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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Erinnerungen an Tothar Bücher

Das Gymnasium durchlief Lothar rasch und mit Auszeichnung. Noch
in einer Zeit, wo er in manchen Kreisen förmlich verfemt war und der
Direktor der Schule sich das Vergnügen machte, in der Zeitung, die er gemein-
schaftlich mit unserm Vater hielt, Angriffe auf meinen Bruder anzustreichen,
hatte der Mathematiker Professor Bensemann den Mut, in einem Programm
ihn und den Entdecker des Planeten Amphitrite, Mares, als die Schüler zu
nennen, ans die er stolz sei. Für die Wahl Berlins als Universität war neben
den hervorragenden Lehrkräften die Politik entscheidend. Noch waren die
Preußischen Festungen von jungen Männer" bevölkert, die in Jena oder Heidel¬
berg von dem geschwärmt und gesungen hatten, was ein Jahrzehnt später ein
Erzherzog öffentlich in Worte faßte, auf mehreren außerpreußischen Hochschulen
lastete noch ein Bann. Auf jeden Fall hat er die Gelegenheit reichlich benutzt,
in Berlin auch andre als Brotstudien zu treiben. Ich erinnere mich, daß er
ein sorgfältiges Herbarium mit nach Hanse brachte, und diese Lieblingsbeschäf¬
tigung nahm er wieder auf, als er aus dem unmittelbaren Staatsdienste ge¬
treten war.

Im Jahre 1838 bestand er in Kostin das Anskultatorexamen, obwohl
er sich aus die Frage nach den Amtsabzeichen irgend einer römischen Magistrats¬
person nicht genügend vorbereitet zeigte, und trat in die Praxis ein. Unter
den Referendarien in der kleinen Stadt war damals ein reges Leben. Sie be¬
teiligten sich an allen geselligen Vergnügungen, saugen in der Liedertafel mit,
um deren Spitze der Oberlandesgerichtsrat Hendeß stand, von dessen "süßer
Tenorstimme" Rellstab noch in' seinem Alter mit Entzücken sprach; aber sie
interessirten sich auch mehr, als vor fünfzig Jahren die Regel war, für öffent¬
liche Angelegenheiten, lasen das damalige Hauptorgan des Liberalismus in
Norddeutschland, die Leipziger Allgemeine Zeitung (die sich in den vierziger
Jahren, um in Preußen wieder zugelassen zu werden, ihren jetzigen Namen
Zulegte) und sahen erwartungsvoll dem Umschwunge der Dinge entgegen,
der von dem Thronwechsel gehofft wurde. Bon seinen noch lebenden
damaligen .Kollegen und genauen Freunden kann ich den Vizepräsidenten Her¬
mann Messerschmidt in Potsdam und den Homerübersetzer und Verfasser der
köstlichen Untersuchung über das Kutschtelied, Direktor Wilhelm Ehrenthal in
Liegnitz, nennen.

In diese Zeit fällt auch sein erster litterarischer Versuch. Er hatte eine
Abhandlung über einen im dortigen Gerichtssprengel vorgekommenen inter¬
essanten Rechtsfall veröffentlicht und hörte in der nächsten Sitzung, wie der
Präsident der nur mit einem L gezeichneten Arbeit großes Lob erteilte, sie
aber einem ältern Juristen in einer Nachbarstadt, der denselben Anfangs¬
buchstaben hatte, zuschrieb. Auch Verse machte er fleißig, worauf in den
..Bildern aus der Fremde" (Berlin, 1802: Reise nach Konstantinopel) eine
Anspielung vorkommt, insbesondre wurde er oft für Familienfeste in Anspruch


Erinnerungen an Tothar Bücher

Das Gymnasium durchlief Lothar rasch und mit Auszeichnung. Noch
in einer Zeit, wo er in manchen Kreisen förmlich verfemt war und der
Direktor der Schule sich das Vergnügen machte, in der Zeitung, die er gemein-
schaftlich mit unserm Vater hielt, Angriffe auf meinen Bruder anzustreichen,
hatte der Mathematiker Professor Bensemann den Mut, in einem Programm
ihn und den Entdecker des Planeten Amphitrite, Mares, als die Schüler zu
nennen, ans die er stolz sei. Für die Wahl Berlins als Universität war neben
den hervorragenden Lehrkräften die Politik entscheidend. Noch waren die
Preußischen Festungen von jungen Männer» bevölkert, die in Jena oder Heidel¬
berg von dem geschwärmt und gesungen hatten, was ein Jahrzehnt später ein
Erzherzog öffentlich in Worte faßte, auf mehreren außerpreußischen Hochschulen
lastete noch ein Bann. Auf jeden Fall hat er die Gelegenheit reichlich benutzt,
in Berlin auch andre als Brotstudien zu treiben. Ich erinnere mich, daß er
ein sorgfältiges Herbarium mit nach Hanse brachte, und diese Lieblingsbeschäf¬
tigung nahm er wieder auf, als er aus dem unmittelbaren Staatsdienste ge¬
treten war.

Im Jahre 1838 bestand er in Kostin das Anskultatorexamen, obwohl
er sich aus die Frage nach den Amtsabzeichen irgend einer römischen Magistrats¬
person nicht genügend vorbereitet zeigte, und trat in die Praxis ein. Unter
den Referendarien in der kleinen Stadt war damals ein reges Leben. Sie be¬
teiligten sich an allen geselligen Vergnügungen, saugen in der Liedertafel mit,
um deren Spitze der Oberlandesgerichtsrat Hendeß stand, von dessen „süßer
Tenorstimme" Rellstab noch in' seinem Alter mit Entzücken sprach; aber sie
interessirten sich auch mehr, als vor fünfzig Jahren die Regel war, für öffent¬
liche Angelegenheiten, lasen das damalige Hauptorgan des Liberalismus in
Norddeutschland, die Leipziger Allgemeine Zeitung (die sich in den vierziger
Jahren, um in Preußen wieder zugelassen zu werden, ihren jetzigen Namen
Zulegte) und sahen erwartungsvoll dem Umschwunge der Dinge entgegen,
der von dem Thronwechsel gehofft wurde. Bon seinen noch lebenden
damaligen .Kollegen und genauen Freunden kann ich den Vizepräsidenten Her¬
mann Messerschmidt in Potsdam und den Homerübersetzer und Verfasser der
köstlichen Untersuchung über das Kutschtelied, Direktor Wilhelm Ehrenthal in
Liegnitz, nennen.

In diese Zeit fällt auch sein erster litterarischer Versuch. Er hatte eine
Abhandlung über einen im dortigen Gerichtssprengel vorgekommenen inter¬
essanten Rechtsfall veröffentlicht und hörte in der nächsten Sitzung, wie der
Präsident der nur mit einem L gezeichneten Arbeit großes Lob erteilte, sie
aber einem ältern Juristen in einer Nachbarstadt, der denselben Anfangs¬
buchstaben hatte, zuschrieb. Auch Verse machte er fleißig, worauf in den
..Bildern aus der Fremde" (Berlin, 1802: Reise nach Konstantinopel) eine
Anspielung vorkommt, insbesondre wurde er oft für Familienfeste in Anspruch


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[0431] Erinnerungen an Tothar Bücher Das Gymnasium durchlief Lothar rasch und mit Auszeichnung. Noch in einer Zeit, wo er in manchen Kreisen förmlich verfemt war und der Direktor der Schule sich das Vergnügen machte, in der Zeitung, die er gemein- schaftlich mit unserm Vater hielt, Angriffe auf meinen Bruder anzustreichen, hatte der Mathematiker Professor Bensemann den Mut, in einem Programm ihn und den Entdecker des Planeten Amphitrite, Mares, als die Schüler zu nennen, ans die er stolz sei. Für die Wahl Berlins als Universität war neben den hervorragenden Lehrkräften die Politik entscheidend. Noch waren die Preußischen Festungen von jungen Männer» bevölkert, die in Jena oder Heidel¬ berg von dem geschwärmt und gesungen hatten, was ein Jahrzehnt später ein Erzherzog öffentlich in Worte faßte, auf mehreren außerpreußischen Hochschulen lastete noch ein Bann. Auf jeden Fall hat er die Gelegenheit reichlich benutzt, in Berlin auch andre als Brotstudien zu treiben. Ich erinnere mich, daß er ein sorgfältiges Herbarium mit nach Hanse brachte, und diese Lieblingsbeschäf¬ tigung nahm er wieder auf, als er aus dem unmittelbaren Staatsdienste ge¬ treten war. Im Jahre 1838 bestand er in Kostin das Anskultatorexamen, obwohl er sich aus die Frage nach den Amtsabzeichen irgend einer römischen Magistrats¬ person nicht genügend vorbereitet zeigte, und trat in die Praxis ein. Unter den Referendarien in der kleinen Stadt war damals ein reges Leben. Sie be¬ teiligten sich an allen geselligen Vergnügungen, saugen in der Liedertafel mit, um deren Spitze der Oberlandesgerichtsrat Hendeß stand, von dessen „süßer Tenorstimme" Rellstab noch in' seinem Alter mit Entzücken sprach; aber sie interessirten sich auch mehr, als vor fünfzig Jahren die Regel war, für öffent¬ liche Angelegenheiten, lasen das damalige Hauptorgan des Liberalismus in Norddeutschland, die Leipziger Allgemeine Zeitung (die sich in den vierziger Jahren, um in Preußen wieder zugelassen zu werden, ihren jetzigen Namen Zulegte) und sahen erwartungsvoll dem Umschwunge der Dinge entgegen, der von dem Thronwechsel gehofft wurde. Bon seinen noch lebenden damaligen .Kollegen und genauen Freunden kann ich den Vizepräsidenten Her¬ mann Messerschmidt in Potsdam und den Homerübersetzer und Verfasser der köstlichen Untersuchung über das Kutschtelied, Direktor Wilhelm Ehrenthal in Liegnitz, nennen. In diese Zeit fällt auch sein erster litterarischer Versuch. Er hatte eine Abhandlung über einen im dortigen Gerichtssprengel vorgekommenen inter¬ essanten Rechtsfall veröffentlicht und hörte in der nächsten Sitzung, wie der Präsident der nur mit einem L gezeichneten Arbeit großes Lob erteilte, sie aber einem ältern Juristen in einer Nachbarstadt, der denselben Anfangs¬ buchstaben hatte, zuschrieb. Auch Verse machte er fleißig, worauf in den ..Bildern aus der Fremde" (Berlin, 1802: Reise nach Konstantinopel) eine Anspielung vorkommt, insbesondre wurde er oft für Familienfeste in Anspruch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/431>, abgerufen am 23.12.2024.