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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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fuhren Stufen herab, er steht nur auf einer relativen Höhe; die des Korps¬
fuchses ist so absolut, daß ihn jede Huld gegen ein andres studentisches Men¬
schenkind, das bloße Erblicken eines solchen beflecken würde. Darum hat es
auch die gütige Natur so eingerichtet, daß die Kvrpsmütze beim Aufsetzen
augenblicklich als aktive Tarnkappe wirkt: der Träger sieht andre Studenten,
aber auch Professoren und sonstige studirte Biedermänner und Staatsbürger,
die das Unglück gehabt haben, in ihrer Jugend nicht beim Korps aktiv
gewesen zu sein, überhaupt nicht mehr, er sieht an ihrer Stelle leere Lust, und
wenn sich diese Luft zufällig dort befindet, wohin er rücksichtslos und "unent¬
wegt" seine erhabnen Schritte lenkt, und sie nicht Hals über Kopf ausweicht,
so setzt es eben einen Zusammenstoß. Davor will nämlich diese merkwürdige
Mütze nicht schlitzen, aber sehen läßt sie den glücklichen Inhaber immer noch
niemanden -- vorausgesetzt, daß sie bei solcher schönen Gelegenheit nicht ein¬
mal aufs <?traßenpflaster fliegt. Solcherlei gehört mit zu den Ausnahmen,
die wir uns oben bei der Besprechung des Farbeutrageus vorbehielten.

Aber nur im Verkehr oder richtiger NichtVerkehr mit Studenten und
Studirten gilt dieser treffliche Korpskomment. Dienstmänner, Kutscher, Friseure,
Barbiere, Kellner u. s. w. werden ganz anständig und zuweilen sogar mit omi¬
nöser Vertraulichkeit behandelt. Schule macht neuerdings dieses schneidige
Straßenbenehmen mancher Korps besonders bei den jungen Fabrikarbeitern,
die auch uicht mehr ohne Rempeln in die Kneipe oder nach Hause gehen
können.

So geht das nnn in allem durch. Sind irgendwo "allgemeine" Stn-
dentenkommerse, Fackelzüge und dergleichen -- die Korps sind nie dabei, sie
halten ihre Feier für sich, nnter Umständen auch absichtlich gar keine. Und
müssen sie einmal mit den übrigen gehn, z.B. bei Beerdigungen, wo sie doch
niemanden extra zu Grabe geleiten können, so ist es dann wunderbar anzu-
sehn: uach einer großen, klaffenden Lücke im Zuge folgt der 8. (I, und zwar
mit eigens für ihn gemieteten Hautboisten, auf daß seine hohen Ohren nicht
den Trauermarsch zu hören brauchen, deu die Musikkapelle des profanen übrigen
Gefolgs spielt. Und in dem Augenblicke, wo das letzte offizielle Wort der
Feier verhallt, schnurrt auch der 8. (I, der nur darauf gepaßt hat, klappernd
und störend auf und davon.")

Also nicht die Burschenschafter nilein sind es, deren bloße Nähe der
Korpsier flieht oder ignorirt, aber sie sind es hauptsächlich. Das macht zum
Teil der alte Hader, zum Teil aber auch der Umstand, daß gerade die Burschen-



*) In Leipzig beanspruchen sie, bei Professorenbegräbnissen stets das Lcichengefolge zu
eröffnen. Nach dem Begräbnis eines hervorragenden Juristen, das kürzlich in Leipzig statt¬
fand, renommirte ein Korpsbnrsch ans der Frnhtneipe vor den Ohren sämtlicher übrigen
Gäste mit der Heldenthat, daß er einen juristischen "Verein," der sich unmittelbar an den
Leichenwagen habe anschließen wolle", hinter, ans Ende des Zugs, verwiesen habe!
Grenzboten IV 59

fuhren Stufen herab, er steht nur auf einer relativen Höhe; die des Korps¬
fuchses ist so absolut, daß ihn jede Huld gegen ein andres studentisches Men¬
schenkind, das bloße Erblicken eines solchen beflecken würde. Darum hat es
auch die gütige Natur so eingerichtet, daß die Kvrpsmütze beim Aufsetzen
augenblicklich als aktive Tarnkappe wirkt: der Träger sieht andre Studenten,
aber auch Professoren und sonstige studirte Biedermänner und Staatsbürger,
die das Unglück gehabt haben, in ihrer Jugend nicht beim Korps aktiv
gewesen zu sein, überhaupt nicht mehr, er sieht an ihrer Stelle leere Lust, und
wenn sich diese Luft zufällig dort befindet, wohin er rücksichtslos und „unent¬
wegt" seine erhabnen Schritte lenkt, und sie nicht Hals über Kopf ausweicht,
so setzt es eben einen Zusammenstoß. Davor will nämlich diese merkwürdige
Mütze nicht schlitzen, aber sehen läßt sie den glücklichen Inhaber immer noch
niemanden — vorausgesetzt, daß sie bei solcher schönen Gelegenheit nicht ein¬
mal aufs <?traßenpflaster fliegt. Solcherlei gehört mit zu den Ausnahmen,
die wir uns oben bei der Besprechung des Farbeutrageus vorbehielten.

Aber nur im Verkehr oder richtiger NichtVerkehr mit Studenten und
Studirten gilt dieser treffliche Korpskomment. Dienstmänner, Kutscher, Friseure,
Barbiere, Kellner u. s. w. werden ganz anständig und zuweilen sogar mit omi¬
nöser Vertraulichkeit behandelt. Schule macht neuerdings dieses schneidige
Straßenbenehmen mancher Korps besonders bei den jungen Fabrikarbeitern,
die auch uicht mehr ohne Rempeln in die Kneipe oder nach Hause gehen
können.

So geht das nnn in allem durch. Sind irgendwo „allgemeine" Stn-
dentenkommerse, Fackelzüge und dergleichen — die Korps sind nie dabei, sie
halten ihre Feier für sich, nnter Umständen auch absichtlich gar keine. Und
müssen sie einmal mit den übrigen gehn, z.B. bei Beerdigungen, wo sie doch
niemanden extra zu Grabe geleiten können, so ist es dann wunderbar anzu-
sehn: uach einer großen, klaffenden Lücke im Zuge folgt der 8. (I, und zwar
mit eigens für ihn gemieteten Hautboisten, auf daß seine hohen Ohren nicht
den Trauermarsch zu hören brauchen, deu die Musikkapelle des profanen übrigen
Gefolgs spielt. Und in dem Augenblicke, wo das letzte offizielle Wort der
Feier verhallt, schnurrt auch der 8. (I, der nur darauf gepaßt hat, klappernd
und störend auf und davon.")

Also nicht die Burschenschafter nilein sind es, deren bloße Nähe der
Korpsier flieht oder ignorirt, aber sie sind es hauptsächlich. Das macht zum
Teil der alte Hader, zum Teil aber auch der Umstand, daß gerade die Burschen-



*) In Leipzig beanspruchen sie, bei Professorenbegräbnissen stets das Lcichengefolge zu
eröffnen. Nach dem Begräbnis eines hervorragenden Juristen, das kürzlich in Leipzig statt¬
fand, renommirte ein Korpsbnrsch ans der Frnhtneipe vor den Ohren sämtlicher übrigen
Gäste mit der Heldenthat, daß er einen juristischen „Verein," der sich unmittelbar an den
Leichenwagen habe anschließen wolle», hinter, ans Ende des Zugs, verwiesen habe!
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[0473] fuhren Stufen herab, er steht nur auf einer relativen Höhe; die des Korps¬ fuchses ist so absolut, daß ihn jede Huld gegen ein andres studentisches Men¬ schenkind, das bloße Erblicken eines solchen beflecken würde. Darum hat es auch die gütige Natur so eingerichtet, daß die Kvrpsmütze beim Aufsetzen augenblicklich als aktive Tarnkappe wirkt: der Träger sieht andre Studenten, aber auch Professoren und sonstige studirte Biedermänner und Staatsbürger, die das Unglück gehabt haben, in ihrer Jugend nicht beim Korps aktiv gewesen zu sein, überhaupt nicht mehr, er sieht an ihrer Stelle leere Lust, und wenn sich diese Luft zufällig dort befindet, wohin er rücksichtslos und „unent¬ wegt" seine erhabnen Schritte lenkt, und sie nicht Hals über Kopf ausweicht, so setzt es eben einen Zusammenstoß. Davor will nämlich diese merkwürdige Mütze nicht schlitzen, aber sehen läßt sie den glücklichen Inhaber immer noch niemanden — vorausgesetzt, daß sie bei solcher schönen Gelegenheit nicht ein¬ mal aufs <?traßenpflaster fliegt. Solcherlei gehört mit zu den Ausnahmen, die wir uns oben bei der Besprechung des Farbeutrageus vorbehielten. Aber nur im Verkehr oder richtiger NichtVerkehr mit Studenten und Studirten gilt dieser treffliche Korpskomment. Dienstmänner, Kutscher, Friseure, Barbiere, Kellner u. s. w. werden ganz anständig und zuweilen sogar mit omi¬ nöser Vertraulichkeit behandelt. Schule macht neuerdings dieses schneidige Straßenbenehmen mancher Korps besonders bei den jungen Fabrikarbeitern, die auch uicht mehr ohne Rempeln in die Kneipe oder nach Hause gehen können. So geht das nnn in allem durch. Sind irgendwo „allgemeine" Stn- dentenkommerse, Fackelzüge und dergleichen — die Korps sind nie dabei, sie halten ihre Feier für sich, nnter Umständen auch absichtlich gar keine. Und müssen sie einmal mit den übrigen gehn, z.B. bei Beerdigungen, wo sie doch niemanden extra zu Grabe geleiten können, so ist es dann wunderbar anzu- sehn: uach einer großen, klaffenden Lücke im Zuge folgt der 8. (I, und zwar mit eigens für ihn gemieteten Hautboisten, auf daß seine hohen Ohren nicht den Trauermarsch zu hören brauchen, deu die Musikkapelle des profanen übrigen Gefolgs spielt. Und in dem Augenblicke, wo das letzte offizielle Wort der Feier verhallt, schnurrt auch der 8. (I, der nur darauf gepaßt hat, klappernd und störend auf und davon.") Also nicht die Burschenschafter nilein sind es, deren bloße Nähe der Korpsier flieht oder ignorirt, aber sie sind es hauptsächlich. Das macht zum Teil der alte Hader, zum Teil aber auch der Umstand, daß gerade die Burschen- *) In Leipzig beanspruchen sie, bei Professorenbegräbnissen stets das Lcichengefolge zu eröffnen. Nach dem Begräbnis eines hervorragenden Juristen, das kürzlich in Leipzig statt¬ fand, renommirte ein Korpsbnrsch ans der Frnhtneipe vor den Ohren sämtlicher übrigen Gäste mit der Heldenthat, daß er einen juristischen „Verein," der sich unmittelbar an den Leichenwagen habe anschließen wolle», hinter, ans Ende des Zugs, verwiesen habe! Grenzboten IV 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/473>, abgerufen am 23.12.2024.