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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Aufklärungen über studentische Dinge

und darin" führen auch Burschenschafter und Korps in Jena, jede von beiden
Gruppen für sich, ihr Dasein ganz wie sie Lust haben, verhältnismäßig ver¬
nünftig und mit wirklichem innerm Verbindungslebe", und bewahren ihre her-
gebrachten starken Mitgliederbestände.

Vielleicht wäre das der richtige Weg. Natürlich im allgemeinen; ob sich
eine ausschließliche Verbündung von Korps und Burschenschaft durchführen
ließe, diese und ähnliche Fragen mögen dahingestellt sein. Es würde wohl
auch darauf ankommen, wer sich alles im Kampfe zu halten vermöchte. Ein
Kampf würde es sein, aber der ist es ja jetzt schon. Nur daß sich jetzt alle
Kämpfer fruchtlos erschöpfen, alle gegen alle stehn, während dann der Kampf
ums Dasein rasch die schwachen und zulunftlvsen auf die eine Seite treiben
und vernichten würde. Um die wäre es aber auch nicht schade, und es brauchte
ihnen kein Mensch nachzuweinen. Freilich -- ihre alten Herren! Die müßten
sich dann trösten oder müßten protestiren.

Nun, es ist noch nicht so weit, man wird uns nicht so bald den Ge¬
fallen thun, und so brauchen wir uus heute noch nicht als Schlachtcndenker
sür diesen Kampf nur die Erhaltung der Gattung aufzuthun. Aber eins
möchten wir doch noch besprechen, eben das, was überall im Wege steht, was
auch dort zunächst das größte Fragezeichen bilden würde und die jetzige zu¬
nehmende Veräußerlichung und Verwirrung des Studentenwesens zum guten
Teil mit verschuldet, nämlich das hergebrachte gegenseitige Verhältnis von
Korps und Burschenschaft. Die .Korps stehen zwar nach allen Seiten hin
schroff da, aber das ist doch nnr die minder wesentliche Ergänzung zu jenem
Hunde- und Kntzenverhältnis der beiden größten Gruppen. Die ursprüngliche
Ursache davon bildet der alte Anspruch der Korps, die übrige Studentenschaft
mit zu "repräsentiren." Das ist natürlich seit dem Aufhören des ältern Re-
noncenwesens und zumal bei den heutigen Verhältnissen thatsächlich eine reine
Lächerlichkeit geworden. Ihre Stellung gegen die Burschenschaft wurde
ganz besonders feindselig oder vielmehr als solche zur Schau getragen seit
dem Überhandnehmen der demokratischen und revolutionären Tendenzen bei
dieser; damals, 1830, paktirten geradezu die staatlichen und akademischen Be¬
hörde" mit den Korps zur Unterdrückung der Burschenschaft, und so wurden
die früher so widerspenstigen und deshalb als eine Plage der Universitäten be¬
trachteten Korps die gehätschelten artigen Kiuder. Das Denken (oder vielmehr
Nichtdenten) des etwas ältern Geschlechts wird ja, wie wir schon früher aus¬
geführt haben, immer noch von der Nachwirkung dieses extremen politischen
Gegensatzes längst vergangner Tage beherrscht. Sonst ist heutzutage aller
wirkliche Grund zurückgetreten vor den Schranken, die um das Korpswesen
überhaupt durch die Gottähnlichkeit seiner Mitglieder gezogen sind. Ist doch
kein Fürst so hochgefürstet wie der Korpsstudent vom ersten Tage seines Aktiv-
Werdens an! Der Fürst mag hcrnbsteigen, zu wem er will, von seinem Throne


Aufklärungen über studentische Dinge

und darin» führen auch Burschenschafter und Korps in Jena, jede von beiden
Gruppen für sich, ihr Dasein ganz wie sie Lust haben, verhältnismäßig ver¬
nünftig und mit wirklichem innerm Verbindungslebe», und bewahren ihre her-
gebrachten starken Mitgliederbestände.

Vielleicht wäre das der richtige Weg. Natürlich im allgemeinen; ob sich
eine ausschließliche Verbündung von Korps und Burschenschaft durchführen
ließe, diese und ähnliche Fragen mögen dahingestellt sein. Es würde wohl
auch darauf ankommen, wer sich alles im Kampfe zu halten vermöchte. Ein
Kampf würde es sein, aber der ist es ja jetzt schon. Nur daß sich jetzt alle
Kämpfer fruchtlos erschöpfen, alle gegen alle stehn, während dann der Kampf
ums Dasein rasch die schwachen und zulunftlvsen auf die eine Seite treiben
und vernichten würde. Um die wäre es aber auch nicht schade, und es brauchte
ihnen kein Mensch nachzuweinen. Freilich — ihre alten Herren! Die müßten
sich dann trösten oder müßten protestiren.

Nun, es ist noch nicht so weit, man wird uns nicht so bald den Ge¬
fallen thun, und so brauchen wir uus heute noch nicht als Schlachtcndenker
sür diesen Kampf nur die Erhaltung der Gattung aufzuthun. Aber eins
möchten wir doch noch besprechen, eben das, was überall im Wege steht, was
auch dort zunächst das größte Fragezeichen bilden würde und die jetzige zu¬
nehmende Veräußerlichung und Verwirrung des Studentenwesens zum guten
Teil mit verschuldet, nämlich das hergebrachte gegenseitige Verhältnis von
Korps und Burschenschaft. Die .Korps stehen zwar nach allen Seiten hin
schroff da, aber das ist doch nnr die minder wesentliche Ergänzung zu jenem
Hunde- und Kntzenverhältnis der beiden größten Gruppen. Die ursprüngliche
Ursache davon bildet der alte Anspruch der Korps, die übrige Studentenschaft
mit zu „repräsentiren." Das ist natürlich seit dem Aufhören des ältern Re-
noncenwesens und zumal bei den heutigen Verhältnissen thatsächlich eine reine
Lächerlichkeit geworden. Ihre Stellung gegen die Burschenschaft wurde
ganz besonders feindselig oder vielmehr als solche zur Schau getragen seit
dem Überhandnehmen der demokratischen und revolutionären Tendenzen bei
dieser; damals, 1830, paktirten geradezu die staatlichen und akademischen Be¬
hörde» mit den Korps zur Unterdrückung der Burschenschaft, und so wurden
die früher so widerspenstigen und deshalb als eine Plage der Universitäten be¬
trachteten Korps die gehätschelten artigen Kiuder. Das Denken (oder vielmehr
Nichtdenten) des etwas ältern Geschlechts wird ja, wie wir schon früher aus¬
geführt haben, immer noch von der Nachwirkung dieses extremen politischen
Gegensatzes längst vergangner Tage beherrscht. Sonst ist heutzutage aller
wirkliche Grund zurückgetreten vor den Schranken, die um das Korpswesen
überhaupt durch die Gottähnlichkeit seiner Mitglieder gezogen sind. Ist doch
kein Fürst so hochgefürstet wie der Korpsstudent vom ersten Tage seines Aktiv-
Werdens an! Der Fürst mag hcrnbsteigen, zu wem er will, von seinem Throne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/472>, abgerufen am 23.07.2024.