Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Die preußische Steuerreform sämtlichen direkten Steuern nur 156 Prozent, in den Landgemeinden sogar Während wir dies schreiben, ergeht die Kabinettsordre, nach der der Die preußische Steuerreform sämtlichen direkten Steuern nur 156 Prozent, in den Landgemeinden sogar Während wir dies schreiben, ergeht die Kabinettsordre, nach der der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213377"/> <fw type="header" place="top"> Die preußische Steuerreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_780" prev="#ID_779"> sämtlichen direkten Steuern nur 156 Prozent, in den Landgemeinden sogar<lb/> 165 Prozent und in den Gutsbezirken 151 Prozent erhoben. Wir können<lb/> die Nichtigkeit .dieser Zahlen nicht prüfen, halten aber eine genaue Prüfung<lb/> für notwendig. Die Angaben ans den Städten beruhen auf den Kämmerei¬<lb/> etats und siud auf Heller und Pfennig richtig, die Angaben aus dem Land¬<lb/> gemeinden nud den Gutsbezirken, in denen keine Etats vorhanden sind, können<lb/> nnr auf Abschätzung beruhen, und diese siud um so genauer zu prüfen, als<lb/> in den Landgemeinden und Gutsbezirken die Gemeiudebedürfuisse in der Regel<lb/> durch Naturalleistungen gedeckt werden: die Straßen werden durch die eignen<lb/> Gespanne und eignen Dienstleute gebessert, die Armen durch Naturallieferungen<lb/> verpflegt u. f. w. Bisher wurde uur eine ungewöhliche Belastung der Städte<lb/> mit Gcmeindeabgaben angenommen; die obigen Zahlen müssen daher näher<lb/> geprüft werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_781"> Während wir dies schreiben, ergeht die Kabinettsordre, nach der der<lb/> Landtag zum 9. November einberufen wird. Ihm sollen die Stenerrefvrm-<lb/> gcsetze unmittelbar nach seinem Zusammentreten vorgelegt werden. Das ganze<lb/> Land sieht deu bevorstehenden Verhandlungen mit Spannung entgegen, und<lb/> jeder fragt, wie die Gesetze von deu verschiednen Parteien und von den ein¬<lb/> zelnen Abgeordneten werden beurteilt werden. Werden sich in ihren Reihen<lb/> Personen finden, die, geleitet von der Wissenschaft und fachmännischer Er-<lb/> fahrungen, die ganze Tragweite des Neformplaues erkennen, ihn mit durch-<lb/> dringendem Verständnis richtig, nicht bloß von Parteistandpunkte beurteilen?<lb/> Auch die Parteien werden ihre Beschlüsse nach reiflicher Erwägung zu fassen<lb/> haben. Wollen die liberalen Parteien die Grundsteuer und die Gebäudesteuer,<lb/> die ihr eigenstes Werk sind — wir erinnern an die Minister von Auerswald,<lb/> von Patow, Graf von Schwerin, die die Gesetze von 1861 unterzeichnet<lb/> haben —, ganz fallen lassen, wollen die konservativen Parteien, gegen deren<lb/> Willen jene Steuern einst geordnet wurden, die jetzt geplante völlige Auf¬<lb/> hebung durch ihr Einverständnis besiegeln und, statt nach unserm Vorschlage<lb/> einen Teil der Grund- und Gebändesteneru beizubehalten, die Vermögenssteuer<lb/> beschließen? — Die Beratungen werden bald beginnen; mögen sie das Wohl<lb/> des Landes fördern!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263]
Die preußische Steuerreform
sämtlichen direkten Steuern nur 156 Prozent, in den Landgemeinden sogar
165 Prozent und in den Gutsbezirken 151 Prozent erhoben. Wir können
die Nichtigkeit .dieser Zahlen nicht prüfen, halten aber eine genaue Prüfung
für notwendig. Die Angaben ans den Städten beruhen auf den Kämmerei¬
etats und siud auf Heller und Pfennig richtig, die Angaben aus dem Land¬
gemeinden nud den Gutsbezirken, in denen keine Etats vorhanden sind, können
nnr auf Abschätzung beruhen, und diese siud um so genauer zu prüfen, als
in den Landgemeinden und Gutsbezirken die Gemeiudebedürfuisse in der Regel
durch Naturalleistungen gedeckt werden: die Straßen werden durch die eignen
Gespanne und eignen Dienstleute gebessert, die Armen durch Naturallieferungen
verpflegt u. f. w. Bisher wurde uur eine ungewöhliche Belastung der Städte
mit Gcmeindeabgaben angenommen; die obigen Zahlen müssen daher näher
geprüft werden.
Während wir dies schreiben, ergeht die Kabinettsordre, nach der der
Landtag zum 9. November einberufen wird. Ihm sollen die Stenerrefvrm-
gcsetze unmittelbar nach seinem Zusammentreten vorgelegt werden. Das ganze
Land sieht deu bevorstehenden Verhandlungen mit Spannung entgegen, und
jeder fragt, wie die Gesetze von deu verschiednen Parteien und von den ein¬
zelnen Abgeordneten werden beurteilt werden. Werden sich in ihren Reihen
Personen finden, die, geleitet von der Wissenschaft und fachmännischer Er-
fahrungen, die ganze Tragweite des Neformplaues erkennen, ihn mit durch-
dringendem Verständnis richtig, nicht bloß von Parteistandpunkte beurteilen?
Auch die Parteien werden ihre Beschlüsse nach reiflicher Erwägung zu fassen
haben. Wollen die liberalen Parteien die Grundsteuer und die Gebäudesteuer,
die ihr eigenstes Werk sind — wir erinnern an die Minister von Auerswald,
von Patow, Graf von Schwerin, die die Gesetze von 1861 unterzeichnet
haben —, ganz fallen lassen, wollen die konservativen Parteien, gegen deren
Willen jene Steuern einst geordnet wurden, die jetzt geplante völlige Auf¬
hebung durch ihr Einverständnis besiegeln und, statt nach unserm Vorschlage
einen Teil der Grund- und Gebändesteneru beizubehalten, die Vermögenssteuer
beschließen? — Die Beratungen werden bald beginnen; mögen sie das Wohl
des Landes fördern!
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