
jeder gutsherrlichen Abgabe waren, Bauern, welche über einander zu Gericht
saßen, wie die Peers in England. Der Einfluß des römischen Rechts, der
Beamten- und der gutsherrlichen Gewalt sind bekannt." Hier hören wir be¬
reits den Versasser des „Parlamentarismus." Gegenwärtig giebt es Demo¬
kraten, die in einem freien Bauernstande einen ihrer schlimmsten Feinde er¬
blicken, weil er seiner Natur nach konservativ sein muß.

Es mag hier eingeschaltet werden, daß die Ablösung der Reallasten eine
von den Fragen ist, in denen der oft zitirte Gegensatz zwischen den Abgeord-
v. Bismarck-Schönhausen und Bucher scharf zu Tage trat. Im November 1849,
als Vncher der Kammer nicht mehr angehörte, verwahrte sich Herr v. Vismarcl
dagegen, daß durch die Gesetzgebung von 1811 begangne Rechtsverletzungen
neue rechtfertigen sollten, schlug ironisch vor, daß auch die Hhvothekarforde-


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[0582] Lrimieruugen an Lothar Bucher sollten müßig sein, und man hat uns an die konstituircude Versammlung von 1789 erinnert und hinzugefügt, sie hätte schwere Stürme über das Land gebracht. Es ist nicht meine Ansicht, sondern die eines gewiegten Geschichts¬ forschers, daß Frankreich einem glücklichern Geschicke hätte entgegengehen können, wenn man die erste Verfassung, welche die Versammlung von 1789 gab, von allen Seiten ehrlich angenommen und ehrlich gehalten hätte. Gewiegte Ge¬ schichtsforscher finden die Ursachen der spätern Greuel nicht darin, daß die tonstituirende Versammlung nicht Maß zu halten wußte, sondern in dem Schwanken des Trägers der Krone, in der Fendalaristokratie, in der Reaktion der höhern Offiziere und Beamten, in der Einwirkung des absolutistischen Auslandes im Osten." Das ist der Standpunkt, den man damals den demo¬ kratischen nannte, und zu dein sich „im Prinzip" fast jedermann bekannte, wenn er auch von der Demokratie nichts hören wollte. Aber die Sachen stießen sich im Raume. Als Bücher die unentgeltliche Aufhebung der nicht aus Verträgen herrührenden gutsherrlichen Lasten beantragte und dabei behauptete, die meisten gutsherrlichen Rechte seien durch Bedrückung, List, Gewalt, Mißbrauch der Justiz entstanden, wurde er sür einen Kommunisten angesehen. Damals bestritt er der Regierung gegenüber, daß es einen von allen grundherrlichen Lasten freien Bauernstand in Deutschland gegeben habe. „Wir brauchen nicht auf die Zeit der Karolinger, auf den Heerbann Karls des Großen zurückzugehn, der zum großen Teil aus kleinen, aber völlig freien Grundeigentümern bestand, wir brauchen nicht an die bekannten kaiserliche!! Erlasse zu erinnern, welche den Beamten bei strenger Strafe verboten, die freien Vaueru zu Frohuden heran¬ zuziehen, nicht an die Entstehung unsrer Städte, deren erste Anbauer freie Bauern waren, wir brauchen uns nicht auf die ursprünglich deutschen Gegenden zu beschränke!!, wir können sogar aus die Landesteile zwischen Oder und Elbe übergehen, welche den Wenden abgenommen waren, wo also ein erobernder und ein unterworfener Volksstamm lebte: hier in den Marken kommen bis tief in die neue Geschichte Bauern vor, die frei von jeder Abhängigkeit und jeder gutsherrlichen Abgabe waren, Bauern, welche über einander zu Gericht saßen, wie die Peers in England. Der Einfluß des römischen Rechts, der Beamten- und der gutsherrlichen Gewalt sind bekannt." Hier hören wir be¬ reits den Versasser des „Parlamentarismus." Gegenwärtig giebt es Demo¬ kraten, die in einem freien Bauernstande einen ihrer schlimmsten Feinde er¬ blicken, weil er seiner Natur nach konservativ sein muß. Es mag hier eingeschaltet werden, daß die Ablösung der Reallasten eine von den Fragen ist, in denen der oft zitirte Gegensatz zwischen den Abgeord- v. Bismarck-Schönhausen und Bucher scharf zu Tage trat. Im November 1849, als Vncher der Kammer nicht mehr angehörte, verwahrte sich Herr v. Vismarcl dagegen, daß durch die Gesetzgebung von 1811 begangne Rechtsverletzungen neue rechtfertigen sollten, schlug ironisch vor, daß auch die Hhvothekarforde-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/582>, abgerufen am 22.12.2024.