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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die preußische Steuerreform

drei Geschlechter. Grund und Boden kann die Heimstätte einer Familie bilden
und bildet sie oft, das Gcldknpital nicht, am wenigsten das nur Zinsen tragende,
nicht in einem Gewerbe enthaltene Kapital. Das Betriebskapital des Gewerbe¬
treibenden kann auch dauernd wirken, d. h. noch länger wirken, als es selbst
besteht. Eine Firma mit ausgebreiteter, gesicherter Kundschaft geht durch
Jahrzehnte von Hand zu Hand, jeder Wechsel, also auch der Eintritt eines
neuen Inhabers, wird gern und willig durch Geld vergütet, und das Kapital,
wodurch die Firma gegründet wurde, wirkt auch noch fort, wenn es selbst
ans dem Geschäfte längst entnommen und anderweit ausgegeben ist. Selbst
ein ohne Kapital arbeitendes Gewerbe kaun ein dauerndes, fundirtes Ein¬
kommen gewähren. Witwe und Erben setzen nach dem Tode des Vaters das
Gewerbe fort. Mit andern Worten: das nur Zinsen tragende Vermögen oder
Kapital steht gegenüber dem in Grund und Boden und in den Gewerben ent¬
haltenen und thätigen Kapital im Nachteile, das Einkommen aus ziustrageudem
Kapitale erscheint nur gegenüber dein Einkommen aus der bloßen Arbeitskraft
fundirt, d. h. dauernd; es ist aber weniger dauernd als das Einkommen aus
Gewerbe und vollends weniger dauernd als das Einkommen aus Grundver¬
mögen, das offenbar das fundirteste Einkommen ist. Eine ans diese drei
Arten des Vermögens nach gleichen Prozenten veranlagte Steuer trifft daher
nicht gerecht; um gerecht zu sein, müßte man für jede Art des Vermögens
einen besondern Prozentsatz bei der Vermögenssteuer bestimmen, wie bei der
verwickelten und auch sonst wenig nachahmungswerten Einkommensteuer Gro߬
britanniens für das Einkommen ans den verschiednen Einkommensquellen
(Grundvermögen, Pachtbesitz, Gewerbe, Kapital u. s. w.) verschiedne Prozent¬
sätze bestimmt siud. Wir verzichten ans Bestimmung derartiger verschiedner
Prozentsätze, glauben aber nachgewiesen zu haben, daß eine nach gleiche"
Prozentsätzen veranlagte Vermögenssteuer nicht das erfüllt, was von ihr er¬
wartet wird: daß sie nämlich das aus den verschiednen Vermögensarten
fließende Einkommen nach Verhältnis seiner Dauer genau richtig treffen soll.

Überdies -- und das ist ein noch gewichtigerer Einwand -- die Ver¬
mögenssteuer bietet bei ihrer Veranlagung die größten Schwierigkeiten, wie
wir das in unserm frühern Aufsatz nachgewiesen haben. Wir haben uns dabei
uns die Aussprttche Noschcrs, des bedeutendsten Finanzwissenschafters der
Gegenwart (in seinem Werke: System der Finanzwissenschaft), berufen. In den
Paragraphen 73, 74 und 75 hebt er diese Schwierigkeiten hervor und sagt
wörtlich: "Bei der Vermögenssteuer ist die Einschätzung von draußen, d. h.
durch die Obrigkeit oder die Genossen, noch schwieriger als bei der Einkommen¬
steuer. Ganz besonders aber ist die Selbstdeklaration auch für den Redlichsten
beim Vermögen viel schwieriger als beim Einkommen wegen der Ungewißheit
des Preisanschlages so vieler Güter, die man weder gekauft hat, noch ver¬
kaufen will." Enneccerus erachtet dagegen die Veranlagung der Vermögens-


Die preußische Steuerreform

drei Geschlechter. Grund und Boden kann die Heimstätte einer Familie bilden
und bildet sie oft, das Gcldknpital nicht, am wenigsten das nur Zinsen tragende,
nicht in einem Gewerbe enthaltene Kapital. Das Betriebskapital des Gewerbe¬
treibenden kann auch dauernd wirken, d. h. noch länger wirken, als es selbst
besteht. Eine Firma mit ausgebreiteter, gesicherter Kundschaft geht durch
Jahrzehnte von Hand zu Hand, jeder Wechsel, also auch der Eintritt eines
neuen Inhabers, wird gern und willig durch Geld vergütet, und das Kapital,
wodurch die Firma gegründet wurde, wirkt auch noch fort, wenn es selbst
ans dem Geschäfte längst entnommen und anderweit ausgegeben ist. Selbst
ein ohne Kapital arbeitendes Gewerbe kaun ein dauerndes, fundirtes Ein¬
kommen gewähren. Witwe und Erben setzen nach dem Tode des Vaters das
Gewerbe fort. Mit andern Worten: das nur Zinsen tragende Vermögen oder
Kapital steht gegenüber dem in Grund und Boden und in den Gewerben ent¬
haltenen und thätigen Kapital im Nachteile, das Einkommen aus ziustrageudem
Kapitale erscheint nur gegenüber dein Einkommen aus der bloßen Arbeitskraft
fundirt, d. h. dauernd; es ist aber weniger dauernd als das Einkommen aus
Gewerbe und vollends weniger dauernd als das Einkommen aus Grundver¬
mögen, das offenbar das fundirteste Einkommen ist. Eine ans diese drei
Arten des Vermögens nach gleichen Prozenten veranlagte Steuer trifft daher
nicht gerecht; um gerecht zu sein, müßte man für jede Art des Vermögens
einen besondern Prozentsatz bei der Vermögenssteuer bestimmen, wie bei der
verwickelten und auch sonst wenig nachahmungswerten Einkommensteuer Gro߬
britanniens für das Einkommen ans den verschiednen Einkommensquellen
(Grundvermögen, Pachtbesitz, Gewerbe, Kapital u. s. w.) verschiedne Prozent¬
sätze bestimmt siud. Wir verzichten ans Bestimmung derartiger verschiedner
Prozentsätze, glauben aber nachgewiesen zu haben, daß eine nach gleiche»
Prozentsätzen veranlagte Vermögenssteuer nicht das erfüllt, was von ihr er¬
wartet wird: daß sie nämlich das aus den verschiednen Vermögensarten
fließende Einkommen nach Verhältnis seiner Dauer genau richtig treffen soll.

Überdies — und das ist ein noch gewichtigerer Einwand — die Ver¬
mögenssteuer bietet bei ihrer Veranlagung die größten Schwierigkeiten, wie
wir das in unserm frühern Aufsatz nachgewiesen haben. Wir haben uns dabei
uns die Aussprttche Noschcrs, des bedeutendsten Finanzwissenschafters der
Gegenwart (in seinem Werke: System der Finanzwissenschaft), berufen. In den
Paragraphen 73, 74 und 75 hebt er diese Schwierigkeiten hervor und sagt
wörtlich: „Bei der Vermögenssteuer ist die Einschätzung von draußen, d. h.
durch die Obrigkeit oder die Genossen, noch schwieriger als bei der Einkommen¬
steuer. Ganz besonders aber ist die Selbstdeklaration auch für den Redlichsten
beim Vermögen viel schwieriger als beim Einkommen wegen der Ungewißheit
des Preisanschlages so vieler Güter, die man weder gekauft hat, noch ver¬
kaufen will." Enneccerus erachtet dagegen die Veranlagung der Vermögens-


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[0260] Die preußische Steuerreform drei Geschlechter. Grund und Boden kann die Heimstätte einer Familie bilden und bildet sie oft, das Gcldknpital nicht, am wenigsten das nur Zinsen tragende, nicht in einem Gewerbe enthaltene Kapital. Das Betriebskapital des Gewerbe¬ treibenden kann auch dauernd wirken, d. h. noch länger wirken, als es selbst besteht. Eine Firma mit ausgebreiteter, gesicherter Kundschaft geht durch Jahrzehnte von Hand zu Hand, jeder Wechsel, also auch der Eintritt eines neuen Inhabers, wird gern und willig durch Geld vergütet, und das Kapital, wodurch die Firma gegründet wurde, wirkt auch noch fort, wenn es selbst ans dem Geschäfte längst entnommen und anderweit ausgegeben ist. Selbst ein ohne Kapital arbeitendes Gewerbe kaun ein dauerndes, fundirtes Ein¬ kommen gewähren. Witwe und Erben setzen nach dem Tode des Vaters das Gewerbe fort. Mit andern Worten: das nur Zinsen tragende Vermögen oder Kapital steht gegenüber dem in Grund und Boden und in den Gewerben ent¬ haltenen und thätigen Kapital im Nachteile, das Einkommen aus ziustrageudem Kapitale erscheint nur gegenüber dein Einkommen aus der bloßen Arbeitskraft fundirt, d. h. dauernd; es ist aber weniger dauernd als das Einkommen aus Gewerbe und vollends weniger dauernd als das Einkommen aus Grundver¬ mögen, das offenbar das fundirteste Einkommen ist. Eine ans diese drei Arten des Vermögens nach gleichen Prozenten veranlagte Steuer trifft daher nicht gerecht; um gerecht zu sein, müßte man für jede Art des Vermögens einen besondern Prozentsatz bei der Vermögenssteuer bestimmen, wie bei der verwickelten und auch sonst wenig nachahmungswerten Einkommensteuer Gro߬ britanniens für das Einkommen ans den verschiednen Einkommensquellen (Grundvermögen, Pachtbesitz, Gewerbe, Kapital u. s. w.) verschiedne Prozent¬ sätze bestimmt siud. Wir verzichten ans Bestimmung derartiger verschiedner Prozentsätze, glauben aber nachgewiesen zu haben, daß eine nach gleiche» Prozentsätzen veranlagte Vermögenssteuer nicht das erfüllt, was von ihr er¬ wartet wird: daß sie nämlich das aus den verschiednen Vermögensarten fließende Einkommen nach Verhältnis seiner Dauer genau richtig treffen soll. Überdies — und das ist ein noch gewichtigerer Einwand — die Ver¬ mögenssteuer bietet bei ihrer Veranlagung die größten Schwierigkeiten, wie wir das in unserm frühern Aufsatz nachgewiesen haben. Wir haben uns dabei uns die Aussprttche Noschcrs, des bedeutendsten Finanzwissenschafters der Gegenwart (in seinem Werke: System der Finanzwissenschaft), berufen. In den Paragraphen 73, 74 und 75 hebt er diese Schwierigkeiten hervor und sagt wörtlich: „Bei der Vermögenssteuer ist die Einschätzung von draußen, d. h. durch die Obrigkeit oder die Genossen, noch schwieriger als bei der Einkommen¬ steuer. Ganz besonders aber ist die Selbstdeklaration auch für den Redlichsten beim Vermögen viel schwieriger als beim Einkommen wegen der Ungewißheit des Preisanschlages so vieler Güter, die man weder gekauft hat, noch ver¬ kaufen will." Enneccerus erachtet dagegen die Veranlagung der Vermögens-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/260>, abgerufen am 23.07.2024.