Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.digung, er habe mit dieser "Mischung" den Krieg mit dem unschuldigen, fried¬ Also: die Frankfurter Zeitung und ihre Genossen ultromcmtanen und sozial¬ digung, er habe mit dieser „Mischung" den Krieg mit dem unschuldigen, fried¬ Also: die Frankfurter Zeitung und ihre Genossen ultromcmtanen und sozial¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0451" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213565"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1355" prev="#ID_1354"> digung, er habe mit dieser „Mischung" den Krieg mit dem unschuldigen, fried¬<lb/> fertigen Frankreich mutwillig heraufbeschworen, und sie rief natürlich nach dem ihr<lb/> so vertrauten Staatsanwalt, was ja der Partei, die für die Freiheit des Volkes<lb/> so begeistert eintritt, daß sie die ganze heutige Ordnung umstoßen möchte, ganz<lb/> besonders gut zu Gesichte steht. Jetzt stoßen die Vossische Zeitung, die Frank¬<lb/> furter Zeitung u. a. in. einträchtiglich mit den unschuldigen, 1870 so ruchlos über-<lb/> fnllnen Franzosen in dasselbe Horn, und die Frankfurter Zeitung vom 16. No¬<lb/> vember druckt beide Depeschen neben einander ab, um die „Fälschung" zu beweisen.<lb/> Beiläufig sei die bescheidne Frage erlaubt: Woher hat denn das Frankfurter Blatt<lb/> den „Originaltext" der Depesche, der bisher in den Archiven des Auswärtigen<lb/> Amtes geschlummert hat? Oder hat es etwa „die echte Emser Depesche" aus dem<lb/> amtlichen Bericht des damals dienstthuenden Flügcladjntanten, des Fürsten Radziwill<lb/> zurecht gemacht? Wir ersuchen um Antwort. Wäre die Sache nicht so unendlich<lb/> traurig und empörend zugleich, fo könnte man lachen über so kindische Vorstellungen<lb/> und so grobe Unwissenheit, wie sie in dem ganzen Streite zu Tage getreten sind,<lb/> und am liebsten möchte man nach dem guten deutschen Sprichworte, handeln: „Wer<lb/> Schmutz angreift, besudelt sich." Leider geht das nicht immer, und vor allem<lb/> hier nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1356" next="#ID_1357"> Also: die Frankfurter Zeitung und ihre Genossen ultromcmtanen und sozial¬<lb/> demokratischen Glaubens geben, vor zu glauben oder glauben wirklich, weil sie in<lb/> ihrem blinden Hasse nichts mehr sehen, der Nationalkrieg, der uns die freilich ge¬<lb/> wissen Leuten sehr gleichgiltige Einheit gebracht hat, wäre ohne die Bismarckische<lb/> „Fttlfchuug" vermieden worden. Zunächst muß jeder, der die beiden Texte wirk¬<lb/> lich unbefangen mit einander vergleicht, sagen: Sachlich steht in dem sogenannten,<lb/> Originaltext genau dasselbe, bis auf den ein sich gleichgiltigen, nebensächlichen Punkt,<lb/> daß König Wilhelm seinen Adjutanten nochmals mit der Wiederholung einer schon<lb/> vorher abgegebnen Erklärung, nämlich daß er die Verzichtleistung des Prinzen<lb/> Leopold von Hohenzollern billige, an Benedetti gesendet habe. Das, worauf alles<lb/> ankommt, die bestimmte Weigerung des Königs, nochmals mit dem Gesandten über<lb/> die zweite französische Forderung, daß er eine Verpflichtung für alle Zukunft über¬<lb/> nehme, persönlich zu verhandeln, hat die Fassung Bismarcks nnr in etwas kürzerer<lb/> Form, aber durchaus sinngetreu wiedergegeben. Wo steckt also die „Fälschung"?<lb/> Wenn Moltke die Depesche in der zweiten Form eine „Fanfare" genannt hat, so<lb/> trifft das völlig zu, weil diese kürzere Form den Entschluß des Königs, die dreiste<lb/> Zumutung der Franzosen abzulehnen, schärfer hervortreten läßt, als die längere,<lb/> die sein Entgegenkommen in einem Nebenpunkte — nicht in der Hauptsache —<lb/> etwas breiter ausführt und daher von Moltke eine Chamade genannt worden ist.<lb/> Der Schlußsatz der „echten" Depesche, Benedetti habe erklärt, sich bei dieser Er¬<lb/> klärung des Königs beruhigen zu wollen, thut natürlich gar nichts zur Sache, denn<lb/> nicht auf die Ansicht des Botschafters kam es an, sondern auf die der französischen<lb/> Regierung. Aber weiter. Es ist freilich wohl zuviel verlangt von den Durch¬<lb/> schnittsredakteuren unsrer heutigen hastig arbeitenden Tagespresse, daß sie von der<lb/> neuesten Geschichte, über die sie doch fortwährend schreiben müssen, etwas ordent¬<lb/> liches wissen follen. Im vorliegenden Falle geht man von der geradezu lächer¬<lb/> lichen Voraussetzung aus, daß 1870 die spanische Thronfrage der Grund und nich<lb/> nur der Vormund zum Kriege gewesen sei. Also man weiß nicht — oder er¬<lb/> heuchelt in diesem Falle, nicht zu wissen—, daß seit 1366 die ganze Pariser Presse<lb/> und die französische Armee einig waren in dem Rufe: „Rache für Sadowa," daß<lb/> unmittelbar nach dem Siege von Königgrätz Napoleon der Dritte mit „Entschä-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0451]
digung, er habe mit dieser „Mischung" den Krieg mit dem unschuldigen, fried¬
fertigen Frankreich mutwillig heraufbeschworen, und sie rief natürlich nach dem ihr
so vertrauten Staatsanwalt, was ja der Partei, die für die Freiheit des Volkes
so begeistert eintritt, daß sie die ganze heutige Ordnung umstoßen möchte, ganz
besonders gut zu Gesichte steht. Jetzt stoßen die Vossische Zeitung, die Frank¬
furter Zeitung u. a. in. einträchtiglich mit den unschuldigen, 1870 so ruchlos über-
fnllnen Franzosen in dasselbe Horn, und die Frankfurter Zeitung vom 16. No¬
vember druckt beide Depeschen neben einander ab, um die „Fälschung" zu beweisen.
Beiläufig sei die bescheidne Frage erlaubt: Woher hat denn das Frankfurter Blatt
den „Originaltext" der Depesche, der bisher in den Archiven des Auswärtigen
Amtes geschlummert hat? Oder hat es etwa „die echte Emser Depesche" aus dem
amtlichen Bericht des damals dienstthuenden Flügcladjntanten, des Fürsten Radziwill
zurecht gemacht? Wir ersuchen um Antwort. Wäre die Sache nicht so unendlich
traurig und empörend zugleich, fo könnte man lachen über so kindische Vorstellungen
und so grobe Unwissenheit, wie sie in dem ganzen Streite zu Tage getreten sind,
und am liebsten möchte man nach dem guten deutschen Sprichworte, handeln: „Wer
Schmutz angreift, besudelt sich." Leider geht das nicht immer, und vor allem
hier nicht.
Also: die Frankfurter Zeitung und ihre Genossen ultromcmtanen und sozial¬
demokratischen Glaubens geben, vor zu glauben oder glauben wirklich, weil sie in
ihrem blinden Hasse nichts mehr sehen, der Nationalkrieg, der uns die freilich ge¬
wissen Leuten sehr gleichgiltige Einheit gebracht hat, wäre ohne die Bismarckische
„Fttlfchuug" vermieden worden. Zunächst muß jeder, der die beiden Texte wirk¬
lich unbefangen mit einander vergleicht, sagen: Sachlich steht in dem sogenannten,
Originaltext genau dasselbe, bis auf den ein sich gleichgiltigen, nebensächlichen Punkt,
daß König Wilhelm seinen Adjutanten nochmals mit der Wiederholung einer schon
vorher abgegebnen Erklärung, nämlich daß er die Verzichtleistung des Prinzen
Leopold von Hohenzollern billige, an Benedetti gesendet habe. Das, worauf alles
ankommt, die bestimmte Weigerung des Königs, nochmals mit dem Gesandten über
die zweite französische Forderung, daß er eine Verpflichtung für alle Zukunft über¬
nehme, persönlich zu verhandeln, hat die Fassung Bismarcks nnr in etwas kürzerer
Form, aber durchaus sinngetreu wiedergegeben. Wo steckt also die „Fälschung"?
Wenn Moltke die Depesche in der zweiten Form eine „Fanfare" genannt hat, so
trifft das völlig zu, weil diese kürzere Form den Entschluß des Königs, die dreiste
Zumutung der Franzosen abzulehnen, schärfer hervortreten läßt, als die längere,
die sein Entgegenkommen in einem Nebenpunkte — nicht in der Hauptsache —
etwas breiter ausführt und daher von Moltke eine Chamade genannt worden ist.
Der Schlußsatz der „echten" Depesche, Benedetti habe erklärt, sich bei dieser Er¬
klärung des Königs beruhigen zu wollen, thut natürlich gar nichts zur Sache, denn
nicht auf die Ansicht des Botschafters kam es an, sondern auf die der französischen
Regierung. Aber weiter. Es ist freilich wohl zuviel verlangt von den Durch¬
schnittsredakteuren unsrer heutigen hastig arbeitenden Tagespresse, daß sie von der
neuesten Geschichte, über die sie doch fortwährend schreiben müssen, etwas ordent¬
liches wissen follen. Im vorliegenden Falle geht man von der geradezu lächer¬
lichen Voraussetzung aus, daß 1870 die spanische Thronfrage der Grund und nich
nur der Vormund zum Kriege gewesen sei. Also man weiß nicht — oder er¬
heuchelt in diesem Falle, nicht zu wissen—, daß seit 1366 die ganze Pariser Presse
und die französische Armee einig waren in dem Rufe: „Rache für Sadowa," daß
unmittelbar nach dem Siege von Königgrätz Napoleon der Dritte mit „Entschä-
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