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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Hamburg und die Cholera

richte des Reichsgesundheitsamts erhoben wurde und von dort natürlich in
die ganze deutsche Presse übergegangen ist, trifft uns aber nicht. Es ist un¬
wahr, daß wir die Abgänge der in der Baracke untergebrachten Auswanderer
ohne Desinfektion die Elbe Hütten verunreinigen lassen; sämtliche Aborte der
Baracke sind mit einer Desiufektionsspüluug versehen gewesen und dann noch
einmal der Abfluß aller Aborte in einem gemeinsamen Becken desinfizirt
worden, ehe er in die Elbe abgelassen wurde. Endlich sind aber auch die
Auswanderer selbst sofort bei ihrer Aufnahme in die Baracke eiuer Desinfek¬
tion und Reinigung unterzogen worden, und sie sind so völlig von der übrigen
Bevölkerung abgesperrt gewesen, daß Herr Bürgermeister I)r. Mönckeberg am
14. September d. I. in der Bürgerschaft amtlich versichern konnte, seit dein
21. Juli sei kein russischer Auswanderer mehr mit der übrigen Bevölkerung
in Berührung gekommen. Damit ist dieser so schwere Vorwurf, der unserm
Ansehen vielleicht mehr als jeder andre geschadet hat, widerlegt. Hamburg
hat gegenüber den russischen Auswanderern unzweifelhaft seine Pflicht gethan.
Eine völlige Zurückweisung dieser zum großen Teile aus verseuchten Ge¬
genden stammenden Leute kam selbstverständlich so lauge nicht in Frage und
war so lange unausführbar, als das Reich und Preußen die russische Greuze
offen und den Answandererstrvm ungehindert hindurch ließ. Hamburgs Sache
war es nur, diese Leute, so gut es ging, von seiner Bevölkerung getrennt zu
halten, und in diesem Punkte haben die Behörden gethan, was ihre Pflicht war.

Wir haben also in Bezug auf das, was man nicht mit Unrecht als
Seuchemnobilmachuug bezeichnet hat, unsre Sache zwar nicht besser, aber mich
sicher nicht schlechter gemacht als andre, und wir müssen es uns alles Ernstes
verbitten, daß mau uns den Vorwurf macht, in unsrer Verwaltung habe ein
unerhörter Schlendrian geherrscht.

Ebenso unbegründet ist aber anch die Anschuldigung, daß wir den Ein¬
tritt der Epidemie zu verheimlichen gesucht hätten. Nach dem Berichte des
Direktors Professor Dr. Rumpf, unter dem unsre beiden öffentlichen Kranken¬
häuser stehen, ist von dem Augenblicke an, als sich der Verdacht ergab,
daß nicht nur die in jedem Hochsommer in großer Anzahl auftretenden
Brechdurchfälle und Cholerincerkrankungen vorlagen, sondern daß möglicher¬
weise asiatische Cholera bei uns herrschen könnte, die sorgfältigste baktcriv-
logische Untersuchung aller irgendwie choleraverdächtigen Erkrankungen, an¬
geordnet worden. Diese fortlaufend geführte Untersuchung hat erst am
22. August das Vorliegen des Kommabacillus gleichzeitig in zwei Erkrankungs¬
füllen ergeben, worauf sofort noch an demselben Tage von dem Medizinalrat
or. Kraus sowohl an seine vorgesetzte Behörde, als auch an das Ncichs-
gesundheitsamt berichtet worden ist, daß die asiatische Cholera in Hamburg
festgestellt sei; gleichzeitig ist davon der Bevölkerung durch die Presse Mit¬
teilung gemacht worden. Von einer Vertuschung des wahren Sachverhalts,


Hamburg und die Cholera

richte des Reichsgesundheitsamts erhoben wurde und von dort natürlich in
die ganze deutsche Presse übergegangen ist, trifft uns aber nicht. Es ist un¬
wahr, daß wir die Abgänge der in der Baracke untergebrachten Auswanderer
ohne Desinfektion die Elbe Hütten verunreinigen lassen; sämtliche Aborte der
Baracke sind mit einer Desiufektionsspüluug versehen gewesen und dann noch
einmal der Abfluß aller Aborte in einem gemeinsamen Becken desinfizirt
worden, ehe er in die Elbe abgelassen wurde. Endlich sind aber auch die
Auswanderer selbst sofort bei ihrer Aufnahme in die Baracke eiuer Desinfek¬
tion und Reinigung unterzogen worden, und sie sind so völlig von der übrigen
Bevölkerung abgesperrt gewesen, daß Herr Bürgermeister I)r. Mönckeberg am
14. September d. I. in der Bürgerschaft amtlich versichern konnte, seit dein
21. Juli sei kein russischer Auswanderer mehr mit der übrigen Bevölkerung
in Berührung gekommen. Damit ist dieser so schwere Vorwurf, der unserm
Ansehen vielleicht mehr als jeder andre geschadet hat, widerlegt. Hamburg
hat gegenüber den russischen Auswanderern unzweifelhaft seine Pflicht gethan.
Eine völlige Zurückweisung dieser zum großen Teile aus verseuchten Ge¬
genden stammenden Leute kam selbstverständlich so lauge nicht in Frage und
war so lange unausführbar, als das Reich und Preußen die russische Greuze
offen und den Answandererstrvm ungehindert hindurch ließ. Hamburgs Sache
war es nur, diese Leute, so gut es ging, von seiner Bevölkerung getrennt zu
halten, und in diesem Punkte haben die Behörden gethan, was ihre Pflicht war.

Wir haben also in Bezug auf das, was man nicht mit Unrecht als
Seuchemnobilmachuug bezeichnet hat, unsre Sache zwar nicht besser, aber mich
sicher nicht schlechter gemacht als andre, und wir müssen es uns alles Ernstes
verbitten, daß mau uns den Vorwurf macht, in unsrer Verwaltung habe ein
unerhörter Schlendrian geherrscht.

Ebenso unbegründet ist aber anch die Anschuldigung, daß wir den Ein¬
tritt der Epidemie zu verheimlichen gesucht hätten. Nach dem Berichte des
Direktors Professor Dr. Rumpf, unter dem unsre beiden öffentlichen Kranken¬
häuser stehen, ist von dem Augenblicke an, als sich der Verdacht ergab,
daß nicht nur die in jedem Hochsommer in großer Anzahl auftretenden
Brechdurchfälle und Cholerincerkrankungen vorlagen, sondern daß möglicher¬
weise asiatische Cholera bei uns herrschen könnte, die sorgfältigste baktcriv-
logische Untersuchung aller irgendwie choleraverdächtigen Erkrankungen, an¬
geordnet worden. Diese fortlaufend geführte Untersuchung hat erst am
22. August das Vorliegen des Kommabacillus gleichzeitig in zwei Erkrankungs¬
füllen ergeben, worauf sofort noch an demselben Tage von dem Medizinalrat
or. Kraus sowohl an seine vorgesetzte Behörde, als auch an das Ncichs-
gesundheitsamt berichtet worden ist, daß die asiatische Cholera in Hamburg
festgestellt sei; gleichzeitig ist davon der Bevölkerung durch die Presse Mit¬
teilung gemacht worden. Von einer Vertuschung des wahren Sachverhalts,


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[0360] Hamburg und die Cholera richte des Reichsgesundheitsamts erhoben wurde und von dort natürlich in die ganze deutsche Presse übergegangen ist, trifft uns aber nicht. Es ist un¬ wahr, daß wir die Abgänge der in der Baracke untergebrachten Auswanderer ohne Desinfektion die Elbe Hütten verunreinigen lassen; sämtliche Aborte der Baracke sind mit einer Desiufektionsspüluug versehen gewesen und dann noch einmal der Abfluß aller Aborte in einem gemeinsamen Becken desinfizirt worden, ehe er in die Elbe abgelassen wurde. Endlich sind aber auch die Auswanderer selbst sofort bei ihrer Aufnahme in die Baracke eiuer Desinfek¬ tion und Reinigung unterzogen worden, und sie sind so völlig von der übrigen Bevölkerung abgesperrt gewesen, daß Herr Bürgermeister I)r. Mönckeberg am 14. September d. I. in der Bürgerschaft amtlich versichern konnte, seit dein 21. Juli sei kein russischer Auswanderer mehr mit der übrigen Bevölkerung in Berührung gekommen. Damit ist dieser so schwere Vorwurf, der unserm Ansehen vielleicht mehr als jeder andre geschadet hat, widerlegt. Hamburg hat gegenüber den russischen Auswanderern unzweifelhaft seine Pflicht gethan. Eine völlige Zurückweisung dieser zum großen Teile aus verseuchten Ge¬ genden stammenden Leute kam selbstverständlich so lauge nicht in Frage und war so lange unausführbar, als das Reich und Preußen die russische Greuze offen und den Answandererstrvm ungehindert hindurch ließ. Hamburgs Sache war es nur, diese Leute, so gut es ging, von seiner Bevölkerung getrennt zu halten, und in diesem Punkte haben die Behörden gethan, was ihre Pflicht war. Wir haben also in Bezug auf das, was man nicht mit Unrecht als Seuchemnobilmachuug bezeichnet hat, unsre Sache zwar nicht besser, aber mich sicher nicht schlechter gemacht als andre, und wir müssen es uns alles Ernstes verbitten, daß mau uns den Vorwurf macht, in unsrer Verwaltung habe ein unerhörter Schlendrian geherrscht. Ebenso unbegründet ist aber anch die Anschuldigung, daß wir den Ein¬ tritt der Epidemie zu verheimlichen gesucht hätten. Nach dem Berichte des Direktors Professor Dr. Rumpf, unter dem unsre beiden öffentlichen Kranken¬ häuser stehen, ist von dem Augenblicke an, als sich der Verdacht ergab, daß nicht nur die in jedem Hochsommer in großer Anzahl auftretenden Brechdurchfälle und Cholerincerkrankungen vorlagen, sondern daß möglicher¬ weise asiatische Cholera bei uns herrschen könnte, die sorgfältigste baktcriv- logische Untersuchung aller irgendwie choleraverdächtigen Erkrankungen, an¬ geordnet worden. Diese fortlaufend geführte Untersuchung hat erst am 22. August das Vorliegen des Kommabacillus gleichzeitig in zwei Erkrankungs¬ füllen ergeben, worauf sofort noch an demselben Tage von dem Medizinalrat or. Kraus sowohl an seine vorgesetzte Behörde, als auch an das Ncichs- gesundheitsamt berichtet worden ist, daß die asiatische Cholera in Hamburg festgestellt sei; gleichzeitig ist davon der Bevölkerung durch die Presse Mit¬ teilung gemacht worden. Von einer Vertuschung des wahren Sachverhalts,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/360>, abgerufen am 23.07.2024.