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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die christliche Mission in Lhina

sei es auch für unbefangne Laien ganz lächerlich unwichtig, wird als Eckstein
betrachtet, von dem aus alles religiöse Wirken, also anch die Bekehrung der
Chinesen einzig und allein ausgehen könne. Solche Sekten in England und
Amerika sehen dann hauptsächlich darauf, ob einer, der sich für die Mission
meldet, ihrer Lehre aufrichtig ergeben ist; ob er anch die geeigneten Fähig¬
keiten für sein schweres Amt hat, wird fast niemals gehörig in Betracht ge¬
zogen. Es soll nun durchaus nicht behauptet werden, daß es hier gar keine
protestantischen Missionare von weiteren Blick gäbe; gewiß, man findet präch¬
tige Menschen unter ihnen, mit denen jeder gern verkehrt, weil sie infolge
ihrer höhern geistigen Schulung die Engherzigkeit des von vielen eingenom¬
menen Sektenstandpunktes einsehen. Aber bei der großen Menge ihrer Amts¬
bruder fehlt es leider fast ganz an dieser so nötigen geistigen Schulung.

Die ziemlich starke Zersplitterung in der protestantischen Mission hat
schließlich drzu geführt, von Zeit zu Zeit große Versammlungen zur Be¬
sprechung der wichtigste!: Frage" abzuhalten. Unzweifelhaft wird dadurch auch
manches Gute erreicht werden, weil man im großen und ganzen das Bestreben
hat, die Gegensätze auszugleichen. Nur leiden die Besprechungen auf diesem
Versammlungen ein einer gewissen Einseitigkeit. Während man nämlich das
Thun und Treiben der Missionare gründlich genug erörtert, werden die Eigen¬
schaften des Operationsfeldes selbst kaum gestreift. Dies kommt aber einfach daher,
daß sicherlich drei Viertel aller protestantischen Missionare vom Confueicmismus
nur eine sehr oberflächliche Kenntnis und vom Buddhismus kaum eine Ahnung
haben. Unter deutschen Theologen würde so etwas natürlich undenkbar sein,
aber die englischen und amerikanischen Missionsgesellschaften sind eben andrer
Ansicht: sie getrauen sich Festungen einzunehmen, ohne daß sie selbst oder
ihre Truppen einen Begriff von der Beschaffenheit und Stärke dieser Festungen
haben. Da kann man sich über so viele Mißerfolge natürlich nicht wundern.
Die vielen glänzenden Ausnahmen von der Regel, litterarisch und wissen¬
schaftlich hochgebildete Leute, werden es wahrscheinlich selbst am meisten
bedauern, daß so viele ihrer Mitarbeiter sehr wenig von der nötigsten Bildung
besitzen.

Unter allen solchen Schwierigkeiten hat die Mission der katholischen Kirche
nicht zu leiden. Da ist die straffste, einheitlichste und zugleich klügste Leitung
der Welt, die immer für den jeweiligen Zweck die passendsten Werkzeuge aus¬
zuwählen versteht. Kein unbefangner Laie hier in China bestreitet, daß die
große Menge der katholischen Missionare ihren protestantischen Kollegen weit
überlegen ist. lind doch sind auch ihre Erfolge uicht bedeutend, obgleich ihnen
der Umstand, daß sie dem Aberglauben und den Sitten des Volkes nur mit
großer Vorsicht entgegentreten, viel nützt. Wie kommt das?

Da sich jetzt allmählich das Urteil über die Ursache der letzten großen
Unruhen geklärt hat, so kann auf die eben gestellte Frage die bestimmte Antwort


Grenzboten IV 1892 72
Die christliche Mission in Lhina

sei es auch für unbefangne Laien ganz lächerlich unwichtig, wird als Eckstein
betrachtet, von dem aus alles religiöse Wirken, also anch die Bekehrung der
Chinesen einzig und allein ausgehen könne. Solche Sekten in England und
Amerika sehen dann hauptsächlich darauf, ob einer, der sich für die Mission
meldet, ihrer Lehre aufrichtig ergeben ist; ob er anch die geeigneten Fähig¬
keiten für sein schweres Amt hat, wird fast niemals gehörig in Betracht ge¬
zogen. Es soll nun durchaus nicht behauptet werden, daß es hier gar keine
protestantischen Missionare von weiteren Blick gäbe; gewiß, man findet präch¬
tige Menschen unter ihnen, mit denen jeder gern verkehrt, weil sie infolge
ihrer höhern geistigen Schulung die Engherzigkeit des von vielen eingenom¬
menen Sektenstandpunktes einsehen. Aber bei der großen Menge ihrer Amts¬
bruder fehlt es leider fast ganz an dieser so nötigen geistigen Schulung.

Die ziemlich starke Zersplitterung in der protestantischen Mission hat
schließlich drzu geführt, von Zeit zu Zeit große Versammlungen zur Be¬
sprechung der wichtigste!: Frage« abzuhalten. Unzweifelhaft wird dadurch auch
manches Gute erreicht werden, weil man im großen und ganzen das Bestreben
hat, die Gegensätze auszugleichen. Nur leiden die Besprechungen auf diesem
Versammlungen ein einer gewissen Einseitigkeit. Während man nämlich das
Thun und Treiben der Missionare gründlich genug erörtert, werden die Eigen¬
schaften des Operationsfeldes selbst kaum gestreift. Dies kommt aber einfach daher,
daß sicherlich drei Viertel aller protestantischen Missionare vom Confueicmismus
nur eine sehr oberflächliche Kenntnis und vom Buddhismus kaum eine Ahnung
haben. Unter deutschen Theologen würde so etwas natürlich undenkbar sein,
aber die englischen und amerikanischen Missionsgesellschaften sind eben andrer
Ansicht: sie getrauen sich Festungen einzunehmen, ohne daß sie selbst oder
ihre Truppen einen Begriff von der Beschaffenheit und Stärke dieser Festungen
haben. Da kann man sich über so viele Mißerfolge natürlich nicht wundern.
Die vielen glänzenden Ausnahmen von der Regel, litterarisch und wissen¬
schaftlich hochgebildete Leute, werden es wahrscheinlich selbst am meisten
bedauern, daß so viele ihrer Mitarbeiter sehr wenig von der nötigsten Bildung
besitzen.

Unter allen solchen Schwierigkeiten hat die Mission der katholischen Kirche
nicht zu leiden. Da ist die straffste, einheitlichste und zugleich klügste Leitung
der Welt, die immer für den jeweiligen Zweck die passendsten Werkzeuge aus¬
zuwählen versteht. Kein unbefangner Laie hier in China bestreitet, daß die
große Menge der katholischen Missionare ihren protestantischen Kollegen weit
überlegen ist. lind doch sind auch ihre Erfolge uicht bedeutend, obgleich ihnen
der Umstand, daß sie dem Aberglauben und den Sitten des Volkes nur mit
großer Vorsicht entgegentreten, viel nützt. Wie kommt das?

Da sich jetzt allmählich das Urteil über die Ursache der letzten großen
Unruhen geklärt hat, so kann auf die eben gestellte Frage die bestimmte Antwort


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[0577] Die christliche Mission in Lhina sei es auch für unbefangne Laien ganz lächerlich unwichtig, wird als Eckstein betrachtet, von dem aus alles religiöse Wirken, also anch die Bekehrung der Chinesen einzig und allein ausgehen könne. Solche Sekten in England und Amerika sehen dann hauptsächlich darauf, ob einer, der sich für die Mission meldet, ihrer Lehre aufrichtig ergeben ist; ob er anch die geeigneten Fähig¬ keiten für sein schweres Amt hat, wird fast niemals gehörig in Betracht ge¬ zogen. Es soll nun durchaus nicht behauptet werden, daß es hier gar keine protestantischen Missionare von weiteren Blick gäbe; gewiß, man findet präch¬ tige Menschen unter ihnen, mit denen jeder gern verkehrt, weil sie infolge ihrer höhern geistigen Schulung die Engherzigkeit des von vielen eingenom¬ menen Sektenstandpunktes einsehen. Aber bei der großen Menge ihrer Amts¬ bruder fehlt es leider fast ganz an dieser so nötigen geistigen Schulung. Die ziemlich starke Zersplitterung in der protestantischen Mission hat schließlich drzu geführt, von Zeit zu Zeit große Versammlungen zur Be¬ sprechung der wichtigste!: Frage« abzuhalten. Unzweifelhaft wird dadurch auch manches Gute erreicht werden, weil man im großen und ganzen das Bestreben hat, die Gegensätze auszugleichen. Nur leiden die Besprechungen auf diesem Versammlungen ein einer gewissen Einseitigkeit. Während man nämlich das Thun und Treiben der Missionare gründlich genug erörtert, werden die Eigen¬ schaften des Operationsfeldes selbst kaum gestreift. Dies kommt aber einfach daher, daß sicherlich drei Viertel aller protestantischen Missionare vom Confueicmismus nur eine sehr oberflächliche Kenntnis und vom Buddhismus kaum eine Ahnung haben. Unter deutschen Theologen würde so etwas natürlich undenkbar sein, aber die englischen und amerikanischen Missionsgesellschaften sind eben andrer Ansicht: sie getrauen sich Festungen einzunehmen, ohne daß sie selbst oder ihre Truppen einen Begriff von der Beschaffenheit und Stärke dieser Festungen haben. Da kann man sich über so viele Mißerfolge natürlich nicht wundern. Die vielen glänzenden Ausnahmen von der Regel, litterarisch und wissen¬ schaftlich hochgebildete Leute, werden es wahrscheinlich selbst am meisten bedauern, daß so viele ihrer Mitarbeiter sehr wenig von der nötigsten Bildung besitzen. Unter allen solchen Schwierigkeiten hat die Mission der katholischen Kirche nicht zu leiden. Da ist die straffste, einheitlichste und zugleich klügste Leitung der Welt, die immer für den jeweiligen Zweck die passendsten Werkzeuge aus¬ zuwählen versteht. Kein unbefangner Laie hier in China bestreitet, daß die große Menge der katholischen Missionare ihren protestantischen Kollegen weit überlegen ist. lind doch sind auch ihre Erfolge uicht bedeutend, obgleich ihnen der Umstand, daß sie dem Aberglauben und den Sitten des Volkes nur mit großer Vorsicht entgegentreten, viel nützt. Wie kommt das? Da sich jetzt allmählich das Urteil über die Ursache der letzten großen Unruhen geklärt hat, so kann auf die eben gestellte Frage die bestimmte Antwort Grenzboten IV 1892 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/577>, abgerufen am 23.12.2024.