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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Lin Bankdepotgesetz

jederzeit absehbare Gelder in "Depot," von denen er den Kunden einen be¬
stimmten Zinssatz zu entrichten hat -- das ist der ursprüngliche Fall des
"Gelddepositums."

Auf die unterscheidenden Merkmale der drei Gruppen hier naher einzu¬
gehen, haben wir keine Veranlassung. Denn, wie gleich bemerkt werden soll:
diese aus juristischen und wirtschaftlichen Grundlagen gewonnene Dreiteilung
zum Ausgangspunkte einer praktischen Reform nehmen zu wollen, wäre ein
verkehrtes Beginnen.

Das reine Effettendcpvt ist ein Anfbewahrnngsvertrag gleich jedem andern.
Dem Deponenden von Effekten an sich gesetzlich einen höhern Rechtsschutz zu
gewähren, als dein Deponenden irgend welcher andern beweglichen Sachen,
dafür fehlt es an jedem vernünftigen Grunde. Der einzige bestimmte Vor¬
schlag, zu dem man sich denn auch hier aufgeschwungen hat, besteht darin, auf
Unterschlagung von Depots eine Zuchthausstrafe zu setzend) Vor derartigen
liebeseifrigen Reformern, die mit dem Strafgesetzbuch in der Hand den
Börsenjobberern nachlaufen und mit der stumpfen Schneide der Zuchthausstrafe
die eitrigen Auswüchse aus dein Wirtschaftskörper entfernen wollen, braucht
den Herren Depotuehmern nicht bange zu werden. Ein Strafgesetz als Heil¬
mittel für die Schäden des Bank- und Börsenlebens würde die Bankerott¬
erklärung aller modernen Wirtschaftspolitik bedeuten.

Das Gelddepositum ist trotz seines täuschenden Namens nud trotz aller
langatmiger Deduktionen gelehrter Theoretiker, mit und ohne Prvfessoren-
titel, nichts mehr und nichts weniger als ein Darlehensvertrag. Der Depot¬
kunde giebt, wie jeder andre Darleiher, Geld und nimmt Zinsen. Es wäre
doch ein sonderbares Beginnen, wollte man deshalb, weil das Geld einer Bank
übergeben ist, besondre Rechtsgrundsätze für maßgebend halten. Kleine Kapi-
nlisten, die keine festen Anlagewerte erwerben, sondern ihr Geld als jederzeit
abhebbares Guthaben zur Verfügung haben wollen, sind ja durchaus nicht
gezwungen, sich der Depositenkasse des Bankiers zu bedienen. Die städtische
Sparkasse gewährt höhere Sicherheit und dieselben Zinsen.

Und das Lombarddepot? Daß hier ein gewöhnlicher Pfandvertrag vor¬
liegt und die auf Lombard gegebnen Stücke nach den Regeln des Faustpfandes
zu behandeln sind, dürfte außer Zweifel sein. Diese Regeln bieten aber im
Verkehr mit redlichen Bankiers hinreichenden Schutz. Denn Faustpfänder dürfen
nicht freihändig verkauft und, ohne Einwilligung des Deponenden, nicht after¬
verpfändet werden.

Also nicht hier hat die Gesetzgebung ihren Hebel anzusetzen. Für die
Reformbedürftigkeit kommt vielmehr ein ganz andrer Umstand in Betracht: ein



Vergl. den Antrag von Cuny und Genossen in den Drucksachen des deutsche" Reichs¬
tags, Ur. 528 und 531.
Lin Bankdepotgesetz

jederzeit absehbare Gelder in „Depot," von denen er den Kunden einen be¬
stimmten Zinssatz zu entrichten hat — das ist der ursprüngliche Fall des
„Gelddepositums."

Auf die unterscheidenden Merkmale der drei Gruppen hier naher einzu¬
gehen, haben wir keine Veranlassung. Denn, wie gleich bemerkt werden soll:
diese aus juristischen und wirtschaftlichen Grundlagen gewonnene Dreiteilung
zum Ausgangspunkte einer praktischen Reform nehmen zu wollen, wäre ein
verkehrtes Beginnen.

Das reine Effettendcpvt ist ein Anfbewahrnngsvertrag gleich jedem andern.
Dem Deponenden von Effekten an sich gesetzlich einen höhern Rechtsschutz zu
gewähren, als dein Deponenden irgend welcher andern beweglichen Sachen,
dafür fehlt es an jedem vernünftigen Grunde. Der einzige bestimmte Vor¬
schlag, zu dem man sich denn auch hier aufgeschwungen hat, besteht darin, auf
Unterschlagung von Depots eine Zuchthausstrafe zu setzend) Vor derartigen
liebeseifrigen Reformern, die mit dem Strafgesetzbuch in der Hand den
Börsenjobberern nachlaufen und mit der stumpfen Schneide der Zuchthausstrafe
die eitrigen Auswüchse aus dein Wirtschaftskörper entfernen wollen, braucht
den Herren Depotuehmern nicht bange zu werden. Ein Strafgesetz als Heil¬
mittel für die Schäden des Bank- und Börsenlebens würde die Bankerott¬
erklärung aller modernen Wirtschaftspolitik bedeuten.

Das Gelddepositum ist trotz seines täuschenden Namens nud trotz aller
langatmiger Deduktionen gelehrter Theoretiker, mit und ohne Prvfessoren-
titel, nichts mehr und nichts weniger als ein Darlehensvertrag. Der Depot¬
kunde giebt, wie jeder andre Darleiher, Geld und nimmt Zinsen. Es wäre
doch ein sonderbares Beginnen, wollte man deshalb, weil das Geld einer Bank
übergeben ist, besondre Rechtsgrundsätze für maßgebend halten. Kleine Kapi-
nlisten, die keine festen Anlagewerte erwerben, sondern ihr Geld als jederzeit
abhebbares Guthaben zur Verfügung haben wollen, sind ja durchaus nicht
gezwungen, sich der Depositenkasse des Bankiers zu bedienen. Die städtische
Sparkasse gewährt höhere Sicherheit und dieselben Zinsen.

Und das Lombarddepot? Daß hier ein gewöhnlicher Pfandvertrag vor¬
liegt und die auf Lombard gegebnen Stücke nach den Regeln des Faustpfandes
zu behandeln sind, dürfte außer Zweifel sein. Diese Regeln bieten aber im
Verkehr mit redlichen Bankiers hinreichenden Schutz. Denn Faustpfänder dürfen
nicht freihändig verkauft und, ohne Einwilligung des Deponenden, nicht after¬
verpfändet werden.

Also nicht hier hat die Gesetzgebung ihren Hebel anzusetzen. Für die
Reformbedürftigkeit kommt vielmehr ein ganz andrer Umstand in Betracht: ein



Vergl. den Antrag von Cuny und Genossen in den Drucksachen des deutsche» Reichs¬
tags, Ur. 528 und 531.
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[0299] Lin Bankdepotgesetz jederzeit absehbare Gelder in „Depot," von denen er den Kunden einen be¬ stimmten Zinssatz zu entrichten hat — das ist der ursprüngliche Fall des „Gelddepositums." Auf die unterscheidenden Merkmale der drei Gruppen hier naher einzu¬ gehen, haben wir keine Veranlassung. Denn, wie gleich bemerkt werden soll: diese aus juristischen und wirtschaftlichen Grundlagen gewonnene Dreiteilung zum Ausgangspunkte einer praktischen Reform nehmen zu wollen, wäre ein verkehrtes Beginnen. Das reine Effettendcpvt ist ein Anfbewahrnngsvertrag gleich jedem andern. Dem Deponenden von Effekten an sich gesetzlich einen höhern Rechtsschutz zu gewähren, als dein Deponenden irgend welcher andern beweglichen Sachen, dafür fehlt es an jedem vernünftigen Grunde. Der einzige bestimmte Vor¬ schlag, zu dem man sich denn auch hier aufgeschwungen hat, besteht darin, auf Unterschlagung von Depots eine Zuchthausstrafe zu setzend) Vor derartigen liebeseifrigen Reformern, die mit dem Strafgesetzbuch in der Hand den Börsenjobberern nachlaufen und mit der stumpfen Schneide der Zuchthausstrafe die eitrigen Auswüchse aus dein Wirtschaftskörper entfernen wollen, braucht den Herren Depotuehmern nicht bange zu werden. Ein Strafgesetz als Heil¬ mittel für die Schäden des Bank- und Börsenlebens würde die Bankerott¬ erklärung aller modernen Wirtschaftspolitik bedeuten. Das Gelddepositum ist trotz seines täuschenden Namens nud trotz aller langatmiger Deduktionen gelehrter Theoretiker, mit und ohne Prvfessoren- titel, nichts mehr und nichts weniger als ein Darlehensvertrag. Der Depot¬ kunde giebt, wie jeder andre Darleiher, Geld und nimmt Zinsen. Es wäre doch ein sonderbares Beginnen, wollte man deshalb, weil das Geld einer Bank übergeben ist, besondre Rechtsgrundsätze für maßgebend halten. Kleine Kapi- nlisten, die keine festen Anlagewerte erwerben, sondern ihr Geld als jederzeit abhebbares Guthaben zur Verfügung haben wollen, sind ja durchaus nicht gezwungen, sich der Depositenkasse des Bankiers zu bedienen. Die städtische Sparkasse gewährt höhere Sicherheit und dieselben Zinsen. Und das Lombarddepot? Daß hier ein gewöhnlicher Pfandvertrag vor¬ liegt und die auf Lombard gegebnen Stücke nach den Regeln des Faustpfandes zu behandeln sind, dürfte außer Zweifel sein. Diese Regeln bieten aber im Verkehr mit redlichen Bankiers hinreichenden Schutz. Denn Faustpfänder dürfen nicht freihändig verkauft und, ohne Einwilligung des Deponenden, nicht after¬ verpfändet werden. Also nicht hier hat die Gesetzgebung ihren Hebel anzusetzen. Für die Reformbedürftigkeit kommt vielmehr ein ganz andrer Umstand in Betracht: ein Vergl. den Antrag von Cuny und Genossen in den Drucksachen des deutsche» Reichs¬ tags, Ur. 528 und 531.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/299>, abgerufen am 03.07.2024.