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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Unsre Marine und ihre Pflichten im Frieden

zu Jahr gestiegen, und sie werden natürlich noch weiter steigen. Aber die
erste große Begeisterung für die Flotte Alldeutschlands ist im Niedergang,
das haben uns die Abstriche in den letzten Budgetverhandlungen bewiesen.
Warum?

Die Flotte ist ein teures Kind. Mit einem solchen aber, auf das man
so viel gewandt hat und noch wenden soll, will man anch gern Staat machen,
stolz darauf sein können, sich vor allen Dingen in irgendwie bedenklichen Lagen
darauf verlassen können. Statt dessen hört man jetzt die betrübende Frage:
Wo tritt die Marine in die Erscheinung? Wo mehrt sie die Ehre des
Reiches? Denn daß sie in einheimischen Gewässern kunstgerecht manövrirt,
damit allein imponirt sie noch nicht. Wir verlangen mehr von ihr: sichtbaren
Schutz deutscher Interessen im Auslande und ehrenvolle Vertretung des
deutschen Reiches, wo immer es sei. Hat die Marine diese hohen, berechtigten
Wünsche erfüllt?

Als in Chile der Bürgerkrieg raste, als die große Schar unsrer Lands¬
leute dort in Valdivia und Valparaiso bänglich nach den Rauchwolken aus¬
schaute, die aus den Schloten deutscher Kriegsschiffe am Horizont aufsteigen
möchten, von Schiffen, die ihnen Schutz gewähren möchten mit ihrem Ansehn
oder ihren Kanonen und im Notfall Frauen und Kinder an Bord nehmen
könnten, da lag das Kreuzergeschwader harmlos an der japanischen Küste und
war den Japanern behilflich, ihre Torpedos einzuschießen, und der Kladderadatsch
konnte den Reichskanzler versichern lassen:


Ich schicke meine Schiffe nicht;
Nein, meine Schiffe schick ich nicht!

Und als dann endlich das Geschwader doch kam, ja, da war das allermeiste
schon geschehn! In der Zwischenzeit war natürlich der gute Engländer ersucht
worden, doch ein mildes Auge auf die Angehörigen des deutschen Reichs zu
werfen; und das hatte er denn auch in seiner Gutmütigkeit gethan. Merk¬
würdig nur, daß er rechtzeitig seine Schiffe da hatte, wo sie hingehörten, und
noch einige andre Nationen mehr, z. B. die Uankees.

Als bei der brasilianischen Revolution alles drunter und drüber ging,
da verlautete es wohl dann und wann einmal, als ob auch wir demnächst
ebenso, wie z. B. Italien, ein Kriegsschiff hinüberschicken würden zum Schutze
der nicht wenigen Deutschen, die an der brasilianischen Küste leben, und
um wenigstens zu zeigen: Wir sind da und möchten Sie bitten, unsern
Landsleuten gegenüber sich möglichst ruhig zu verhalten. Aber es ging ja
auch so!

Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft; große schaden ihr
aber auch nicht, und gar keine können sie mindern. Als seiner Zeit in Eng¬
land irgend ein berühmtes Panzerschiff von Stapel lief, da wurde der kom-


Unsre Marine und ihre Pflichten im Frieden

zu Jahr gestiegen, und sie werden natürlich noch weiter steigen. Aber die
erste große Begeisterung für die Flotte Alldeutschlands ist im Niedergang,
das haben uns die Abstriche in den letzten Budgetverhandlungen bewiesen.
Warum?

Die Flotte ist ein teures Kind. Mit einem solchen aber, auf das man
so viel gewandt hat und noch wenden soll, will man anch gern Staat machen,
stolz darauf sein können, sich vor allen Dingen in irgendwie bedenklichen Lagen
darauf verlassen können. Statt dessen hört man jetzt die betrübende Frage:
Wo tritt die Marine in die Erscheinung? Wo mehrt sie die Ehre des
Reiches? Denn daß sie in einheimischen Gewässern kunstgerecht manövrirt,
damit allein imponirt sie noch nicht. Wir verlangen mehr von ihr: sichtbaren
Schutz deutscher Interessen im Auslande und ehrenvolle Vertretung des
deutschen Reiches, wo immer es sei. Hat die Marine diese hohen, berechtigten
Wünsche erfüllt?

Als in Chile der Bürgerkrieg raste, als die große Schar unsrer Lands¬
leute dort in Valdivia und Valparaiso bänglich nach den Rauchwolken aus¬
schaute, die aus den Schloten deutscher Kriegsschiffe am Horizont aufsteigen
möchten, von Schiffen, die ihnen Schutz gewähren möchten mit ihrem Ansehn
oder ihren Kanonen und im Notfall Frauen und Kinder an Bord nehmen
könnten, da lag das Kreuzergeschwader harmlos an der japanischen Küste und
war den Japanern behilflich, ihre Torpedos einzuschießen, und der Kladderadatsch
konnte den Reichskanzler versichern lassen:


Ich schicke meine Schiffe nicht;
Nein, meine Schiffe schick ich nicht!

Und als dann endlich das Geschwader doch kam, ja, da war das allermeiste
schon geschehn! In der Zwischenzeit war natürlich der gute Engländer ersucht
worden, doch ein mildes Auge auf die Angehörigen des deutschen Reichs zu
werfen; und das hatte er denn auch in seiner Gutmütigkeit gethan. Merk¬
würdig nur, daß er rechtzeitig seine Schiffe da hatte, wo sie hingehörten, und
noch einige andre Nationen mehr, z. B. die Uankees.

Als bei der brasilianischen Revolution alles drunter und drüber ging,
da verlautete es wohl dann und wann einmal, als ob auch wir demnächst
ebenso, wie z. B. Italien, ein Kriegsschiff hinüberschicken würden zum Schutze
der nicht wenigen Deutschen, die an der brasilianischen Küste leben, und
um wenigstens zu zeigen: Wir sind da und möchten Sie bitten, unsern
Landsleuten gegenüber sich möglichst ruhig zu verhalten. Aber es ging ja
auch so!

Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft; große schaden ihr
aber auch nicht, und gar keine können sie mindern. Als seiner Zeit in Eng¬
land irgend ein berühmtes Panzerschiff von Stapel lief, da wurde der kom-


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[0250] Unsre Marine und ihre Pflichten im Frieden zu Jahr gestiegen, und sie werden natürlich noch weiter steigen. Aber die erste große Begeisterung für die Flotte Alldeutschlands ist im Niedergang, das haben uns die Abstriche in den letzten Budgetverhandlungen bewiesen. Warum? Die Flotte ist ein teures Kind. Mit einem solchen aber, auf das man so viel gewandt hat und noch wenden soll, will man anch gern Staat machen, stolz darauf sein können, sich vor allen Dingen in irgendwie bedenklichen Lagen darauf verlassen können. Statt dessen hört man jetzt die betrübende Frage: Wo tritt die Marine in die Erscheinung? Wo mehrt sie die Ehre des Reiches? Denn daß sie in einheimischen Gewässern kunstgerecht manövrirt, damit allein imponirt sie noch nicht. Wir verlangen mehr von ihr: sichtbaren Schutz deutscher Interessen im Auslande und ehrenvolle Vertretung des deutschen Reiches, wo immer es sei. Hat die Marine diese hohen, berechtigten Wünsche erfüllt? Als in Chile der Bürgerkrieg raste, als die große Schar unsrer Lands¬ leute dort in Valdivia und Valparaiso bänglich nach den Rauchwolken aus¬ schaute, die aus den Schloten deutscher Kriegsschiffe am Horizont aufsteigen möchten, von Schiffen, die ihnen Schutz gewähren möchten mit ihrem Ansehn oder ihren Kanonen und im Notfall Frauen und Kinder an Bord nehmen könnten, da lag das Kreuzergeschwader harmlos an der japanischen Küste und war den Japanern behilflich, ihre Torpedos einzuschießen, und der Kladderadatsch konnte den Reichskanzler versichern lassen: Ich schicke meine Schiffe nicht; Nein, meine Schiffe schick ich nicht! Und als dann endlich das Geschwader doch kam, ja, da war das allermeiste schon geschehn! In der Zwischenzeit war natürlich der gute Engländer ersucht worden, doch ein mildes Auge auf die Angehörigen des deutschen Reichs zu werfen; und das hatte er denn auch in seiner Gutmütigkeit gethan. Merk¬ würdig nur, daß er rechtzeitig seine Schiffe da hatte, wo sie hingehörten, und noch einige andre Nationen mehr, z. B. die Uankees. Als bei der brasilianischen Revolution alles drunter und drüber ging, da verlautete es wohl dann und wann einmal, als ob auch wir demnächst ebenso, wie z. B. Italien, ein Kriegsschiff hinüberschicken würden zum Schutze der nicht wenigen Deutschen, die an der brasilianischen Küste leben, und um wenigstens zu zeigen: Wir sind da und möchten Sie bitten, unsern Landsleuten gegenüber sich möglichst ruhig zu verhalten. Aber es ging ja auch so! Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft; große schaden ihr aber auch nicht, und gar keine können sie mindern. Als seiner Zeit in Eng¬ land irgend ein berühmtes Panzerschiff von Stapel lief, da wurde der kom-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/250>, abgerufen am 23.07.2024.