Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Albrecht von Roon barg er sich nicht, daß er selbst nicht das Haupt des Ministeriums sein könne, Wer das sein sollte, wußte er längst. Als in jenen spannungsvollen Im August 1862 verwarf die Kommission des Abgeordnetenhauses die Albrecht von Roon barg er sich nicht, daß er selbst nicht das Haupt des Ministeriums sein könne, Wer das sein sollte, wußte er längst. Als in jenen spannungsvollen Im August 1862 verwarf die Kommission des Abgeordnetenhauses die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213384"/> <fw type="header" place="top"> Albrecht von Roon</fw><lb/> <p xml:id="ID_796" prev="#ID_795"> barg er sich nicht, daß er selbst nicht das Haupt des Ministeriums sein könne,<lb/> das Perthes jetzt in ihm sah. Und als nun aus den Neuwnhleu im Mai<lb/> 1862 die Opposition abermals verstärkt hervorging, als die sinnlose Ver¬<lb/> hetzung und Verbitterung im Lande immer höher anschwollen, da schrieb er<lb/> dem Freunde mit ruhiger Klarheit: „Uns fehlt nur uoch eine Kleinigkeit, der<lb/> Kopf des Ministeriums."</p><lb/> <p xml:id="ID_797"> Wer das sein sollte, wußte er längst. Als in jenen spannungsvollen<lb/> Maitagen Vismarck, von seinem Petersburger Botschafterposten abberufen, in<lb/> Berlin eintraf, sahen in ihm die Eingeweihten schon den künftigen Minister¬<lb/> präsidenten. Noch war der König nicht so weit; er ernannte Bismarck zum<lb/> Gesandten in Paris, „schwerlich auf lange Zeit," meinte Roon, wesentlich,<lb/> damit er diese wichtigen Verhältnisse aus eigner Anschauung kennen lerne.<lb/> Da saß denn Bismarck den Sommer durch in Paris, allein, ohne seine Fa¬<lb/> milie, „wie eine Ratte in der leeren Scheune," unbehaglich, ungeduldig, immer<lb/> auf dein Sprunge. Schon war sein Einfluß auf die Haltung des Ministeriums<lb/> unverkennbar. Man solle, so schrieb er an Roon, den Haushaltplan durch¬<lb/> beraten lassen, aber jeder Streichung im Militüretat ruhig und deutlich op-<lb/> poniren. Verwerfe dann das Abgeordnetenhaus die Heeresreform und ihre<lb/> Kosten und lehne das Herrenhaus das so verstümmelte Budget im ganzen<lb/> ab, dann sei es Zeit, ihn zu berufen, um zu zeigen, daß die Krone den Kampf<lb/> nicht aufgebe. Bis dahin wollte er „hinter dem Busch gehalten werden."<lb/> So geschah es, und damit nahte die Entscheidung.</p><lb/> <p xml:id="ID_798"> Im August 1862 verwarf die Kommission des Abgeordnetenhauses die<lb/> Heeresreform, verweigerte alle dafür bereits geleisteten und noch zu leistenden<lb/> Ausgaben, verlangte also kurz und gut die Auflösung der neuen Regimenter,<lb/> und lehnte ebenso den Flottengründungsplan ab, den Roon, seit dem 16. April<lb/> 1861 auch Marineminister, damals vorgelegt hatte. Auf Grund dieser Kvm-<lb/> missionsantrüge begann das Abgeordnetenhaus am 11. September die Beratung.<lb/> Umsonst gab die Regierung durch deu Finanzminister von der Heste die ver¬<lb/> söhnlichsten Erklärungen ab, umsonst legte Roon in klarer, eindringlicher Rede<lb/> die ganze Lage dar; das Abgeordnetenhaus wollte keine Versöhnung, sondern<lb/> die Demütigung der Krone, ihre Unterwerfung unter die Mehrheit des Par¬<lb/> laments, wie einst das englische Unterhaus die Karls I. Man vergaß nur,<lb/> daß man in Preußen und uicht in England lebte, und daß man keinen Stuart,<lb/> sondern einen Hohenzoller sich gegenüber habe. Für den 23. September stand<lb/> die Schlußabstimmuug bevor. „Mir blutet das Herz bei dem Gedanken an<lb/> die Schwächung unsers Ansehens in: Auslande und die Zerrüttung aller<lb/> Begriffe und Verhältnisse im Innern, die sich daran knüpfen werden, schrieb<lb/> Roon um 20. September an Perthes. Aber ich kann nicht zu einem schimpf¬<lb/> lichen Frieden raten, nud einen ehrenvollen sehe ich nicht ab; also Krieg!<lb/> Sollten mich auch alle Schmerzen und Wunden eines solchen zuerst treffen."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
Albrecht von Roon
barg er sich nicht, daß er selbst nicht das Haupt des Ministeriums sein könne,
das Perthes jetzt in ihm sah. Und als nun aus den Neuwnhleu im Mai
1862 die Opposition abermals verstärkt hervorging, als die sinnlose Ver¬
hetzung und Verbitterung im Lande immer höher anschwollen, da schrieb er
dem Freunde mit ruhiger Klarheit: „Uns fehlt nur uoch eine Kleinigkeit, der
Kopf des Ministeriums."
Wer das sein sollte, wußte er längst. Als in jenen spannungsvollen
Maitagen Vismarck, von seinem Petersburger Botschafterposten abberufen, in
Berlin eintraf, sahen in ihm die Eingeweihten schon den künftigen Minister¬
präsidenten. Noch war der König nicht so weit; er ernannte Bismarck zum
Gesandten in Paris, „schwerlich auf lange Zeit," meinte Roon, wesentlich,
damit er diese wichtigen Verhältnisse aus eigner Anschauung kennen lerne.
Da saß denn Bismarck den Sommer durch in Paris, allein, ohne seine Fa¬
milie, „wie eine Ratte in der leeren Scheune," unbehaglich, ungeduldig, immer
auf dein Sprunge. Schon war sein Einfluß auf die Haltung des Ministeriums
unverkennbar. Man solle, so schrieb er an Roon, den Haushaltplan durch¬
beraten lassen, aber jeder Streichung im Militüretat ruhig und deutlich op-
poniren. Verwerfe dann das Abgeordnetenhaus die Heeresreform und ihre
Kosten und lehne das Herrenhaus das so verstümmelte Budget im ganzen
ab, dann sei es Zeit, ihn zu berufen, um zu zeigen, daß die Krone den Kampf
nicht aufgebe. Bis dahin wollte er „hinter dem Busch gehalten werden."
So geschah es, und damit nahte die Entscheidung.
Im August 1862 verwarf die Kommission des Abgeordnetenhauses die
Heeresreform, verweigerte alle dafür bereits geleisteten und noch zu leistenden
Ausgaben, verlangte also kurz und gut die Auflösung der neuen Regimenter,
und lehnte ebenso den Flottengründungsplan ab, den Roon, seit dem 16. April
1861 auch Marineminister, damals vorgelegt hatte. Auf Grund dieser Kvm-
missionsantrüge begann das Abgeordnetenhaus am 11. September die Beratung.
Umsonst gab die Regierung durch deu Finanzminister von der Heste die ver¬
söhnlichsten Erklärungen ab, umsonst legte Roon in klarer, eindringlicher Rede
die ganze Lage dar; das Abgeordnetenhaus wollte keine Versöhnung, sondern
die Demütigung der Krone, ihre Unterwerfung unter die Mehrheit des Par¬
laments, wie einst das englische Unterhaus die Karls I. Man vergaß nur,
daß man in Preußen und uicht in England lebte, und daß man keinen Stuart,
sondern einen Hohenzoller sich gegenüber habe. Für den 23. September stand
die Schlußabstimmuug bevor. „Mir blutet das Herz bei dem Gedanken an
die Schwächung unsers Ansehens in: Auslande und die Zerrüttung aller
Begriffe und Verhältnisse im Innern, die sich daran knüpfen werden, schrieb
Roon um 20. September an Perthes. Aber ich kann nicht zu einem schimpf¬
lichen Frieden raten, nud einen ehrenvollen sehe ich nicht ab; also Krieg!
Sollten mich auch alle Schmerzen und Wunden eines solchen zuerst treffen."
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