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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die preußische Steuerreform

Steuer für leicht, kennt nicht "der beachtet wenigstens nicht die Bedenken
Roschers, muß aber doch eingestehn, daß in einem großen Staate noch nie¬
mals eine Vermögenssteuer mit Glück durchgeführt worden ist. Man versuche
nur die Abschätzung aller Vermögensstücke von Gumbinnen bis Trier, der
Versuch würde sicherlich mißglücken und die Unrichtigkeit der Einschätzungen,
wie sie auch in Betreff der neuen Einkommensteuer nicht mehr bestritten werden
kann, vermehren, eine Vermögenssteuer würde nicht ausgleichend und berich¬
tigend, sondern dahin wirken, daß sich die Steuerveranlagung nicht bloß in
dem großen Staate Preußen, sondern auch innerhalb der einzelnen Provinzen,
Bezirke und Gemeinden als völlig ungleichmäßig herausstellt.

Röscher erachtet eine Vermögenssteuer nur da für wünschenswert, wo keine
Ertragssteuern bestehen. Das ist auch unser Glaube. Der Staat Preußen
hat wohlgeordnete Ertragsstenern, die Grund-, die Gebäude-, die Gewerbe¬
steuer im Gesamtbetrage von nahezu 97 Millionen Mark. Den Lehren Roschers
folgend, schlagen wir vor, die Vermögenssteuer nicht einzuführen, an ihrer
Stelle zur Deckung des erforderlichen Staatsbedarfs einen Teil der Ertrags¬
steuern zurückzubehalten, also diese nicht ganz, wie beabsichtigt wird, abzu¬
schaffen. Bei der Abmessung der zurückzubehaltenden Beträge wären folgende
Gesichtspunkte zu beachten: 1. Die Grundsteuer ist zum großen Teile Real¬
last, das Einkommen ans Grund und Boden ist das fundirteste und nimmt
die größte Staatsausgabc, die Militärkvsten, sür sich besonders in Anspruch.
Die Grundsteuer, mag sie von Rittergütern, von städtischen oder bäuerlichen
Besitzungen bisher gezahlt werden, ist zum verhältnismäßig geringsten Teile
zu erlassen. 2. Die Gebäudesteuer ist eine im Jahre 1865 ganz neu einge¬
führte Abgabe, hat die rechtliche Natur einer eigentlichen Steuer und wirkt
namentlich drückend in den Städten, deren Steuerwesen bei der jetzigen Reform
gleichzeitig vollständig geordnet werden soll. Obgleich das Einkommen aus
den Gebäuden fundirt ist, würde der größte Teil der Gebäudesteuer zu erlasse"
sein, der Erlaß würde auch den Grundbesitzern und allen Staatsbürgern zu
gute kommen. 3. Die Gewerbesteuer wird von einem Einkommen entrichtet,
das weniger snndirt ist, als das Einkommen aus Grund- und Gcbändebesitz,
ist aber eine alte Steuer, setzt auch den besondern Schutz des Staates dnrch
Militär und Marine voraus. Die Gewerbesteuer wäre daher in etwas höherm
Betrage als die Gebändesteuer, in viel geringerm Betrage aber als die Grund¬
steuer beizubehalten.

Zur Erreichung aller bei der Reform beabsichtigten Zwecke wäre nur
noch die Bestimmung notwendig, daß bei der Veranlagung der Einkommen¬
steuer das Einkommen ans Arbeit (Paragraph 15 des Gesetzes) nicht voll,
sondern nach Abzug eines Teilbetrages in Ansatz gebracht, dagegen dem Ein¬
kommen aus Kapitalvermögen (Paragraph 12 des Gesetzes) ein Teilbetrag zur
Besteuerung hinzugesetzt wird. Wir müssen uns an dieser Stelle versagen,


Die preußische Steuerreform

Steuer für leicht, kennt nicht »der beachtet wenigstens nicht die Bedenken
Roschers, muß aber doch eingestehn, daß in einem großen Staate noch nie¬
mals eine Vermögenssteuer mit Glück durchgeführt worden ist. Man versuche
nur die Abschätzung aller Vermögensstücke von Gumbinnen bis Trier, der
Versuch würde sicherlich mißglücken und die Unrichtigkeit der Einschätzungen,
wie sie auch in Betreff der neuen Einkommensteuer nicht mehr bestritten werden
kann, vermehren, eine Vermögenssteuer würde nicht ausgleichend und berich¬
tigend, sondern dahin wirken, daß sich die Steuerveranlagung nicht bloß in
dem großen Staate Preußen, sondern auch innerhalb der einzelnen Provinzen,
Bezirke und Gemeinden als völlig ungleichmäßig herausstellt.

Röscher erachtet eine Vermögenssteuer nur da für wünschenswert, wo keine
Ertragssteuern bestehen. Das ist auch unser Glaube. Der Staat Preußen
hat wohlgeordnete Ertragsstenern, die Grund-, die Gebäude-, die Gewerbe¬
steuer im Gesamtbetrage von nahezu 97 Millionen Mark. Den Lehren Roschers
folgend, schlagen wir vor, die Vermögenssteuer nicht einzuführen, an ihrer
Stelle zur Deckung des erforderlichen Staatsbedarfs einen Teil der Ertrags¬
steuern zurückzubehalten, also diese nicht ganz, wie beabsichtigt wird, abzu¬
schaffen. Bei der Abmessung der zurückzubehaltenden Beträge wären folgende
Gesichtspunkte zu beachten: 1. Die Grundsteuer ist zum großen Teile Real¬
last, das Einkommen ans Grund und Boden ist das fundirteste und nimmt
die größte Staatsausgabc, die Militärkvsten, sür sich besonders in Anspruch.
Die Grundsteuer, mag sie von Rittergütern, von städtischen oder bäuerlichen
Besitzungen bisher gezahlt werden, ist zum verhältnismäßig geringsten Teile
zu erlassen. 2. Die Gebäudesteuer ist eine im Jahre 1865 ganz neu einge¬
führte Abgabe, hat die rechtliche Natur einer eigentlichen Steuer und wirkt
namentlich drückend in den Städten, deren Steuerwesen bei der jetzigen Reform
gleichzeitig vollständig geordnet werden soll. Obgleich das Einkommen aus
den Gebäuden fundirt ist, würde der größte Teil der Gebäudesteuer zu erlasse»
sein, der Erlaß würde auch den Grundbesitzern und allen Staatsbürgern zu
gute kommen. 3. Die Gewerbesteuer wird von einem Einkommen entrichtet,
das weniger snndirt ist, als das Einkommen aus Grund- und Gcbändebesitz,
ist aber eine alte Steuer, setzt auch den besondern Schutz des Staates dnrch
Militär und Marine voraus. Die Gewerbesteuer wäre daher in etwas höherm
Betrage als die Gebändesteuer, in viel geringerm Betrage aber als die Grund¬
steuer beizubehalten.

Zur Erreichung aller bei der Reform beabsichtigten Zwecke wäre nur
noch die Bestimmung notwendig, daß bei der Veranlagung der Einkommen¬
steuer das Einkommen ans Arbeit (Paragraph 15 des Gesetzes) nicht voll,
sondern nach Abzug eines Teilbetrages in Ansatz gebracht, dagegen dem Ein¬
kommen aus Kapitalvermögen (Paragraph 12 des Gesetzes) ein Teilbetrag zur
Besteuerung hinzugesetzt wird. Wir müssen uns an dieser Stelle versagen,


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[0261] Die preußische Steuerreform Steuer für leicht, kennt nicht »der beachtet wenigstens nicht die Bedenken Roschers, muß aber doch eingestehn, daß in einem großen Staate noch nie¬ mals eine Vermögenssteuer mit Glück durchgeführt worden ist. Man versuche nur die Abschätzung aller Vermögensstücke von Gumbinnen bis Trier, der Versuch würde sicherlich mißglücken und die Unrichtigkeit der Einschätzungen, wie sie auch in Betreff der neuen Einkommensteuer nicht mehr bestritten werden kann, vermehren, eine Vermögenssteuer würde nicht ausgleichend und berich¬ tigend, sondern dahin wirken, daß sich die Steuerveranlagung nicht bloß in dem großen Staate Preußen, sondern auch innerhalb der einzelnen Provinzen, Bezirke und Gemeinden als völlig ungleichmäßig herausstellt. Röscher erachtet eine Vermögenssteuer nur da für wünschenswert, wo keine Ertragssteuern bestehen. Das ist auch unser Glaube. Der Staat Preußen hat wohlgeordnete Ertragsstenern, die Grund-, die Gebäude-, die Gewerbe¬ steuer im Gesamtbetrage von nahezu 97 Millionen Mark. Den Lehren Roschers folgend, schlagen wir vor, die Vermögenssteuer nicht einzuführen, an ihrer Stelle zur Deckung des erforderlichen Staatsbedarfs einen Teil der Ertrags¬ steuern zurückzubehalten, also diese nicht ganz, wie beabsichtigt wird, abzu¬ schaffen. Bei der Abmessung der zurückzubehaltenden Beträge wären folgende Gesichtspunkte zu beachten: 1. Die Grundsteuer ist zum großen Teile Real¬ last, das Einkommen ans Grund und Boden ist das fundirteste und nimmt die größte Staatsausgabc, die Militärkvsten, sür sich besonders in Anspruch. Die Grundsteuer, mag sie von Rittergütern, von städtischen oder bäuerlichen Besitzungen bisher gezahlt werden, ist zum verhältnismäßig geringsten Teile zu erlassen. 2. Die Gebäudesteuer ist eine im Jahre 1865 ganz neu einge¬ führte Abgabe, hat die rechtliche Natur einer eigentlichen Steuer und wirkt namentlich drückend in den Städten, deren Steuerwesen bei der jetzigen Reform gleichzeitig vollständig geordnet werden soll. Obgleich das Einkommen aus den Gebäuden fundirt ist, würde der größte Teil der Gebäudesteuer zu erlasse» sein, der Erlaß würde auch den Grundbesitzern und allen Staatsbürgern zu gute kommen. 3. Die Gewerbesteuer wird von einem Einkommen entrichtet, das weniger snndirt ist, als das Einkommen aus Grund- und Gcbändebesitz, ist aber eine alte Steuer, setzt auch den besondern Schutz des Staates dnrch Militär und Marine voraus. Die Gewerbesteuer wäre daher in etwas höherm Betrage als die Gebändesteuer, in viel geringerm Betrage aber als die Grund¬ steuer beizubehalten. Zur Erreichung aller bei der Reform beabsichtigten Zwecke wäre nur noch die Bestimmung notwendig, daß bei der Veranlagung der Einkommen¬ steuer das Einkommen ans Arbeit (Paragraph 15 des Gesetzes) nicht voll, sondern nach Abzug eines Teilbetrages in Ansatz gebracht, dagegen dem Ein¬ kommen aus Kapitalvermögen (Paragraph 12 des Gesetzes) ein Teilbetrag zur Besteuerung hinzugesetzt wird. Wir müssen uns an dieser Stelle versagen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/261>, abgerufen am 23.12.2024.