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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die preußische Steuerreform

Dieser mit großer Kühnheit entworfne Neformplcm wird also dem Land¬
tage vorgelegt werden, und als erster, einleitender Schritt zu dieser Vorlage
ist die Schrift von Enneccerus zu betrachten, der mit ebenso großer Bestimmt¬
heit diesen Reformplan in allen seinen einzelnen Festsetzungen bedingungslos
lobt und Zweifel und Bedenken, wie sie selbst von dem Finanzminister bei den
frühern Landtagsverhandlungen angedeutet wordeu sind, nicht kennt. Enneecerus
steigert seine Lobrede zu folgenden Sätzen: "Die volle Steuerreform ist eine
folgerichtige Fortführung des preußischen Finanzwesens auf dem Wege, den es
seit dem Jahre 1820 erst zögernd, dann immer entschiedncr und bewußter be¬
treten hat" und: "Der ganze Plan ist zweckmäßig, folgerichtig und gerecht.
Die Durchführung desselben wird ein hvchbedeutender Fortschritt unsers staat¬
lichen und kommunalen Finanzwesens sein, welcher alles, was der preußische
Staat im letzten Jahrhundert auf diesem Gebiete geschaffen, an innerer
Begründung, folgerichtiger Durchbildung und praktischer Bedeutung weit
überragt."

Also die Aufhebung aller Ertragsteueru soll eine folgerichtige Fortführung
des preußischen Finanzwesens sein, und doch sind erst im Jahre 1861 nach
heißen Kämpfen die Hauptertragssteuern, nämlich Grund- und Gebäudesteuer,
neu geordnet oder ganz neu eingeführt worden! Wer die damaligen Kämpfe
miterlebt, wer damals erfahren hat, daß nur durch das kräftigste Eintreten
Kaiser Wilhelms als Regenten und spätern Königs die Grund- und Gebäude¬
steuergesetze zustande gekommen sind, wer die damals allgemein gehegte Über¬
zeugung, daß eine gut verteilte Steuer vom Grund und Boden einschließlich
der Gebäude das feste Rückgrat jeder Finanzverwaltung bilde, noch jetzt hegt,
kann die Behauptung, daß die Aufhebung der Grund- und Gebäudesteuer eine
folgerichtige Fortführung des preußischen Finanzwesens sei, wohl nur mit
Lächeln begleiten. Die Reform führt durchaus in neue Bahnen, in einen
"neuen Kurs."

Auch daran möchten wir erinnern, daß die Ausführung der Grund- und
Gebüudesteuergesetze in der kurzen Zeit von vier Jahren (1861 bis 1864) viel
mehr als die Ausführung des jetzigen Reformplans ein Meisterstück des Jahr¬
hunderts, ein Werk ohne gleichen war. In allen Kreisen von Oppeln bis
Stralsund, von Trier bis Gumbinnen waren große Kommissionen, nicht wie
jetzt an einzelnen Tagen, sondern die ganzen vier Jahre hindurch mit Ab¬
schätzungen beschäftigt, viele tausend Geometer und Gevmetergehilfeu maßen,
kartirten und rechneten, und das Finanzministerium, neben ihm die aus Mit¬
gliedern mehrerer Ministerien bestehende Zentralkommission, leiteten alle diese
Tausende von Arbeitern und Beamten. Das geschaffne Werk, das Grund- und
Gebäudesteuerkataster des preußischen Staats, steht hoch über allen gleichartigen
Werken der übrigen Staaten; mit berechtigtem Stolz sehen Regierung und
Volk auf dieses ihr eigenstes Werk. Ihm gegenüber erscheint das, was jetzt


Die preußische Steuerreform

Dieser mit großer Kühnheit entworfne Neformplcm wird also dem Land¬
tage vorgelegt werden, und als erster, einleitender Schritt zu dieser Vorlage
ist die Schrift von Enneccerus zu betrachten, der mit ebenso großer Bestimmt¬
heit diesen Reformplan in allen seinen einzelnen Festsetzungen bedingungslos
lobt und Zweifel und Bedenken, wie sie selbst von dem Finanzminister bei den
frühern Landtagsverhandlungen angedeutet wordeu sind, nicht kennt. Enneecerus
steigert seine Lobrede zu folgenden Sätzen: „Die volle Steuerreform ist eine
folgerichtige Fortführung des preußischen Finanzwesens auf dem Wege, den es
seit dem Jahre 1820 erst zögernd, dann immer entschiedncr und bewußter be¬
treten hat" und: „Der ganze Plan ist zweckmäßig, folgerichtig und gerecht.
Die Durchführung desselben wird ein hvchbedeutender Fortschritt unsers staat¬
lichen und kommunalen Finanzwesens sein, welcher alles, was der preußische
Staat im letzten Jahrhundert auf diesem Gebiete geschaffen, an innerer
Begründung, folgerichtiger Durchbildung und praktischer Bedeutung weit
überragt."

Also die Aufhebung aller Ertragsteueru soll eine folgerichtige Fortführung
des preußischen Finanzwesens sein, und doch sind erst im Jahre 1861 nach
heißen Kämpfen die Hauptertragssteuern, nämlich Grund- und Gebäudesteuer,
neu geordnet oder ganz neu eingeführt worden! Wer die damaligen Kämpfe
miterlebt, wer damals erfahren hat, daß nur durch das kräftigste Eintreten
Kaiser Wilhelms als Regenten und spätern Königs die Grund- und Gebäude¬
steuergesetze zustande gekommen sind, wer die damals allgemein gehegte Über¬
zeugung, daß eine gut verteilte Steuer vom Grund und Boden einschließlich
der Gebäude das feste Rückgrat jeder Finanzverwaltung bilde, noch jetzt hegt,
kann die Behauptung, daß die Aufhebung der Grund- und Gebäudesteuer eine
folgerichtige Fortführung des preußischen Finanzwesens sei, wohl nur mit
Lächeln begleiten. Die Reform führt durchaus in neue Bahnen, in einen
„neuen Kurs."

Auch daran möchten wir erinnern, daß die Ausführung der Grund- und
Gebüudesteuergesetze in der kurzen Zeit von vier Jahren (1861 bis 1864) viel
mehr als die Ausführung des jetzigen Reformplans ein Meisterstück des Jahr¬
hunderts, ein Werk ohne gleichen war. In allen Kreisen von Oppeln bis
Stralsund, von Trier bis Gumbinnen waren große Kommissionen, nicht wie
jetzt an einzelnen Tagen, sondern die ganzen vier Jahre hindurch mit Ab¬
schätzungen beschäftigt, viele tausend Geometer und Gevmetergehilfeu maßen,
kartirten und rechneten, und das Finanzministerium, neben ihm die aus Mit¬
gliedern mehrerer Ministerien bestehende Zentralkommission, leiteten alle diese
Tausende von Arbeitern und Beamten. Das geschaffne Werk, das Grund- und
Gebäudesteuerkataster des preußischen Staats, steht hoch über allen gleichartigen
Werken der übrigen Staaten; mit berechtigtem Stolz sehen Regierung und
Volk auf dieses ihr eigenstes Werk. Ihm gegenüber erscheint das, was jetzt


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[0253] Die preußische Steuerreform Dieser mit großer Kühnheit entworfne Neformplcm wird also dem Land¬ tage vorgelegt werden, und als erster, einleitender Schritt zu dieser Vorlage ist die Schrift von Enneccerus zu betrachten, der mit ebenso großer Bestimmt¬ heit diesen Reformplan in allen seinen einzelnen Festsetzungen bedingungslos lobt und Zweifel und Bedenken, wie sie selbst von dem Finanzminister bei den frühern Landtagsverhandlungen angedeutet wordeu sind, nicht kennt. Enneecerus steigert seine Lobrede zu folgenden Sätzen: „Die volle Steuerreform ist eine folgerichtige Fortführung des preußischen Finanzwesens auf dem Wege, den es seit dem Jahre 1820 erst zögernd, dann immer entschiedncr und bewußter be¬ treten hat" und: „Der ganze Plan ist zweckmäßig, folgerichtig und gerecht. Die Durchführung desselben wird ein hvchbedeutender Fortschritt unsers staat¬ lichen und kommunalen Finanzwesens sein, welcher alles, was der preußische Staat im letzten Jahrhundert auf diesem Gebiete geschaffen, an innerer Begründung, folgerichtiger Durchbildung und praktischer Bedeutung weit überragt." Also die Aufhebung aller Ertragsteueru soll eine folgerichtige Fortführung des preußischen Finanzwesens sein, und doch sind erst im Jahre 1861 nach heißen Kämpfen die Hauptertragssteuern, nämlich Grund- und Gebäudesteuer, neu geordnet oder ganz neu eingeführt worden! Wer die damaligen Kämpfe miterlebt, wer damals erfahren hat, daß nur durch das kräftigste Eintreten Kaiser Wilhelms als Regenten und spätern Königs die Grund- und Gebäude¬ steuergesetze zustande gekommen sind, wer die damals allgemein gehegte Über¬ zeugung, daß eine gut verteilte Steuer vom Grund und Boden einschließlich der Gebäude das feste Rückgrat jeder Finanzverwaltung bilde, noch jetzt hegt, kann die Behauptung, daß die Aufhebung der Grund- und Gebäudesteuer eine folgerichtige Fortführung des preußischen Finanzwesens sei, wohl nur mit Lächeln begleiten. Die Reform führt durchaus in neue Bahnen, in einen „neuen Kurs." Auch daran möchten wir erinnern, daß die Ausführung der Grund- und Gebüudesteuergesetze in der kurzen Zeit von vier Jahren (1861 bis 1864) viel mehr als die Ausführung des jetzigen Reformplans ein Meisterstück des Jahr¬ hunderts, ein Werk ohne gleichen war. In allen Kreisen von Oppeln bis Stralsund, von Trier bis Gumbinnen waren große Kommissionen, nicht wie jetzt an einzelnen Tagen, sondern die ganzen vier Jahre hindurch mit Ab¬ schätzungen beschäftigt, viele tausend Geometer und Gevmetergehilfeu maßen, kartirten und rechneten, und das Finanzministerium, neben ihm die aus Mit¬ gliedern mehrerer Ministerien bestehende Zentralkommission, leiteten alle diese Tausende von Arbeitern und Beamten. Das geschaffne Werk, das Grund- und Gebäudesteuerkataster des preußischen Staats, steht hoch über allen gleichartigen Werken der übrigen Staaten; mit berechtigtem Stolz sehen Regierung und Volk auf dieses ihr eigenstes Werk. Ihm gegenüber erscheint das, was jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/253>, abgerufen am 22.12.2024.