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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die christliche Mission in China

Niederlassung in seiner Hauptstadt Tscheu-klug-fu (jetzt ist Kanton Hauptstadt) zu
erwirken. Die Art und Weise, wie die beiden Patres ihr Gesuch begründeten, ist
ein so echt jesuitisches Stück, daß es hier angeführt zu werden verdient. Staunend
haben wir, sagten sie, mit unsern eignen Augen gesehen, daß das himmlische Reich
noch weit prächtiger ist als sein Ruf, und haben nun kein größeres Verlangen,
als unsre Tage hier zu beschließen; wir bitten deshalb um die Erlaubnis,
uns ein Haus und eine Kirche zu bauen, damit wir in Ruhe nachdenken
und beten können, was in dem geräuschvollen Macao nicht möglich ist. Ja
die frommen Väter verstanden es anch hier meisterhaft, sich anzubequemen,
das muß man ihnen lassen. Sowie sie bemerkten, einen wie Übeln Eindruck
die Verehrung einer Frau bei den Chinesen machte, wurde sofort überall das
Bild der heiligen Jungfrau entfernt und dnrch das des Heilands ersetzt.

Im Jahre 1601 ging Ricci nach Peking, wo ihm seine umfangreichen
Kenntnisse und seine angenehmen Umgangsformen bald die Gunst des Kaisers
und viele Anhänger erwarben. Von da an haben die Jesuiten über hundert
Jahre lang fast immer eine sehr angesehene Stellung am chinesischen Hofe ein¬
genommen, besonders unter dein Kaiser Kang-Hi (1661 bis 1723), einem der
bedeutendsten Herrscher, die der Orient jemals hervorgebracht hat. Die Patres
verstanden sich aber auch auf alles: sie gössen dem Kaiser Kanonen, sie machten
ihm richtige Kalender, und sie nahmen das ganze eigentliche China trigono¬
metrisch auf. Die von ihnen gebrauchten astronomischen Instrumente, darunter
ein schöner, großer Himmelsglobus aus Bronze, sind noch jetzt auf der
Stadtmauer vou Peking zu sehen, und die 1703 bis 1718 von zehn Jesuiten
bewerkstelligte Vermessung des ganzen Landes bildet noch immer die Grund¬
lage für alle Karten von China, weil die Verhältnisse seitdem niemals so
günstig gewesen sind, eine Wiederholung dieser Riesenarbeit zu erlauben.

In den letzten Lebensjahren des Kaisers Kang-Hi trat aber doch schon
allzusehr das Bestreben des päpstlichen Stuhles hervor, den christlichen Chinesen
mehr Vorschriften zu machen, als sich mit der kaiserlichen Würde vertrug. Es
war die alte Geschichte vom Kampfe zwischen Krone und Tiara, aber diesmal
verlor die Tiara ausnahmsweise das Spiel. Der Nachfolger Kaug-His erließ
schon 1724 die erste und später noch mehrere Verordnungen gegen die Christen,
dadurch ging den Jesuiten bald jeder Einfluß verloren, und die Zahl der
christlichen Chinesen verminderte sich rasch. Seitdem behaupteten sich die katho¬
lischen Missionen unter mannichfachen Verfolgungen im ganzen nur mühsam,
bis die von England und Frankreich in unserm Jahrhundert erzwungne Er¬
öffnung des Landes eine Änderung hervorbrachte. Jetzt ist das ganze Reich
unter die verschiednen geistlichen Orden verteilt; es wirken in den Missions-
stativnen 530 ausländische Priester, und die Zahl der zum Katholizismus be¬
kehrten Chinesen ist 525000 -- kein sonderlicher Erfolg, wenn mau die laugen
und unermüdlichen Anstrengungen der Kirche, sowie die große Begabung und


Die christliche Mission in China

Niederlassung in seiner Hauptstadt Tscheu-klug-fu (jetzt ist Kanton Hauptstadt) zu
erwirken. Die Art und Weise, wie die beiden Patres ihr Gesuch begründeten, ist
ein so echt jesuitisches Stück, daß es hier angeführt zu werden verdient. Staunend
haben wir, sagten sie, mit unsern eignen Augen gesehen, daß das himmlische Reich
noch weit prächtiger ist als sein Ruf, und haben nun kein größeres Verlangen,
als unsre Tage hier zu beschließen; wir bitten deshalb um die Erlaubnis,
uns ein Haus und eine Kirche zu bauen, damit wir in Ruhe nachdenken
und beten können, was in dem geräuschvollen Macao nicht möglich ist. Ja
die frommen Väter verstanden es anch hier meisterhaft, sich anzubequemen,
das muß man ihnen lassen. Sowie sie bemerkten, einen wie Übeln Eindruck
die Verehrung einer Frau bei den Chinesen machte, wurde sofort überall das
Bild der heiligen Jungfrau entfernt und dnrch das des Heilands ersetzt.

Im Jahre 1601 ging Ricci nach Peking, wo ihm seine umfangreichen
Kenntnisse und seine angenehmen Umgangsformen bald die Gunst des Kaisers
und viele Anhänger erwarben. Von da an haben die Jesuiten über hundert
Jahre lang fast immer eine sehr angesehene Stellung am chinesischen Hofe ein¬
genommen, besonders unter dein Kaiser Kang-Hi (1661 bis 1723), einem der
bedeutendsten Herrscher, die der Orient jemals hervorgebracht hat. Die Patres
verstanden sich aber auch auf alles: sie gössen dem Kaiser Kanonen, sie machten
ihm richtige Kalender, und sie nahmen das ganze eigentliche China trigono¬
metrisch auf. Die von ihnen gebrauchten astronomischen Instrumente, darunter
ein schöner, großer Himmelsglobus aus Bronze, sind noch jetzt auf der
Stadtmauer vou Peking zu sehen, und die 1703 bis 1718 von zehn Jesuiten
bewerkstelligte Vermessung des ganzen Landes bildet noch immer die Grund¬
lage für alle Karten von China, weil die Verhältnisse seitdem niemals so
günstig gewesen sind, eine Wiederholung dieser Riesenarbeit zu erlauben.

In den letzten Lebensjahren des Kaisers Kang-Hi trat aber doch schon
allzusehr das Bestreben des päpstlichen Stuhles hervor, den christlichen Chinesen
mehr Vorschriften zu machen, als sich mit der kaiserlichen Würde vertrug. Es
war die alte Geschichte vom Kampfe zwischen Krone und Tiara, aber diesmal
verlor die Tiara ausnahmsweise das Spiel. Der Nachfolger Kaug-His erließ
schon 1724 die erste und später noch mehrere Verordnungen gegen die Christen,
dadurch ging den Jesuiten bald jeder Einfluß verloren, und die Zahl der
christlichen Chinesen verminderte sich rasch. Seitdem behaupteten sich die katho¬
lischen Missionen unter mannichfachen Verfolgungen im ganzen nur mühsam,
bis die von England und Frankreich in unserm Jahrhundert erzwungne Er¬
öffnung des Landes eine Änderung hervorbrachte. Jetzt ist das ganze Reich
unter die verschiednen geistlichen Orden verteilt; es wirken in den Missions-
stativnen 530 ausländische Priester, und die Zahl der zum Katholizismus be¬
kehrten Chinesen ist 525000 — kein sonderlicher Erfolg, wenn mau die laugen
und unermüdlichen Anstrengungen der Kirche, sowie die große Begabung und


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[0574] Die christliche Mission in China Niederlassung in seiner Hauptstadt Tscheu-klug-fu (jetzt ist Kanton Hauptstadt) zu erwirken. Die Art und Weise, wie die beiden Patres ihr Gesuch begründeten, ist ein so echt jesuitisches Stück, daß es hier angeführt zu werden verdient. Staunend haben wir, sagten sie, mit unsern eignen Augen gesehen, daß das himmlische Reich noch weit prächtiger ist als sein Ruf, und haben nun kein größeres Verlangen, als unsre Tage hier zu beschließen; wir bitten deshalb um die Erlaubnis, uns ein Haus und eine Kirche zu bauen, damit wir in Ruhe nachdenken und beten können, was in dem geräuschvollen Macao nicht möglich ist. Ja die frommen Väter verstanden es anch hier meisterhaft, sich anzubequemen, das muß man ihnen lassen. Sowie sie bemerkten, einen wie Übeln Eindruck die Verehrung einer Frau bei den Chinesen machte, wurde sofort überall das Bild der heiligen Jungfrau entfernt und dnrch das des Heilands ersetzt. Im Jahre 1601 ging Ricci nach Peking, wo ihm seine umfangreichen Kenntnisse und seine angenehmen Umgangsformen bald die Gunst des Kaisers und viele Anhänger erwarben. Von da an haben die Jesuiten über hundert Jahre lang fast immer eine sehr angesehene Stellung am chinesischen Hofe ein¬ genommen, besonders unter dein Kaiser Kang-Hi (1661 bis 1723), einem der bedeutendsten Herrscher, die der Orient jemals hervorgebracht hat. Die Patres verstanden sich aber auch auf alles: sie gössen dem Kaiser Kanonen, sie machten ihm richtige Kalender, und sie nahmen das ganze eigentliche China trigono¬ metrisch auf. Die von ihnen gebrauchten astronomischen Instrumente, darunter ein schöner, großer Himmelsglobus aus Bronze, sind noch jetzt auf der Stadtmauer vou Peking zu sehen, und die 1703 bis 1718 von zehn Jesuiten bewerkstelligte Vermessung des ganzen Landes bildet noch immer die Grund¬ lage für alle Karten von China, weil die Verhältnisse seitdem niemals so günstig gewesen sind, eine Wiederholung dieser Riesenarbeit zu erlauben. In den letzten Lebensjahren des Kaisers Kang-Hi trat aber doch schon allzusehr das Bestreben des päpstlichen Stuhles hervor, den christlichen Chinesen mehr Vorschriften zu machen, als sich mit der kaiserlichen Würde vertrug. Es war die alte Geschichte vom Kampfe zwischen Krone und Tiara, aber diesmal verlor die Tiara ausnahmsweise das Spiel. Der Nachfolger Kaug-His erließ schon 1724 die erste und später noch mehrere Verordnungen gegen die Christen, dadurch ging den Jesuiten bald jeder Einfluß verloren, und die Zahl der christlichen Chinesen verminderte sich rasch. Seitdem behaupteten sich die katho¬ lischen Missionen unter mannichfachen Verfolgungen im ganzen nur mühsam, bis die von England und Frankreich in unserm Jahrhundert erzwungne Er¬ öffnung des Landes eine Änderung hervorbrachte. Jetzt ist das ganze Reich unter die verschiednen geistlichen Orden verteilt; es wirken in den Missions- stativnen 530 ausländische Priester, und die Zahl der zum Katholizismus be¬ kehrten Chinesen ist 525000 — kein sonderlicher Erfolg, wenn mau die laugen und unermüdlichen Anstrengungen der Kirche, sowie die große Begabung und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/574>, abgerufen am 23.12.2024.