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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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ständiges, schnell zugreifendes Handeln gewöhnten Bevölkerung überall zu
regen. Überall entstanden Sicherheits- und Hilfskomitees, teilweise im An¬
schluß an die bestehenden Bürgervereine, teilweise durch freies Zusammentreten
angesehener Männer. Diese Komitees nahmen die Gesundheitskvntrvlle ihrer
Bezirke, die Verabreichung von Desinfektionsmitteln, die Verteilung gekochten
Wassers, sowie die Gewährung ärztlicher Hilfe, für Unbemittelte unentgeltlich,
in die Hand, bildeten neben den staatlichen freiwillige Desinfektionskolonnen
und begannen sich mit der Bekämpfung des bereits herannahenden Notstandes
zu befassen. Um jedoch ii? letzterer Beziehung eine einheitliche Organisation zu
schaffen, trat am 2. September ein aus allen Klaffen und Ständen der Bevölke¬
rung gebildetes "Notstandskomitee" unter dem Vorsitzenden der Handelskammer
zusammen, das den durch die Zeitungen bekannt gewordnen Aufruf erließ, einen
Exekutivausschuß bildete, sich mit den bereits in einzelnen Bezirken bestehenden
Hilfskomitees in Verbindung setzte und dort, wo derartige Vezirkskomitces
noch nicht bestanden, solche schuf. Die Stadt und die Vororte wurden auf
diese Weise in achtundzwanzig Bezirke eingeteilt, in denen die betreffenden
Komitees, teilweise im Zusammenwirken mit der Sozialdemokratie, Hilfs¬
bedürftige ermittelten, Erkundigungen über Unterstütznngsgesuche einzogen
und die ihnen vom Zentralkomitee überwiesenen Gelder und sonstigen Gaben
verteilten.

Diese aus freiem Entschluß hervorgegangene Organisation zur Be¬
kämpfung des Notstandes hat sich im ganzen aufs beste bewährt, und wir
glauben es getrost aussprechen zu dürfen, daß niemals eine größere Bürgschaft
dafür vorgelegen hat, daß die in so reichem Maße gespendeten Gaben mich
zweckmäßig verwendet würden, als es hier der Fall war.

Es würde uns zu weit führen, wenn wir noch auf die sonstigen nach
und nach getroffneu Maßregeln eingehen wollten, mit denen die private Wohl¬
thätigkeit auch die mittelbaren Folgen der Epidemie zu lindern bestrebt ist,
auf die Gründung einer Darlehns- und Vorschnßkasse für kleine Gewerbe¬
treibende mit einem Garanticfonds von zwei Millionen Mark, auf die Thätig¬
keit der Miethilfsvereiue und dergleichen. Uns lag hier nur daran, zu zeigen,
wie unsre Behörden und unsre Bevölkerung, weit entfernt davon, zu erlahmen,
aus dem Schrecken der Epidemie nach echt niederdeutscher Art nur neuen und
stärkern Antrieb zu entschlvßner, planmäßiger Bekämpfung der Seuche ent¬
nahmen, und wie bewnndruugswürdig die Behörden mit der an Selbstthätig¬
keit gewöhnten Vevölkernng -- die Sozialdemokratie nicht ausgeschlossen --
zusammen arbeiteten. Auch Ausschreitungen irgend welcher Art, die Begleit¬
erscheinungen jeder Panik, sind bei uns nicht vorgekommen, die Bevölkerung
bewahrte, wie es übrigens stets in Hamburg bei außerge>vöhnlichen Gelegen-
heiten der Fall ist, von Anfang an ihre gleichmäßig ruhige Haltung, und auf
den Straßen war selbst in den schlimmsten Tagen nichts weiter auffällig, als


ständiges, schnell zugreifendes Handeln gewöhnten Bevölkerung überall zu
regen. Überall entstanden Sicherheits- und Hilfskomitees, teilweise im An¬
schluß an die bestehenden Bürgervereine, teilweise durch freies Zusammentreten
angesehener Männer. Diese Komitees nahmen die Gesundheitskvntrvlle ihrer
Bezirke, die Verabreichung von Desinfektionsmitteln, die Verteilung gekochten
Wassers, sowie die Gewährung ärztlicher Hilfe, für Unbemittelte unentgeltlich,
in die Hand, bildeten neben den staatlichen freiwillige Desinfektionskolonnen
und begannen sich mit der Bekämpfung des bereits herannahenden Notstandes
zu befassen. Um jedoch ii? letzterer Beziehung eine einheitliche Organisation zu
schaffen, trat am 2. September ein aus allen Klaffen und Ständen der Bevölke¬
rung gebildetes „Notstandskomitee" unter dem Vorsitzenden der Handelskammer
zusammen, das den durch die Zeitungen bekannt gewordnen Aufruf erließ, einen
Exekutivausschuß bildete, sich mit den bereits in einzelnen Bezirken bestehenden
Hilfskomitees in Verbindung setzte und dort, wo derartige Vezirkskomitces
noch nicht bestanden, solche schuf. Die Stadt und die Vororte wurden auf
diese Weise in achtundzwanzig Bezirke eingeteilt, in denen die betreffenden
Komitees, teilweise im Zusammenwirken mit der Sozialdemokratie, Hilfs¬
bedürftige ermittelten, Erkundigungen über Unterstütznngsgesuche einzogen
und die ihnen vom Zentralkomitee überwiesenen Gelder und sonstigen Gaben
verteilten.

Diese aus freiem Entschluß hervorgegangene Organisation zur Be¬
kämpfung des Notstandes hat sich im ganzen aufs beste bewährt, und wir
glauben es getrost aussprechen zu dürfen, daß niemals eine größere Bürgschaft
dafür vorgelegen hat, daß die in so reichem Maße gespendeten Gaben mich
zweckmäßig verwendet würden, als es hier der Fall war.

Es würde uns zu weit führen, wenn wir noch auf die sonstigen nach
und nach getroffneu Maßregeln eingehen wollten, mit denen die private Wohl¬
thätigkeit auch die mittelbaren Folgen der Epidemie zu lindern bestrebt ist,
auf die Gründung einer Darlehns- und Vorschnßkasse für kleine Gewerbe¬
treibende mit einem Garanticfonds von zwei Millionen Mark, auf die Thätig¬
keit der Miethilfsvereiue und dergleichen. Uns lag hier nur daran, zu zeigen,
wie unsre Behörden und unsre Bevölkerung, weit entfernt davon, zu erlahmen,
aus dem Schrecken der Epidemie nach echt niederdeutscher Art nur neuen und
stärkern Antrieb zu entschlvßner, planmäßiger Bekämpfung der Seuche ent¬
nahmen, und wie bewnndruugswürdig die Behörden mit der an Selbstthätig¬
keit gewöhnten Vevölkernng — die Sozialdemokratie nicht ausgeschlossen —
zusammen arbeiteten. Auch Ausschreitungen irgend welcher Art, die Begleit¬
erscheinungen jeder Panik, sind bei uns nicht vorgekommen, die Bevölkerung
bewahrte, wie es übrigens stets in Hamburg bei außerge>vöhnlichen Gelegen-
heiten der Fall ist, von Anfang an ihre gleichmäßig ruhige Haltung, und auf
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[0362] ständiges, schnell zugreifendes Handeln gewöhnten Bevölkerung überall zu regen. Überall entstanden Sicherheits- und Hilfskomitees, teilweise im An¬ schluß an die bestehenden Bürgervereine, teilweise durch freies Zusammentreten angesehener Männer. Diese Komitees nahmen die Gesundheitskvntrvlle ihrer Bezirke, die Verabreichung von Desinfektionsmitteln, die Verteilung gekochten Wassers, sowie die Gewährung ärztlicher Hilfe, für Unbemittelte unentgeltlich, in die Hand, bildeten neben den staatlichen freiwillige Desinfektionskolonnen und begannen sich mit der Bekämpfung des bereits herannahenden Notstandes zu befassen. Um jedoch ii? letzterer Beziehung eine einheitliche Organisation zu schaffen, trat am 2. September ein aus allen Klaffen und Ständen der Bevölke¬ rung gebildetes „Notstandskomitee" unter dem Vorsitzenden der Handelskammer zusammen, das den durch die Zeitungen bekannt gewordnen Aufruf erließ, einen Exekutivausschuß bildete, sich mit den bereits in einzelnen Bezirken bestehenden Hilfskomitees in Verbindung setzte und dort, wo derartige Vezirkskomitces noch nicht bestanden, solche schuf. Die Stadt und die Vororte wurden auf diese Weise in achtundzwanzig Bezirke eingeteilt, in denen die betreffenden Komitees, teilweise im Zusammenwirken mit der Sozialdemokratie, Hilfs¬ bedürftige ermittelten, Erkundigungen über Unterstütznngsgesuche einzogen und die ihnen vom Zentralkomitee überwiesenen Gelder und sonstigen Gaben verteilten. Diese aus freiem Entschluß hervorgegangene Organisation zur Be¬ kämpfung des Notstandes hat sich im ganzen aufs beste bewährt, und wir glauben es getrost aussprechen zu dürfen, daß niemals eine größere Bürgschaft dafür vorgelegen hat, daß die in so reichem Maße gespendeten Gaben mich zweckmäßig verwendet würden, als es hier der Fall war. Es würde uns zu weit führen, wenn wir noch auf die sonstigen nach und nach getroffneu Maßregeln eingehen wollten, mit denen die private Wohl¬ thätigkeit auch die mittelbaren Folgen der Epidemie zu lindern bestrebt ist, auf die Gründung einer Darlehns- und Vorschnßkasse für kleine Gewerbe¬ treibende mit einem Garanticfonds von zwei Millionen Mark, auf die Thätig¬ keit der Miethilfsvereiue und dergleichen. Uns lag hier nur daran, zu zeigen, wie unsre Behörden und unsre Bevölkerung, weit entfernt davon, zu erlahmen, aus dem Schrecken der Epidemie nach echt niederdeutscher Art nur neuen und stärkern Antrieb zu entschlvßner, planmäßiger Bekämpfung der Seuche ent¬ nahmen, und wie bewnndruugswürdig die Behörden mit der an Selbstthätig¬ keit gewöhnten Vevölkernng — die Sozialdemokratie nicht ausgeschlossen — zusammen arbeiteten. Auch Ausschreitungen irgend welcher Art, die Begleit¬ erscheinungen jeder Panik, sind bei uns nicht vorgekommen, die Bevölkerung bewahrte, wie es übrigens stets in Hamburg bei außerge>vöhnlichen Gelegen- heiten der Fall ist, von Anfang an ihre gleichmäßig ruhige Haltung, und auf den Straßen war selbst in den schlimmsten Tagen nichts weiter auffällig, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/362>, abgerufen am 23.07.2024.