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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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"alten Herren" in der Hauptsache junge Referendare u, s. w. sind, die weit
entfernt sind von einer selbständigen Existenz und der Bezahlung ihrer Uni¬
versitätsschulden. Nicht zum wenigsten ist es anch auf diesem Gebiete die
leidige, seit 1871 gesteigerte Einwirkung Berlins mit ihrer alles verflachenden
und alles frische und ursprüngliche Leben ertötenden Macht, was die Expro-
priirung der alten studentischen Eigentümlichkeit und ihren Untergang be¬
schleunigt. Die Folgen von allem aber sind, daß die Verbindungen immer
weniger Leute finden, die mitmachen wollen und können, daß sie immer mehr
von den Gaben, der Geduld und dem familienväterlichen Söhnezeugen ihrer
alten Herren abhängig werden, und daß sie die verhältnismäßig wenigen aktiven
Mitglieder, die sie in den einzelnen Semestern haben, immer mehr zu deren
Schaden für sich verbrauchen; denn es liegt doch auf der Hand, daß, je we¬
niger Aktive vorhanden sind, diese um so vollständiger ihre Zeit für Beamten¬
pflichten, Mensuren, auswärtige Vertretung u. s. w. aufwenden müssen, zum
Studium aber und zu irgend welcher geistigen und menschlichen Weiterbildung
nur spät und uuvollstciudig oder gar nicht kommen und daher schlechte Prü¬
fungen machen, untüchtige und fade Staatsdiener und Bürger werden, als
Menschen Simpel sind und nur eines verstehn: in allem, was nur irgendwie
von fern zu dem Verbindungswesen Beziehung hat oder damit ähnlich ist,
sich als wohlaufgezogne Uhrwerke zu benehmen und korrekt abzuschnurren.

Das sind böse Prophezeiungen, die in Widerspruch zu stehen scheinen mit
manchem in unsern frühern Aufsätzen dem Verbindungswesen gespendeten freund¬
lichen und lobenden Worte. Aber die Sache liegt eben trotz allem doch so,
daß wir den alten Kern des Verbindungswesens für gut und tüchtig halten
und eine Gefahr nur von äußern Unser'üben fürchten zu müssen glauben, die
nicht unbedenklich sind, aber doch auch noch nicht in das Innerste gedrungen,
deren Einflüsse noch zu bekämpfen und deren Folgen noch abzuwenden und
zu tilgen sind, wenn man nnr ernstlich und allgemein den Verstand und den
festen Willen dazu hat.

Betrachten wir zunächst noch näher den jetzigen Schlendrian und seine
wachsenden Früchte. Bei dem Publikum, das die Dinge mit ansieht und ge¬
rade die verderblichen Äußerlichkeiten am nächsten vor die Augen gerückt be¬
kommt, besteht die Wirkung, soweit diese Betrachtenden nicht schmunzelnde
Geschäftsleute oder geistige Straßenkinder sind, die jeden: unechten Jahrmarkts¬
trödel und jedem Hanswurst bewundernd zujubeln!, lediglich darin, daß sich
die Verbindungen immer mehr in Mißachtung bringen. Den Korps schadet
das, wie die Sache nun einmal liegt, noch am wenigsten, sie haben immer
noch ein beträchtliches Kapital von altem, verdientem oder unverdienten äußerm
Ansetzn zu vergeuden. Die andern mögen in allen Thorheiten immer noch
hinter den Korps zurücksein -- die Philisterwelt ist gegen sie darum doch nicht
freundlicher; sie sagt nur: die da dürften dergleichen doch am wenigsten mit-


„alten Herren" in der Hauptsache junge Referendare u, s. w. sind, die weit
entfernt sind von einer selbständigen Existenz und der Bezahlung ihrer Uni¬
versitätsschulden. Nicht zum wenigsten ist es anch auf diesem Gebiete die
leidige, seit 1871 gesteigerte Einwirkung Berlins mit ihrer alles verflachenden
und alles frische und ursprüngliche Leben ertötenden Macht, was die Expro-
priirung der alten studentischen Eigentümlichkeit und ihren Untergang be¬
schleunigt. Die Folgen von allem aber sind, daß die Verbindungen immer
weniger Leute finden, die mitmachen wollen und können, daß sie immer mehr
von den Gaben, der Geduld und dem familienväterlichen Söhnezeugen ihrer
alten Herren abhängig werden, und daß sie die verhältnismäßig wenigen aktiven
Mitglieder, die sie in den einzelnen Semestern haben, immer mehr zu deren
Schaden für sich verbrauchen; denn es liegt doch auf der Hand, daß, je we¬
niger Aktive vorhanden sind, diese um so vollständiger ihre Zeit für Beamten¬
pflichten, Mensuren, auswärtige Vertretung u. s. w. aufwenden müssen, zum
Studium aber und zu irgend welcher geistigen und menschlichen Weiterbildung
nur spät und uuvollstciudig oder gar nicht kommen und daher schlechte Prü¬
fungen machen, untüchtige und fade Staatsdiener und Bürger werden, als
Menschen Simpel sind und nur eines verstehn: in allem, was nur irgendwie
von fern zu dem Verbindungswesen Beziehung hat oder damit ähnlich ist,
sich als wohlaufgezogne Uhrwerke zu benehmen und korrekt abzuschnurren.

Das sind böse Prophezeiungen, die in Widerspruch zu stehen scheinen mit
manchem in unsern frühern Aufsätzen dem Verbindungswesen gespendeten freund¬
lichen und lobenden Worte. Aber die Sache liegt eben trotz allem doch so,
daß wir den alten Kern des Verbindungswesens für gut und tüchtig halten
und eine Gefahr nur von äußern Unser'üben fürchten zu müssen glauben, die
nicht unbedenklich sind, aber doch auch noch nicht in das Innerste gedrungen,
deren Einflüsse noch zu bekämpfen und deren Folgen noch abzuwenden und
zu tilgen sind, wenn man nnr ernstlich und allgemein den Verstand und den
festen Willen dazu hat.

Betrachten wir zunächst noch näher den jetzigen Schlendrian und seine
wachsenden Früchte. Bei dem Publikum, das die Dinge mit ansieht und ge¬
rade die verderblichen Äußerlichkeiten am nächsten vor die Augen gerückt be¬
kommt, besteht die Wirkung, soweit diese Betrachtenden nicht schmunzelnde
Geschäftsleute oder geistige Straßenkinder sind, die jeden: unechten Jahrmarkts¬
trödel und jedem Hanswurst bewundernd zujubeln!, lediglich darin, daß sich
die Verbindungen immer mehr in Mißachtung bringen. Den Korps schadet
das, wie die Sache nun einmal liegt, noch am wenigsten, sie haben immer
noch ein beträchtliches Kapital von altem, verdientem oder unverdienten äußerm
Ansetzn zu vergeuden. Die andern mögen in allen Thorheiten immer noch
hinter den Korps zurücksein — die Philisterwelt ist gegen sie darum doch nicht
freundlicher; sie sagt nur: die da dürften dergleichen doch am wenigsten mit-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/466>, abgerufen am 22.12.2024.