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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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damit, die Stellung der höhern Verwaltungsbeamten zu heben. Schritt für
Schritt ist die frühere Subalternbeamtenwirtschaft, die genügte, so lange die
Verhältnisse einfacher und kleiner waren, ausgemerzt wurden, und schon jetzt
nehmen fast in allen Verwaltungszweigen höhere Verwaltungsbeamte im preu¬
ßischen Sinne die Stellen der bisherigen subaltern ausgebildeten Oberbeamten
ein, die sich langsam von unten hinaufgearbeitet hatten. Auch eine völlig ge¬
regelte höhere Vcrwaltungslaufbahn nach dem Muster Preußens und andrer
Vundesstaaten ist beabsichtigt und wird sich, wie wir nicht zweifeln, uach und
nach ausbilden. Nur möge man in Hamburg wie anderswo nicht ungeduldig
werden und die ganz außerordentlichen Schwierigkeiten übersehen, die einer
derartigen Regelung entgegenstehen und vor allem einen von vornherein aus-
gedachten einheitlichen Plan gänzlich unmöglich machen. Diese Schwierigkeiten
liegen erstens in der Stellung, der Wahl und der Zusammensetzung des Senats,
in der Frage, wie die Zuständigkeit der Senatsmitglieder gegenüber diesen
hohen Beamten geregelt werden soll, und wie, zumal in einem so kleinen
Staatswesen, den höhern Verwaltungsbeamten eine ausreichende Aussicht auf
Beförderung geboten werden soll, sie liegen aber auch in der allgemeinen
Frage, wie sich dieser höhere Benmtenstand in unsre Verfassung einfügen läßt,
ohne daß damit die ihr zu Grunde liegende Einrichtung der Selbstverwaltung
aufgegeben wird. Denn darüber ist man sich in Hamburg völlig klar,
daß mit dieser seit Jahrhunderten bestehenden Einrichtung weder plötzlich
noch überhaupt gebrochen werden darf, und die Vorgänge der letzten Zeit
haben nnr neue Gründe für die Nichtigkeit dieser Ansicht geliefert. Hat sich
doch gerade in diesen Wochen der Not und des Elends die aufopferungs¬
volle und thatkräftige Mitarbeit der Hamburger Bürgerschaft in einer Weise
bewährt, wie es nur bei einer Bevölkerung denkbar war, die von langer Zeit
her an selbständiges Wirken im Dienste des Gemeinwesens gewöhnt war.

Aus alledem wird man erkennen, daß bei uns die Dinge im Flusse sind,
daß wir keineswegs blind sind für die Mängel unsrer Zustände, daß vielmehr
unser ernstes und unausgesetztes Bestreben dahin geht, diese Mängel nach
Möglichkeit zu beseitigen, und daß uur der berechtigte Wunsch, die Vorzüge
unsrer Selbstverwaltung erhalten zu sehen, uns Schritt für Schritt nach sorg¬
fältigster Erwägung vorgehen läßt und uns davon abhält, ohne weiteres Ein¬
richtungen zu zertrümmern, die in der Vergangenheit unser Stolz gewesen sind
und sich noch in der Gegenwart als gesund und lebensfähig erwiesen haben.
Reformen thun unsrer Verwaltung not, das weiß man in Hamburg so gut
wie anderswo; aber man möge uur nicht glauben, daß es in unserm oder
im allgemein deutscheu Interesse notwendig oder auch nur wünschenswert sei,
die Grundlage zu beseitigen, auf der unsre Selbstänoigkeit, unser Wohlstand
und unser Wohlbefinden beruht.

Dazu drängt auch der letzte von uus zu erörternde Übelstand, nicht den


damit, die Stellung der höhern Verwaltungsbeamten zu heben. Schritt für
Schritt ist die frühere Subalternbeamtenwirtschaft, die genügte, so lange die
Verhältnisse einfacher und kleiner waren, ausgemerzt wurden, und schon jetzt
nehmen fast in allen Verwaltungszweigen höhere Verwaltungsbeamte im preu¬
ßischen Sinne die Stellen der bisherigen subaltern ausgebildeten Oberbeamten
ein, die sich langsam von unten hinaufgearbeitet hatten. Auch eine völlig ge¬
regelte höhere Vcrwaltungslaufbahn nach dem Muster Preußens und andrer
Vundesstaaten ist beabsichtigt und wird sich, wie wir nicht zweifeln, uach und
nach ausbilden. Nur möge man in Hamburg wie anderswo nicht ungeduldig
werden und die ganz außerordentlichen Schwierigkeiten übersehen, die einer
derartigen Regelung entgegenstehen und vor allem einen von vornherein aus-
gedachten einheitlichen Plan gänzlich unmöglich machen. Diese Schwierigkeiten
liegen erstens in der Stellung, der Wahl und der Zusammensetzung des Senats,
in der Frage, wie die Zuständigkeit der Senatsmitglieder gegenüber diesen
hohen Beamten geregelt werden soll, und wie, zumal in einem so kleinen
Staatswesen, den höhern Verwaltungsbeamten eine ausreichende Aussicht auf
Beförderung geboten werden soll, sie liegen aber auch in der allgemeinen
Frage, wie sich dieser höhere Benmtenstand in unsre Verfassung einfügen läßt,
ohne daß damit die ihr zu Grunde liegende Einrichtung der Selbstverwaltung
aufgegeben wird. Denn darüber ist man sich in Hamburg völlig klar,
daß mit dieser seit Jahrhunderten bestehenden Einrichtung weder plötzlich
noch überhaupt gebrochen werden darf, und die Vorgänge der letzten Zeit
haben nnr neue Gründe für die Nichtigkeit dieser Ansicht geliefert. Hat sich
doch gerade in diesen Wochen der Not und des Elends die aufopferungs¬
volle und thatkräftige Mitarbeit der Hamburger Bürgerschaft in einer Weise
bewährt, wie es nur bei einer Bevölkerung denkbar war, die von langer Zeit
her an selbständiges Wirken im Dienste des Gemeinwesens gewöhnt war.

Aus alledem wird man erkennen, daß bei uns die Dinge im Flusse sind,
daß wir keineswegs blind sind für die Mängel unsrer Zustände, daß vielmehr
unser ernstes und unausgesetztes Bestreben dahin geht, diese Mängel nach
Möglichkeit zu beseitigen, und daß uur der berechtigte Wunsch, die Vorzüge
unsrer Selbstverwaltung erhalten zu sehen, uns Schritt für Schritt nach sorg¬
fältigster Erwägung vorgehen läßt und uns davon abhält, ohne weiteres Ein¬
richtungen zu zertrümmern, die in der Vergangenheit unser Stolz gewesen sind
und sich noch in der Gegenwart als gesund und lebensfähig erwiesen haben.
Reformen thun unsrer Verwaltung not, das weiß man in Hamburg so gut
wie anderswo; aber man möge uur nicht glauben, daß es in unserm oder
im allgemein deutscheu Interesse notwendig oder auch nur wünschenswert sei,
die Grundlage zu beseitigen, auf der unsre Selbstänoigkeit, unser Wohlstand
und unser Wohlbefinden beruht.

Dazu drängt auch der letzte von uus zu erörternde Übelstand, nicht den


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[0365] damit, die Stellung der höhern Verwaltungsbeamten zu heben. Schritt für Schritt ist die frühere Subalternbeamtenwirtschaft, die genügte, so lange die Verhältnisse einfacher und kleiner waren, ausgemerzt wurden, und schon jetzt nehmen fast in allen Verwaltungszweigen höhere Verwaltungsbeamte im preu¬ ßischen Sinne die Stellen der bisherigen subaltern ausgebildeten Oberbeamten ein, die sich langsam von unten hinaufgearbeitet hatten. Auch eine völlig ge¬ regelte höhere Vcrwaltungslaufbahn nach dem Muster Preußens und andrer Vundesstaaten ist beabsichtigt und wird sich, wie wir nicht zweifeln, uach und nach ausbilden. Nur möge man in Hamburg wie anderswo nicht ungeduldig werden und die ganz außerordentlichen Schwierigkeiten übersehen, die einer derartigen Regelung entgegenstehen und vor allem einen von vornherein aus- gedachten einheitlichen Plan gänzlich unmöglich machen. Diese Schwierigkeiten liegen erstens in der Stellung, der Wahl und der Zusammensetzung des Senats, in der Frage, wie die Zuständigkeit der Senatsmitglieder gegenüber diesen hohen Beamten geregelt werden soll, und wie, zumal in einem so kleinen Staatswesen, den höhern Verwaltungsbeamten eine ausreichende Aussicht auf Beförderung geboten werden soll, sie liegen aber auch in der allgemeinen Frage, wie sich dieser höhere Benmtenstand in unsre Verfassung einfügen läßt, ohne daß damit die ihr zu Grunde liegende Einrichtung der Selbstverwaltung aufgegeben wird. Denn darüber ist man sich in Hamburg völlig klar, daß mit dieser seit Jahrhunderten bestehenden Einrichtung weder plötzlich noch überhaupt gebrochen werden darf, und die Vorgänge der letzten Zeit haben nnr neue Gründe für die Nichtigkeit dieser Ansicht geliefert. Hat sich doch gerade in diesen Wochen der Not und des Elends die aufopferungs¬ volle und thatkräftige Mitarbeit der Hamburger Bürgerschaft in einer Weise bewährt, wie es nur bei einer Bevölkerung denkbar war, die von langer Zeit her an selbständiges Wirken im Dienste des Gemeinwesens gewöhnt war. Aus alledem wird man erkennen, daß bei uns die Dinge im Flusse sind, daß wir keineswegs blind sind für die Mängel unsrer Zustände, daß vielmehr unser ernstes und unausgesetztes Bestreben dahin geht, diese Mängel nach Möglichkeit zu beseitigen, und daß uur der berechtigte Wunsch, die Vorzüge unsrer Selbstverwaltung erhalten zu sehen, uns Schritt für Schritt nach sorg¬ fältigster Erwägung vorgehen läßt und uns davon abhält, ohne weiteres Ein¬ richtungen zu zertrümmern, die in der Vergangenheit unser Stolz gewesen sind und sich noch in der Gegenwart als gesund und lebensfähig erwiesen haben. Reformen thun unsrer Verwaltung not, das weiß man in Hamburg so gut wie anderswo; aber man möge uur nicht glauben, daß es in unserm oder im allgemein deutscheu Interesse notwendig oder auch nur wünschenswert sei, die Grundlage zu beseitigen, auf der unsre Selbstänoigkeit, unser Wohlstand und unser Wohlbefinden beruht. Dazu drängt auch der letzte von uus zu erörternde Übelstand, nicht den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/365>, abgerufen am 23.07.2024.