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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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tungen ihre besondern Bühnen für sich begründeten. Vor allem kommt es
doch darauf an, die Kunst von dem Dienste des Erwerbes zu befreien und
mit dein Volke in seinen verschiedensten Schichten in innige Berührung zu
bringen, wenn auch das Ideal einer Volksbühne das bliebe, alle Klassen der
Gesellschaft zu gemeinschaftlichem künstlerischen Genusse zu vereinigen und durch
die Gleichartigkeit der Bildungsmittel und der Interessen einander zu nähern.
Die Beseitigung der das prolunuin ont^us vornehm abweisender Prunkbühne
ist eine von den Hauptaufgaben der Thcaterreform.

Mag nun aber das Ideal einer Volksbühne auf dem Wege der Theater-
genvsseuschaft ganz oder nur annähernd erreicht werden, jedenfalls wäre
der Besuch eines Theaters und ein Einfluß auf seine Leistungen auch
dem weniger bemittelten ermöglicht und damit ein großer Vorteil nicht nur
für die Volksbildung, sondern auch für die Entwicklung der theatralischen
Kunst und Dichtung gewonnen. Die Allsführung auf der Bühne wäre, wie
das nach unsern frühern Bemerkungen über den Dilettantismus niemand anders
erwarten wird, berufsmäßigen Schauspielern zu übertragen, ebenso würde die
Elustudiruug der Stücke, die Regie der Aufführungen den Händen des von
dem Aufsichtsrate zu wählenden künstlerischen Direktors anzuvertrauen sein.
Diesem wieder könnte je nach Lage der Dinge ein litterarischer Beirat zu¬
gesellt werden, dessen Sache es wäre, die eingehenden Stücke vorläufig zu
prüfen und überhaupt die laufenden dramaturgischen Arbeiten zu erledigen.

Für die Gestaltung der Verwaltung, der künstlerischen wie der finan¬
ziellen, lassen sich theoretisch hier kaum nähere Einzelheiten empfehlen, die je¬
weiligen Verhältnisse örtlicher und persönlicher Art werden dem Gestaltnngs-
talent der Unternehmer besondre Aufgaben stellen. Nur soviel noch, daß
etwaige Überschüsse, die z. B. dadurch gewonnen werden könnten, daß Nicht-
gesellschaftern höhere Eintrittspreise gestellt werden, nur wieder zu Gunsten
der Bühne oder doch mindestens der Kunst verwendet werden dürften. Man
könnte vielleicht die Honorare der Dichter steigern oder bessere Darsteller
heranziehen oder die Eintrittspreise herabsetzen. Am besten freilich wird mau
thun, auf große Überschüsse zunächst überhaupt nicht zu rechnen; werden doch
etwa zu begründende Volks- und Genossenschaftsbnhnen mit vielen Schwierig¬
keiten zu kämpfeu haben, nicht zum mindesten mit der Konkurrenz der bestehen¬
den Luxusbühnen und der für den Anfang zu befürchtenden Teilnahmlosigkeit
des Publikums. Gleichwohl ist das Ziel des Schweißes der Edeln so wert
wie nur irgend eines im Dienste des öffentlichen Wohles.

Auf die Gefahr hin, des leichtfertigen Luftschlösserbaueus bezichtigt zu
werden, stehen wir nicht an, den Plan unsers Genossenschaftstheaters noch um
einige Züge zu erweitern. Zunächst entsteht die Frage nach dem Spielplan
der Genossenschaftstheater. Er wird sich je nach den Gesellschaftsklassen, aus
denen sich die Genossenschaften zusammensetzen, verschieden gestalten, und die


tungen ihre besondern Bühnen für sich begründeten. Vor allem kommt es
doch darauf an, die Kunst von dem Dienste des Erwerbes zu befreien und
mit dein Volke in seinen verschiedensten Schichten in innige Berührung zu
bringen, wenn auch das Ideal einer Volksbühne das bliebe, alle Klassen der
Gesellschaft zu gemeinschaftlichem künstlerischen Genusse zu vereinigen und durch
die Gleichartigkeit der Bildungsmittel und der Interessen einander zu nähern.
Die Beseitigung der das prolunuin ont^us vornehm abweisender Prunkbühne
ist eine von den Hauptaufgaben der Thcaterreform.

Mag nun aber das Ideal einer Volksbühne auf dem Wege der Theater-
genvsseuschaft ganz oder nur annähernd erreicht werden, jedenfalls wäre
der Besuch eines Theaters und ein Einfluß auf seine Leistungen auch
dem weniger bemittelten ermöglicht und damit ein großer Vorteil nicht nur
für die Volksbildung, sondern auch für die Entwicklung der theatralischen
Kunst und Dichtung gewonnen. Die Allsführung auf der Bühne wäre, wie
das nach unsern frühern Bemerkungen über den Dilettantismus niemand anders
erwarten wird, berufsmäßigen Schauspielern zu übertragen, ebenso würde die
Elustudiruug der Stücke, die Regie der Aufführungen den Händen des von
dem Aufsichtsrate zu wählenden künstlerischen Direktors anzuvertrauen sein.
Diesem wieder könnte je nach Lage der Dinge ein litterarischer Beirat zu¬
gesellt werden, dessen Sache es wäre, die eingehenden Stücke vorläufig zu
prüfen und überhaupt die laufenden dramaturgischen Arbeiten zu erledigen.

Für die Gestaltung der Verwaltung, der künstlerischen wie der finan¬
ziellen, lassen sich theoretisch hier kaum nähere Einzelheiten empfehlen, die je¬
weiligen Verhältnisse örtlicher und persönlicher Art werden dem Gestaltnngs-
talent der Unternehmer besondre Aufgaben stellen. Nur soviel noch, daß
etwaige Überschüsse, die z. B. dadurch gewonnen werden könnten, daß Nicht-
gesellschaftern höhere Eintrittspreise gestellt werden, nur wieder zu Gunsten
der Bühne oder doch mindestens der Kunst verwendet werden dürften. Man
könnte vielleicht die Honorare der Dichter steigern oder bessere Darsteller
heranziehen oder die Eintrittspreise herabsetzen. Am besten freilich wird mau
thun, auf große Überschüsse zunächst überhaupt nicht zu rechnen; werden doch
etwa zu begründende Volks- und Genossenschaftsbnhnen mit vielen Schwierig¬
keiten zu kämpfeu haben, nicht zum mindesten mit der Konkurrenz der bestehen¬
den Luxusbühnen und der für den Anfang zu befürchtenden Teilnahmlosigkeit
des Publikums. Gleichwohl ist das Ziel des Schweißes der Edeln so wert
wie nur irgend eines im Dienste des öffentlichen Wohles.

Auf die Gefahr hin, des leichtfertigen Luftschlösserbaueus bezichtigt zu
werden, stehen wir nicht an, den Plan unsers Genossenschaftstheaters noch um
einige Züge zu erweitern. Zunächst entsteht die Frage nach dem Spielplan
der Genossenschaftstheater. Er wird sich je nach den Gesellschaftsklassen, aus
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/448>, abgerufen am 23.07.2024.