Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der langweilige Kammerlzerr

Langweilig! sagte Detlev, bedächtig seine Kniee reibend; ja langweilig is
vielens auf die Welt. Meinen Herrn haben die andern Menschens anch ümmer
langweilig genannt. Bloß weil er nich sprach und keine Beschichtens ver¬
zählen mochte. Und er selbst fand auch allens langweilig, und darum is er
auch der langweilige Kammerherr genannt worden. Aber ein guten Mann is
er darum doch gewesen, und ich kann mir bannig auf den Augenblick freuen,
wo ich ihm wieder zu sehen krieg. Bloß daß ich die Angst hab, er könnt
sich im Himmel auch langweilen, weil er da so Anlage zu hatte. Ehesten?
is das nu nich gewesen, als er jung und lustig war, und die Franzvsens noch
nich hier herum ramenteten.

Der Alte hielt mit Sprechen inne und sah starr in den Liegen, bis er,
wie aus tiefen Gedanken erwachend, seine Angen auf mich heftete. sehn Sie
man nich fo traurig aus! sagte er gutmütig. Sie sind noch zu jung fürs
Langweilen, und ein büschen Regen is nich schlimm. Viel schlimmer is, wenn
der Mond scheint und ich ümmer an allens denken muß, was banalen pas-
sirte, banalen, als die Franzosens hier auf einmal in die Gegend waren. Da
haben Sie woll nie was von gehört, daß die mal ne Nevolutschon hatten,
was son allgemeine K'oppabslngerei is. Sogar deu König singen sie tot, und
was die vornehmen Herrens waren, die sowas nich mochten, die kratzten
aus. So sind denn banalen ein ganzen Berg feine Herrschaften nach unser
Holstein gekommen, die sich von all den Spektakel in 'n Franzosenland ein
büschen verpusten wollten. Das konnten sie denn auch: denn hier ging allens
manierlich zu, und an Koppabslagen dacht kein Mensch. Du liebe Zeit, ich
hätt mein Kammerjunker auch den Kopp nich abflogen können, mit den besten
Willen nich. Son lustigen Herrn wie das war! Der alte Herzog konnte ja
leicht doll werden, aber bös bin ich ihn nie gewesen. Was das füm Herzog
war? Der wohnte in Eutin, und mein Herr war ein von seine Junkers. Da
nannten sie ihm uoch nich den langweiligen Kammerherrn; denn er war bloß
Kammerjunker, und die Langweiligkeit kannte er anch nich von Hörensagen,
das is ganz gewiß. Ein von die vergnügtesten Junkern war er, die ich in
mein Leben gesehen habe, und deshalb mochte ich ihm auch so gern leiden.
Und die Franzvsens hatten ihm auch gern. Ich glaub un eigentlich nich, daß
unser Herzog in Eutin die französischen Herrschaften eingeladen hatt -- da
weiß ich nix von, abers ich glaub es auch nich. Die Grasens und Herzöge
sind von selbst gekommen: erst waren sie in Plön und an den Plöner See,
und mit einmal wohnten sie auch in Eutin und brachten viel Spektakel und
Vergnügungen mit. Das war was für meinen Kammerjunker, kann ich Sie
sagen! Der war nich umsonst jung und hübsch und stank von Gliedern, den
prickelte die Lebenslust bis in die Fiugerspitzens, und er machte deu ganzen
Tag ein so lustiges Gesicht, als wenn er in Winter und Sommer jeden
Morgen ne frische Rose von 'u Busch abpflücke" konnte, wo gar keine


Der langweilige Kammerlzerr

Langweilig! sagte Detlev, bedächtig seine Kniee reibend; ja langweilig is
vielens auf die Welt. Meinen Herrn haben die andern Menschens anch ümmer
langweilig genannt. Bloß weil er nich sprach und keine Beschichtens ver¬
zählen mochte. Und er selbst fand auch allens langweilig, und darum is er
auch der langweilige Kammerherr genannt worden. Aber ein guten Mann is
er darum doch gewesen, und ich kann mir bannig auf den Augenblick freuen,
wo ich ihm wieder zu sehen krieg. Bloß daß ich die Angst hab, er könnt
sich im Himmel auch langweilen, weil er da so Anlage zu hatte. Ehesten?
is das nu nich gewesen, als er jung und lustig war, und die Franzvsens noch
nich hier herum ramenteten.

Der Alte hielt mit Sprechen inne und sah starr in den Liegen, bis er,
wie aus tiefen Gedanken erwachend, seine Angen auf mich heftete. sehn Sie
man nich fo traurig aus! sagte er gutmütig. Sie sind noch zu jung fürs
Langweilen, und ein büschen Regen is nich schlimm. Viel schlimmer is, wenn
der Mond scheint und ich ümmer an allens denken muß, was banalen pas-
sirte, banalen, als die Franzosens hier auf einmal in die Gegend waren. Da
haben Sie woll nie was von gehört, daß die mal ne Nevolutschon hatten,
was son allgemeine K'oppabslngerei is. Sogar deu König singen sie tot, und
was die vornehmen Herrens waren, die sowas nich mochten, die kratzten
aus. So sind denn banalen ein ganzen Berg feine Herrschaften nach unser
Holstein gekommen, die sich von all den Spektakel in 'n Franzosenland ein
büschen verpusten wollten. Das konnten sie denn auch: denn hier ging allens
manierlich zu, und an Koppabslagen dacht kein Mensch. Du liebe Zeit, ich
hätt mein Kammerjunker auch den Kopp nich abflogen können, mit den besten
Willen nich. Son lustigen Herrn wie das war! Der alte Herzog konnte ja
leicht doll werden, aber bös bin ich ihn nie gewesen. Was das füm Herzog
war? Der wohnte in Eutin, und mein Herr war ein von seine Junkers. Da
nannten sie ihm uoch nich den langweiligen Kammerherrn; denn er war bloß
Kammerjunker, und die Langweiligkeit kannte er anch nich von Hörensagen,
das is ganz gewiß. Ein von die vergnügtesten Junkern war er, die ich in
mein Leben gesehen habe, und deshalb mochte ich ihm auch so gern leiden.
Und die Franzvsens hatten ihm auch gern. Ich glaub un eigentlich nich, daß
unser Herzog in Eutin die französischen Herrschaften eingeladen hatt — da
weiß ich nix von, abers ich glaub es auch nich. Die Grasens und Herzöge
sind von selbst gekommen: erst waren sie in Plön und an den Plöner See,
und mit einmal wohnten sie auch in Eutin und brachten viel Spektakel und
Vergnügungen mit. Das war was für meinen Kammerjunker, kann ich Sie
sagen! Der war nich umsonst jung und hübsch und stank von Gliedern, den
prickelte die Lebenslust bis in die Fiugerspitzens, und er machte deu ganzen
Tag ein so lustiges Gesicht, als wenn er in Winter und Sommer jeden
Morgen ne frische Rose von 'u Busch abpflücke« konnte, wo gar keine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213609"/>
          <fw type="header" place="top"> Der langweilige Kammerlzerr</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1505"> Langweilig! sagte Detlev, bedächtig seine Kniee reibend; ja langweilig is<lb/>
vielens auf die Welt. Meinen Herrn haben die andern Menschens anch ümmer<lb/>
langweilig genannt. Bloß weil er nich sprach und keine Beschichtens ver¬<lb/>
zählen mochte. Und er selbst fand auch allens langweilig, und darum is er<lb/>
auch der langweilige Kammerherr genannt worden. Aber ein guten Mann is<lb/>
er darum doch gewesen, und ich kann mir bannig auf den Augenblick freuen,<lb/>
wo ich ihm wieder zu sehen krieg. Bloß daß ich die Angst hab, er könnt<lb/>
sich im Himmel auch langweilen, weil er da so Anlage zu hatte. Ehesten?<lb/>
is das nu nich gewesen, als er jung und lustig war, und die Franzvsens noch<lb/>
nich hier herum ramenteten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1506" next="#ID_1507"> Der Alte hielt mit Sprechen inne und sah starr in den Liegen, bis er,<lb/>
wie aus tiefen Gedanken erwachend, seine Angen auf mich heftete. sehn Sie<lb/>
man nich fo traurig aus! sagte er gutmütig. Sie sind noch zu jung fürs<lb/>
Langweilen, und ein büschen Regen is nich schlimm. Viel schlimmer is, wenn<lb/>
der Mond scheint und ich ümmer an allens denken muß, was banalen pas-<lb/>
sirte, banalen, als die Franzosens hier auf einmal in die Gegend waren. Da<lb/>
haben Sie woll nie was von gehört, daß die mal ne Nevolutschon hatten,<lb/>
was son allgemeine K'oppabslngerei is. Sogar deu König singen sie tot, und<lb/>
was die vornehmen Herrens waren, die sowas nich mochten, die kratzten<lb/>
aus. So sind denn banalen ein ganzen Berg feine Herrschaften nach unser<lb/>
Holstein gekommen, die sich von all den Spektakel in 'n Franzosenland ein<lb/>
büschen verpusten wollten. Das konnten sie denn auch: denn hier ging allens<lb/>
manierlich zu, und an Koppabslagen dacht kein Mensch. Du liebe Zeit, ich<lb/>
hätt mein Kammerjunker auch den Kopp nich abflogen können, mit den besten<lb/>
Willen nich. Son lustigen Herrn wie das war! Der alte Herzog konnte ja<lb/>
leicht doll werden, aber bös bin ich ihn nie gewesen. Was das füm Herzog<lb/>
war? Der wohnte in Eutin, und mein Herr war ein von seine Junkers. Da<lb/>
nannten sie ihm uoch nich den langweiligen Kammerherrn; denn er war bloß<lb/>
Kammerjunker, und die Langweiligkeit kannte er anch nich von Hörensagen,<lb/>
das is ganz gewiß. Ein von die vergnügtesten Junkern war er, die ich in<lb/>
mein Leben gesehen habe, und deshalb mochte ich ihm auch so gern leiden.<lb/>
Und die Franzvsens hatten ihm auch gern. Ich glaub un eigentlich nich, daß<lb/>
unser Herzog in Eutin die französischen Herrschaften eingeladen hatt &#x2014; da<lb/>
weiß ich nix von, abers ich glaub es auch nich. Die Grasens und Herzöge<lb/>
sind von selbst gekommen: erst waren sie in Plön und an den Plöner See,<lb/>
und mit einmal wohnten sie auch in Eutin und brachten viel Spektakel und<lb/>
Vergnügungen mit. Das war was für meinen Kammerjunker, kann ich Sie<lb/>
sagen! Der war nich umsonst jung und hübsch und stank von Gliedern, den<lb/>
prickelte die Lebenslust bis in die Fiugerspitzens, und er machte deu ganzen<lb/>
Tag ein so lustiges Gesicht, als wenn er in Winter und Sommer jeden<lb/>
Morgen ne frische Rose von 'u Busch abpflücke« konnte, wo gar keine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0495] Der langweilige Kammerlzerr Langweilig! sagte Detlev, bedächtig seine Kniee reibend; ja langweilig is vielens auf die Welt. Meinen Herrn haben die andern Menschens anch ümmer langweilig genannt. Bloß weil er nich sprach und keine Beschichtens ver¬ zählen mochte. Und er selbst fand auch allens langweilig, und darum is er auch der langweilige Kammerherr genannt worden. Aber ein guten Mann is er darum doch gewesen, und ich kann mir bannig auf den Augenblick freuen, wo ich ihm wieder zu sehen krieg. Bloß daß ich die Angst hab, er könnt sich im Himmel auch langweilen, weil er da so Anlage zu hatte. Ehesten? is das nu nich gewesen, als er jung und lustig war, und die Franzvsens noch nich hier herum ramenteten. Der Alte hielt mit Sprechen inne und sah starr in den Liegen, bis er, wie aus tiefen Gedanken erwachend, seine Angen auf mich heftete. sehn Sie man nich fo traurig aus! sagte er gutmütig. Sie sind noch zu jung fürs Langweilen, und ein büschen Regen is nich schlimm. Viel schlimmer is, wenn der Mond scheint und ich ümmer an allens denken muß, was banalen pas- sirte, banalen, als die Franzosens hier auf einmal in die Gegend waren. Da haben Sie woll nie was von gehört, daß die mal ne Nevolutschon hatten, was son allgemeine K'oppabslngerei is. Sogar deu König singen sie tot, und was die vornehmen Herrens waren, die sowas nich mochten, die kratzten aus. So sind denn banalen ein ganzen Berg feine Herrschaften nach unser Holstein gekommen, die sich von all den Spektakel in 'n Franzosenland ein büschen verpusten wollten. Das konnten sie denn auch: denn hier ging allens manierlich zu, und an Koppabslagen dacht kein Mensch. Du liebe Zeit, ich hätt mein Kammerjunker auch den Kopp nich abflogen können, mit den besten Willen nich. Son lustigen Herrn wie das war! Der alte Herzog konnte ja leicht doll werden, aber bös bin ich ihn nie gewesen. Was das füm Herzog war? Der wohnte in Eutin, und mein Herr war ein von seine Junkers. Da nannten sie ihm uoch nich den langweiligen Kammerherrn; denn er war bloß Kammerjunker, und die Langweiligkeit kannte er anch nich von Hörensagen, das is ganz gewiß. Ein von die vergnügtesten Junkern war er, die ich in mein Leben gesehen habe, und deshalb mochte ich ihm auch so gern leiden. Und die Franzvsens hatten ihm auch gern. Ich glaub un eigentlich nich, daß unser Herzog in Eutin die französischen Herrschaften eingeladen hatt — da weiß ich nix von, abers ich glaub es auch nich. Die Grasens und Herzöge sind von selbst gekommen: erst waren sie in Plön und an den Plöner See, und mit einmal wohnten sie auch in Eutin und brachten viel Spektakel und Vergnügungen mit. Das war was für meinen Kammerjunker, kann ich Sie sagen! Der war nich umsonst jung und hübsch und stank von Gliedern, den prickelte die Lebenslust bis in die Fiugerspitzens, und er machte deu ganzen Tag ein so lustiges Gesicht, als wenn er in Winter und Sommer jeden Morgen ne frische Rose von 'u Busch abpflücke« konnte, wo gar keine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/495
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/495>, abgerufen am 23.12.2024.