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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die preußische Steuerreform

Gemeinde ihm bieten kann, Kanäle, Straßen u. s. w., steht für ihn erst in
zweiter Linie. Den Berliner Kapitalisten dagegen mit seinen russischen Papieren
dürfte ein auswärtiger Krieg viel weniger empfindlich in seinem Vermögens¬
bestande berühren, ja er würde durch einen Sieg des Feindes -- der Himmel
verhüte ihn! -- sein Vermögen vielleicht vergrößert sehn. Die militärischen
Einrichtungen -- das lehrt die Geschichte -- waren immer und sind auch
heute noch vorzugsweise zum Schutze der Grundbesitzer und der Gewerbe be¬
stimmt, ohne diesen Schutz arbeiten diese Produktionsquellen nicht. Die
Marine und die teure Kolonialpolitik fördern Handel und Gewerbe. Gerechtig¬
keit und Billigkeit fordern, daß Grundbesitz und Gewerbe für den ihnen vom
Staate gewährten, thuen besonders notwendigen Schutz auch eine besondre
Schutzabgabe entrichten. Die bisherigen Ertragssteuern hatten diese Bedeutung,
die von der Parole: "Ertragssteuern nur für die Gemeinden" nnn mit vollster
Entschiedenheit auch von Enneeeerus verneint wird.

Mit gewandter Dialektik, aber ohne sich um unzweifelhafte geschichtliche
Thatsachen zu kümmern, behandelt Enneeeerus die weitere für die Aufhebung
der Grundsteuer wichtige Frage, ob diese Abgabe als eine wirkliche Steuer
oder als eine Neallast und Reine zu betrachten sei. Er behauptet das erstere
und sagt zur Begründung seiner Ansicht folgendes: "Die gegnerische Ansicht,
die sogenannte Rententhevrie, beruht auf der Deduktion, daß eine mit dem
Grundstücke dauernd verbundne Last den Wert dieses Grundstücks vermindere,
daß ein neuer ErWerber das Grundstück bereits in seinem Werte vermindert
und folglich billiger erwerbe. Aus dieser Deduktion folge die Theorie, daß
die Grundsteuer eine privatrechtliche Reallast sei" und ferner: "Die sogenannte
Rententheorie ist weder ganz unrichtig uoch ganz richtig. Es kommt darauf
an, ob bei dem Ankauf des Gutes nur auf den reinen Ertrag desselben ge¬
rechnet, oder ob ans den Ankaufswert andre bestimmende Umstände einge¬
wirkt haben. In letzterm Falle ist eine Kapitalminderung nicht und ebenso
wenig das Vorhandensein einer Reallast anzuerkennen. Der Staat hat die
Grundsteuer als Steuer behandelt, und sie wird much als eine solche, und
zwar als eine ungerechte und drückende Steuer empfunden.

Mit größerer Leichtigkeit kann mau wohl kaum über eine so wichtige
Frage hinweggehen. Der Umstand, daß eine Grundabgabe schon lange besteht,
ist doch für die Frage, ob sie Steuer oder Reallast sei, völlig gleichgiltig, be¬
deutungslos auch die Rechnung, die der Käufer für den von ihm zu zahlenden
Kaufpreis gemacht hat. Daß die Zahlung einer Steuer eine besondre und
anders geartete Empfindung als die Zahlung einer Neallast hervorrufe, kann
Wohl im Ernste nicht behauptet werden. Auf all dieses Rechnen, Deduzireu
und Empfinden kommt es bei dieser Frage gar nicht an, sondern nur auf den
Ursprung und die Entstehungsart der Abgabe. Nach beiden aber forscht
Enneeeerus gar nicht, und dennoch belehrt uns die Geschichte, daß die Grund-


Die preußische Steuerreform

Gemeinde ihm bieten kann, Kanäle, Straßen u. s. w., steht für ihn erst in
zweiter Linie. Den Berliner Kapitalisten dagegen mit seinen russischen Papieren
dürfte ein auswärtiger Krieg viel weniger empfindlich in seinem Vermögens¬
bestande berühren, ja er würde durch einen Sieg des Feindes — der Himmel
verhüte ihn! — sein Vermögen vielleicht vergrößert sehn. Die militärischen
Einrichtungen — das lehrt die Geschichte — waren immer und sind auch
heute noch vorzugsweise zum Schutze der Grundbesitzer und der Gewerbe be¬
stimmt, ohne diesen Schutz arbeiten diese Produktionsquellen nicht. Die
Marine und die teure Kolonialpolitik fördern Handel und Gewerbe. Gerechtig¬
keit und Billigkeit fordern, daß Grundbesitz und Gewerbe für den ihnen vom
Staate gewährten, thuen besonders notwendigen Schutz auch eine besondre
Schutzabgabe entrichten. Die bisherigen Ertragssteuern hatten diese Bedeutung,
die von der Parole: „Ertragssteuern nur für die Gemeinden" nnn mit vollster
Entschiedenheit auch von Enneeeerus verneint wird.

Mit gewandter Dialektik, aber ohne sich um unzweifelhafte geschichtliche
Thatsachen zu kümmern, behandelt Enneeeerus die weitere für die Aufhebung
der Grundsteuer wichtige Frage, ob diese Abgabe als eine wirkliche Steuer
oder als eine Neallast und Reine zu betrachten sei. Er behauptet das erstere
und sagt zur Begründung seiner Ansicht folgendes: „Die gegnerische Ansicht,
die sogenannte Rententhevrie, beruht auf der Deduktion, daß eine mit dem
Grundstücke dauernd verbundne Last den Wert dieses Grundstücks vermindere,
daß ein neuer ErWerber das Grundstück bereits in seinem Werte vermindert
und folglich billiger erwerbe. Aus dieser Deduktion folge die Theorie, daß
die Grundsteuer eine privatrechtliche Reallast sei" und ferner: „Die sogenannte
Rententheorie ist weder ganz unrichtig uoch ganz richtig. Es kommt darauf
an, ob bei dem Ankauf des Gutes nur auf den reinen Ertrag desselben ge¬
rechnet, oder ob ans den Ankaufswert andre bestimmende Umstände einge¬
wirkt haben. In letzterm Falle ist eine Kapitalminderung nicht und ebenso
wenig das Vorhandensein einer Reallast anzuerkennen. Der Staat hat die
Grundsteuer als Steuer behandelt, und sie wird much als eine solche, und
zwar als eine ungerechte und drückende Steuer empfunden.

Mit größerer Leichtigkeit kann mau wohl kaum über eine so wichtige
Frage hinweggehen. Der Umstand, daß eine Grundabgabe schon lange besteht,
ist doch für die Frage, ob sie Steuer oder Reallast sei, völlig gleichgiltig, be¬
deutungslos auch die Rechnung, die der Käufer für den von ihm zu zahlenden
Kaufpreis gemacht hat. Daß die Zahlung einer Steuer eine besondre und
anders geartete Empfindung als die Zahlung einer Neallast hervorrufe, kann
Wohl im Ernste nicht behauptet werden. Auf all dieses Rechnen, Deduzireu
und Empfinden kommt es bei dieser Frage gar nicht an, sondern nur auf den
Ursprung und die Entstehungsart der Abgabe. Nach beiden aber forscht
Enneeeerus gar nicht, und dennoch belehrt uns die Geschichte, daß die Grund-


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[0255] Die preußische Steuerreform Gemeinde ihm bieten kann, Kanäle, Straßen u. s. w., steht für ihn erst in zweiter Linie. Den Berliner Kapitalisten dagegen mit seinen russischen Papieren dürfte ein auswärtiger Krieg viel weniger empfindlich in seinem Vermögens¬ bestande berühren, ja er würde durch einen Sieg des Feindes — der Himmel verhüte ihn! — sein Vermögen vielleicht vergrößert sehn. Die militärischen Einrichtungen — das lehrt die Geschichte — waren immer und sind auch heute noch vorzugsweise zum Schutze der Grundbesitzer und der Gewerbe be¬ stimmt, ohne diesen Schutz arbeiten diese Produktionsquellen nicht. Die Marine und die teure Kolonialpolitik fördern Handel und Gewerbe. Gerechtig¬ keit und Billigkeit fordern, daß Grundbesitz und Gewerbe für den ihnen vom Staate gewährten, thuen besonders notwendigen Schutz auch eine besondre Schutzabgabe entrichten. Die bisherigen Ertragssteuern hatten diese Bedeutung, die von der Parole: „Ertragssteuern nur für die Gemeinden" nnn mit vollster Entschiedenheit auch von Enneeeerus verneint wird. Mit gewandter Dialektik, aber ohne sich um unzweifelhafte geschichtliche Thatsachen zu kümmern, behandelt Enneeeerus die weitere für die Aufhebung der Grundsteuer wichtige Frage, ob diese Abgabe als eine wirkliche Steuer oder als eine Neallast und Reine zu betrachten sei. Er behauptet das erstere und sagt zur Begründung seiner Ansicht folgendes: „Die gegnerische Ansicht, die sogenannte Rententhevrie, beruht auf der Deduktion, daß eine mit dem Grundstücke dauernd verbundne Last den Wert dieses Grundstücks vermindere, daß ein neuer ErWerber das Grundstück bereits in seinem Werte vermindert und folglich billiger erwerbe. Aus dieser Deduktion folge die Theorie, daß die Grundsteuer eine privatrechtliche Reallast sei" und ferner: „Die sogenannte Rententheorie ist weder ganz unrichtig uoch ganz richtig. Es kommt darauf an, ob bei dem Ankauf des Gutes nur auf den reinen Ertrag desselben ge¬ rechnet, oder ob ans den Ankaufswert andre bestimmende Umstände einge¬ wirkt haben. In letzterm Falle ist eine Kapitalminderung nicht und ebenso wenig das Vorhandensein einer Reallast anzuerkennen. Der Staat hat die Grundsteuer als Steuer behandelt, und sie wird much als eine solche, und zwar als eine ungerechte und drückende Steuer empfunden. Mit größerer Leichtigkeit kann mau wohl kaum über eine so wichtige Frage hinweggehen. Der Umstand, daß eine Grundabgabe schon lange besteht, ist doch für die Frage, ob sie Steuer oder Reallast sei, völlig gleichgiltig, be¬ deutungslos auch die Rechnung, die der Käufer für den von ihm zu zahlenden Kaufpreis gemacht hat. Daß die Zahlung einer Steuer eine besondre und anders geartete Empfindung als die Zahlung einer Neallast hervorrufe, kann Wohl im Ernste nicht behauptet werden. Auf all dieses Rechnen, Deduzireu und Empfinden kommt es bei dieser Frage gar nicht an, sondern nur auf den Ursprung und die Entstehungsart der Abgabe. Nach beiden aber forscht Enneeeerus gar nicht, und dennoch belehrt uns die Geschichte, daß die Grund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/255>, abgerufen am 23.07.2024.