Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aufklärungen über studentische Dinge

verschnaufen, würden mehr und darunter frischere und vernünftigere Mitglieder
haben, und die Lasten eines überdies weniger kostspieligen und zeitvergeudcnden
Verbindungslebens würden sich wieder auf mehr Schultern verteilen.

Wie es mit einem etwaigen Pauken der Gruppen unter einander werden
würde, diese und ähnliche kitzliche, aber keineswegs unlösbare Fragen könnten
nebenbei oder später erledigt werden. Ob 8. (I, I.. (ü. und v. <ü. in alter
Geschlossenheit weiter bestehen, ob sich die drei Verbände oder zwei davon teil¬
weise zersetzen oder durchsetzen würden, ob sich ein alles umspannender loser
Geschnftsverband bilden könnte, auch das alles würden wir getrost der Zu¬
kunft überlassen. Ans die Erhaltung eines gesunden und überhaupt noch lebens¬
fähigen Verbindungswesens kommt es an, nicht auf Namen, nicht ans Fort¬
bestand eines v. 0. oder 1^. L. oder des hohen 3. L. selber, die doch auch
zu ihrer Zeit uur andre Formen abgelöst haben und trotz alles Vivat, ersseÄt,
üorlÄt. in Aötornunr nur "Phasen" sind. Eine langsame gegenseitige Un¬
gleichung könnte man in Ruhe abwarten. Die einzelnen immer noch ver¬
schiedenartigen Verbindungen würden allmählich in den Dingen gern von ein¬
ander lernen, die sich bald hier bald dort bewährt haben, während heutzutage
ein falscher Stolz hindert, das Gute bei dem Rivalen anzuerkennen und nach¬
zuahmen, und dazu verleitet, seine Thorheiten zu überbieten. Dann gäbe es
neben diesen in einer Art Verständigung eingeschlossenen Verbindungen nur
noch die Vereine, und mit diesen würde man doch wohl leben können, da sich
bei klarerer Scheidung beide Teile gegenseitig dann noch weniger Abbruch thun
würden als jetzt. Die gegen das Pauken gerichteten Verbindungen könnte
man ja, wenn man sehr theoretisch zu sein beabsichtigte, als Vereine betrachten
oder auch wie bisher, wo sie jn auch wie der heilige Gregorius auf dem
Steine für sich stehn, ganz beiseite lind in Ruhe lassen.

Den unmittelbarsten Gewinn, was den Zulauf an Füchsen betrifft, würden
von einer solche" Umgestaltung des studentischen Lebens unzweifelhaft die Korps
haben. Sie haben einmal die größte Anziehungskraft, die jetzt nur dnrch die
zu hohen materiellen Anforderungen eingeschränkt wird. Dieses Hemmnis
würde bei eiuer gesunden Reform kleiner werden, die Anziehungskraft dagegen
durch ein weniger exklusives Wesen der Korps nnr unbedeutend vermindert
werden; denu wenn sie etwa dein einen weniger imponiren sollten, würden
sie dafür dem andern desto besser gefallen. Die Burschenschaft und die übrigen
müßten den nächsten Vorteil darin sehn, daß der Verruf, der sie doch unstreitig
drückt, aufgehoben wäre und sie freier atmen würden. Außerdem würden ja,
wenn einmal der Anfang gemacht wäre, sehr bald weitere Klärungen, Um-
gestciltnngen und auch Verschmelzungen eintreten, bei denen jede Gruppe zeigen
und bewähren könnte, was sie wert ist.

Noch eines: Studenten folgen gern Schlagwörtern, und so könnte einer
sagen: Ringbildnngen sind unmoralisch. Das sind sie auch, wenn sie geld'


Aufklärungen über studentische Dinge

verschnaufen, würden mehr und darunter frischere und vernünftigere Mitglieder
haben, und die Lasten eines überdies weniger kostspieligen und zeitvergeudcnden
Verbindungslebens würden sich wieder auf mehr Schultern verteilen.

Wie es mit einem etwaigen Pauken der Gruppen unter einander werden
würde, diese und ähnliche kitzliche, aber keineswegs unlösbare Fragen könnten
nebenbei oder später erledigt werden. Ob 8. (I, I.. (ü. und v. <ü. in alter
Geschlossenheit weiter bestehen, ob sich die drei Verbände oder zwei davon teil¬
weise zersetzen oder durchsetzen würden, ob sich ein alles umspannender loser
Geschnftsverband bilden könnte, auch das alles würden wir getrost der Zu¬
kunft überlassen. Ans die Erhaltung eines gesunden und überhaupt noch lebens¬
fähigen Verbindungswesens kommt es an, nicht auf Namen, nicht ans Fort¬
bestand eines v. 0. oder 1^. L. oder des hohen 3. L. selber, die doch auch
zu ihrer Zeit uur andre Formen abgelöst haben und trotz alles Vivat, ersseÄt,
üorlÄt. in Aötornunr nur „Phasen" sind. Eine langsame gegenseitige Un¬
gleichung könnte man in Ruhe abwarten. Die einzelnen immer noch ver¬
schiedenartigen Verbindungen würden allmählich in den Dingen gern von ein¬
ander lernen, die sich bald hier bald dort bewährt haben, während heutzutage
ein falscher Stolz hindert, das Gute bei dem Rivalen anzuerkennen und nach¬
zuahmen, und dazu verleitet, seine Thorheiten zu überbieten. Dann gäbe es
neben diesen in einer Art Verständigung eingeschlossenen Verbindungen nur
noch die Vereine, und mit diesen würde man doch wohl leben können, da sich
bei klarerer Scheidung beide Teile gegenseitig dann noch weniger Abbruch thun
würden als jetzt. Die gegen das Pauken gerichteten Verbindungen könnte
man ja, wenn man sehr theoretisch zu sein beabsichtigte, als Vereine betrachten
oder auch wie bisher, wo sie jn auch wie der heilige Gregorius auf dem
Steine für sich stehn, ganz beiseite lind in Ruhe lassen.

Den unmittelbarsten Gewinn, was den Zulauf an Füchsen betrifft, würden
von einer solche» Umgestaltung des studentischen Lebens unzweifelhaft die Korps
haben. Sie haben einmal die größte Anziehungskraft, die jetzt nur dnrch die
zu hohen materiellen Anforderungen eingeschränkt wird. Dieses Hemmnis
würde bei eiuer gesunden Reform kleiner werden, die Anziehungskraft dagegen
durch ein weniger exklusives Wesen der Korps nnr unbedeutend vermindert
werden; denu wenn sie etwa dein einen weniger imponiren sollten, würden
sie dafür dem andern desto besser gefallen. Die Burschenschaft und die übrigen
müßten den nächsten Vorteil darin sehn, daß der Verruf, der sie doch unstreitig
drückt, aufgehoben wäre und sie freier atmen würden. Außerdem würden ja,
wenn einmal der Anfang gemacht wäre, sehr bald weitere Klärungen, Um-
gestciltnngen und auch Verschmelzungen eintreten, bei denen jede Gruppe zeigen
und bewähren könnte, was sie wert ist.

Noch eines: Studenten folgen gern Schlagwörtern, und so könnte einer
sagen: Ringbildnngen sind unmoralisch. Das sind sie auch, wenn sie geld'


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213589"/>
          <fw type="header" place="top"> Aufklärungen über studentische Dinge</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1417" prev="#ID_1416"> verschnaufen, würden mehr und darunter frischere und vernünftigere Mitglieder<lb/>
haben, und die Lasten eines überdies weniger kostspieligen und zeitvergeudcnden<lb/>
Verbindungslebens würden sich wieder auf mehr Schultern verteilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1418"> Wie es mit einem etwaigen Pauken der Gruppen unter einander werden<lb/>
würde, diese und ähnliche kitzliche, aber keineswegs unlösbare Fragen könnten<lb/>
nebenbei oder später erledigt werden. Ob 8. (I, I.. (ü. und v. &lt;ü. in alter<lb/>
Geschlossenheit weiter bestehen, ob sich die drei Verbände oder zwei davon teil¬<lb/>
weise zersetzen oder durchsetzen würden, ob sich ein alles umspannender loser<lb/>
Geschnftsverband bilden könnte, auch das alles würden wir getrost der Zu¬<lb/>
kunft überlassen. Ans die Erhaltung eines gesunden und überhaupt noch lebens¬<lb/>
fähigen Verbindungswesens kommt es an, nicht auf Namen, nicht ans Fort¬<lb/>
bestand eines v. 0. oder 1^. L. oder des hohen 3. L. selber, die doch auch<lb/>
zu ihrer Zeit uur andre Formen abgelöst haben und trotz alles Vivat, ersseÄt,<lb/>
üorlÄt. in Aötornunr nur &#x201E;Phasen" sind. Eine langsame gegenseitige Un¬<lb/>
gleichung könnte man in Ruhe abwarten. Die einzelnen immer noch ver¬<lb/>
schiedenartigen Verbindungen würden allmählich in den Dingen gern von ein¬<lb/>
ander lernen, die sich bald hier bald dort bewährt haben, während heutzutage<lb/>
ein falscher Stolz hindert, das Gute bei dem Rivalen anzuerkennen und nach¬<lb/>
zuahmen, und dazu verleitet, seine Thorheiten zu überbieten. Dann gäbe es<lb/>
neben diesen in einer Art Verständigung eingeschlossenen Verbindungen nur<lb/>
noch die Vereine, und mit diesen würde man doch wohl leben können, da sich<lb/>
bei klarerer Scheidung beide Teile gegenseitig dann noch weniger Abbruch thun<lb/>
würden als jetzt. Die gegen das Pauken gerichteten Verbindungen könnte<lb/>
man ja, wenn man sehr theoretisch zu sein beabsichtigte, als Vereine betrachten<lb/>
oder auch wie bisher, wo sie jn auch wie der heilige Gregorius auf dem<lb/>
Steine für sich stehn, ganz beiseite lind in Ruhe lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1419"> Den unmittelbarsten Gewinn, was den Zulauf an Füchsen betrifft, würden<lb/>
von einer solche» Umgestaltung des studentischen Lebens unzweifelhaft die Korps<lb/>
haben. Sie haben einmal die größte Anziehungskraft, die jetzt nur dnrch die<lb/>
zu hohen materiellen Anforderungen eingeschränkt wird. Dieses Hemmnis<lb/>
würde bei eiuer gesunden Reform kleiner werden, die Anziehungskraft dagegen<lb/>
durch ein weniger exklusives Wesen der Korps nnr unbedeutend vermindert<lb/>
werden; denu wenn sie etwa dein einen weniger imponiren sollten, würden<lb/>
sie dafür dem andern desto besser gefallen. Die Burschenschaft und die übrigen<lb/>
müßten den nächsten Vorteil darin sehn, daß der Verruf, der sie doch unstreitig<lb/>
drückt, aufgehoben wäre und sie freier atmen würden. Außerdem würden ja,<lb/>
wenn einmal der Anfang gemacht wäre, sehr bald weitere Klärungen, Um-<lb/>
gestciltnngen und auch Verschmelzungen eintreten, bei denen jede Gruppe zeigen<lb/>
und bewähren könnte, was sie wert ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1420" next="#ID_1421"> Noch eines: Studenten folgen gern Schlagwörtern, und so könnte einer<lb/>
sagen: Ringbildnngen sind unmoralisch.  Das sind sie auch, wenn sie geld'</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0475] Aufklärungen über studentische Dinge verschnaufen, würden mehr und darunter frischere und vernünftigere Mitglieder haben, und die Lasten eines überdies weniger kostspieligen und zeitvergeudcnden Verbindungslebens würden sich wieder auf mehr Schultern verteilen. Wie es mit einem etwaigen Pauken der Gruppen unter einander werden würde, diese und ähnliche kitzliche, aber keineswegs unlösbare Fragen könnten nebenbei oder später erledigt werden. Ob 8. (I, I.. (ü. und v. <ü. in alter Geschlossenheit weiter bestehen, ob sich die drei Verbände oder zwei davon teil¬ weise zersetzen oder durchsetzen würden, ob sich ein alles umspannender loser Geschnftsverband bilden könnte, auch das alles würden wir getrost der Zu¬ kunft überlassen. Ans die Erhaltung eines gesunden und überhaupt noch lebens¬ fähigen Verbindungswesens kommt es an, nicht auf Namen, nicht ans Fort¬ bestand eines v. 0. oder 1^. L. oder des hohen 3. L. selber, die doch auch zu ihrer Zeit uur andre Formen abgelöst haben und trotz alles Vivat, ersseÄt, üorlÄt. in Aötornunr nur „Phasen" sind. Eine langsame gegenseitige Un¬ gleichung könnte man in Ruhe abwarten. Die einzelnen immer noch ver¬ schiedenartigen Verbindungen würden allmählich in den Dingen gern von ein¬ ander lernen, die sich bald hier bald dort bewährt haben, während heutzutage ein falscher Stolz hindert, das Gute bei dem Rivalen anzuerkennen und nach¬ zuahmen, und dazu verleitet, seine Thorheiten zu überbieten. Dann gäbe es neben diesen in einer Art Verständigung eingeschlossenen Verbindungen nur noch die Vereine, und mit diesen würde man doch wohl leben können, da sich bei klarerer Scheidung beide Teile gegenseitig dann noch weniger Abbruch thun würden als jetzt. Die gegen das Pauken gerichteten Verbindungen könnte man ja, wenn man sehr theoretisch zu sein beabsichtigte, als Vereine betrachten oder auch wie bisher, wo sie jn auch wie der heilige Gregorius auf dem Steine für sich stehn, ganz beiseite lind in Ruhe lassen. Den unmittelbarsten Gewinn, was den Zulauf an Füchsen betrifft, würden von einer solche» Umgestaltung des studentischen Lebens unzweifelhaft die Korps haben. Sie haben einmal die größte Anziehungskraft, die jetzt nur dnrch die zu hohen materiellen Anforderungen eingeschränkt wird. Dieses Hemmnis würde bei eiuer gesunden Reform kleiner werden, die Anziehungskraft dagegen durch ein weniger exklusives Wesen der Korps nnr unbedeutend vermindert werden; denu wenn sie etwa dein einen weniger imponiren sollten, würden sie dafür dem andern desto besser gefallen. Die Burschenschaft und die übrigen müßten den nächsten Vorteil darin sehn, daß der Verruf, der sie doch unstreitig drückt, aufgehoben wäre und sie freier atmen würden. Außerdem würden ja, wenn einmal der Anfang gemacht wäre, sehr bald weitere Klärungen, Um- gestciltnngen und auch Verschmelzungen eintreten, bei denen jede Gruppe zeigen und bewähren könnte, was sie wert ist. Noch eines: Studenten folgen gern Schlagwörtern, und so könnte einer sagen: Ringbildnngen sind unmoralisch. Das sind sie auch, wenn sie geld'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/475
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/475>, abgerufen am 23.07.2024.