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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Albrecht von Roon

ihre Schwester Henriette, die mit dem Hauptmann von Frankenberg in Alt-
Damm vermählt war. seiner an, und sein Vetter Ludwig von Frankenberg
nahm ihn Ende des Jahres 1814 oder Anfang 1815 mit nach Berlin, um
ihn für den Eintritt in ein Kadettenhaus vorbereiten zu lassen.

Im November 1816 trat Roon mit 32 Kameraden in das neugestaltete
Kadettenhaus zu Kulm in Westpreußen ein. Anderthalb Jahre hat er hier
an der äußersten Grenze deutscher Kultur, auf dem Boden, wo einst der
deutsche Ritterorden den Kampf um die Eroberung Preußens begonnen hatte,
zugebracht, ebenso lange dann seit 1818 in der Berliner Kadettenanstalt. Es
war eine harte Zeit für den einzelnen wie für den Staat. Noch blutete das
Land aus tausend Wunden. Handel und Gewerbe begannen sich erst mühsam
wieder zu beleben; es gab kaum eine Familie, die etwas von ihrem Schmuck
oder ihrem Silberzeug durch die Kriegsnot gerettet hatte. Die Güter waren
hoch verschuldet, ihr Wert im ganzen auf die Hälfte, in einzelnen Strichen
auf ein Viertel gesunken. Nur mit der allergrößten Mühe konnte der Staat
den drängendsten Verpflichtungen nachkommen. Kredit fand er kaum. Ein
knappes, dürftiges Wesen herrschte überall, im häuslichen wie im öffentlichen
Leben. Und doch hob über diese klägliche Enge weit hinaus die stolze Er¬
innerung an die ruhmreiche Erhebung und ihre Erfolge, an denen nicht selber
mit den Waffen in der Hand teilgenommen zu haben z. B. dem tapfern pom-
merschen Adel für eine Schande galt. An dem, was diese Zeit forderte und
besaß, kriegerischem Stolz, sittlicher Strenge und äußerster Genügsamkeit, hatte
der junge Roon seinen reichlichen Anteil. Seine nächsten Verwandten küm¬
merten sich nicht um ihn, nur die treuen Frankenbergs unterstützten ihn, soweit
sie vermochten, aber eine Ferienreise gab es für ihn in den ersten Jahren nie¬
mals, und als er nach Berlin übersiedelte, fuhren die Kadetten im kalten Mai
1818 ohne Mäntel auf offnen Leiterwagen tagelang durch die endlose Ebne
von der Weichsel nach der Hauptstadt. Erst zu Weihnachten desselben Jahres
sah er die Verwandten in Alt-Damm wieder; die gute Tante sandte ihm zur
Reise zwei Thaler und riet ihm, sich einen Mantel zu leihen. Aber in dem
trefflichen Kompagniechef zu Kulm, dem Hauptmann W. v. Chappuis, hatte
er einen wahren Vater gefunden; der herzliche Verkehr mit ihm und mit den
Kameraden mußte ihm die Familie ersetzen. So wuchs er zu einem bei allem
Ernste lebensfroher Menschen von großer Kraft und Geschicklichkeit heran, und
vor allem in seinen Studien erntete er das beste Lob; "er verspricht unend¬
lich viel," so lautete die Bemerkung auf seinem Kulmer Abgangszeugnis.
Um die Außenwelt kümmerte er sich nicht weiter, als sie ihn unmittelbar an¬
ging; die burschenschaftlichen Ideen, die auch in der Berliner Kadettenanstalt
Eingang fanden, wies er ohne Schwanken ab. So bestand er im Dezember
1820 seine Offiziersprüfung und erhielt am 9. Januar 1821 sein Patent als
Sekondeleutnant im vierzehnten Infanterieregiment.


Albrecht von Roon

ihre Schwester Henriette, die mit dem Hauptmann von Frankenberg in Alt-
Damm vermählt war. seiner an, und sein Vetter Ludwig von Frankenberg
nahm ihn Ende des Jahres 1814 oder Anfang 1815 mit nach Berlin, um
ihn für den Eintritt in ein Kadettenhaus vorbereiten zu lassen.

Im November 1816 trat Roon mit 32 Kameraden in das neugestaltete
Kadettenhaus zu Kulm in Westpreußen ein. Anderthalb Jahre hat er hier
an der äußersten Grenze deutscher Kultur, auf dem Boden, wo einst der
deutsche Ritterorden den Kampf um die Eroberung Preußens begonnen hatte,
zugebracht, ebenso lange dann seit 1818 in der Berliner Kadettenanstalt. Es
war eine harte Zeit für den einzelnen wie für den Staat. Noch blutete das
Land aus tausend Wunden. Handel und Gewerbe begannen sich erst mühsam
wieder zu beleben; es gab kaum eine Familie, die etwas von ihrem Schmuck
oder ihrem Silberzeug durch die Kriegsnot gerettet hatte. Die Güter waren
hoch verschuldet, ihr Wert im ganzen auf die Hälfte, in einzelnen Strichen
auf ein Viertel gesunken. Nur mit der allergrößten Mühe konnte der Staat
den drängendsten Verpflichtungen nachkommen. Kredit fand er kaum. Ein
knappes, dürftiges Wesen herrschte überall, im häuslichen wie im öffentlichen
Leben. Und doch hob über diese klägliche Enge weit hinaus die stolze Er¬
innerung an die ruhmreiche Erhebung und ihre Erfolge, an denen nicht selber
mit den Waffen in der Hand teilgenommen zu haben z. B. dem tapfern pom-
merschen Adel für eine Schande galt. An dem, was diese Zeit forderte und
besaß, kriegerischem Stolz, sittlicher Strenge und äußerster Genügsamkeit, hatte
der junge Roon seinen reichlichen Anteil. Seine nächsten Verwandten küm¬
merten sich nicht um ihn, nur die treuen Frankenbergs unterstützten ihn, soweit
sie vermochten, aber eine Ferienreise gab es für ihn in den ersten Jahren nie¬
mals, und als er nach Berlin übersiedelte, fuhren die Kadetten im kalten Mai
1818 ohne Mäntel auf offnen Leiterwagen tagelang durch die endlose Ebne
von der Weichsel nach der Hauptstadt. Erst zu Weihnachten desselben Jahres
sah er die Verwandten in Alt-Damm wieder; die gute Tante sandte ihm zur
Reise zwei Thaler und riet ihm, sich einen Mantel zu leihen. Aber in dem
trefflichen Kompagniechef zu Kulm, dem Hauptmann W. v. Chappuis, hatte
er einen wahren Vater gefunden; der herzliche Verkehr mit ihm und mit den
Kameraden mußte ihm die Familie ersetzen. So wuchs er zu einem bei allem
Ernste lebensfroher Menschen von großer Kraft und Geschicklichkeit heran, und
vor allem in seinen Studien erntete er das beste Lob; „er verspricht unend¬
lich viel," so lautete die Bemerkung auf seinem Kulmer Abgangszeugnis.
Um die Außenwelt kümmerte er sich nicht weiter, als sie ihn unmittelbar an¬
ging; die burschenschaftlichen Ideen, die auch in der Berliner Kadettenanstalt
Eingang fanden, wies er ohne Schwanken ab. So bestand er im Dezember
1820 seine Offiziersprüfung und erhielt am 9. Januar 1821 sein Patent als
Sekondeleutnant im vierzehnten Infanterieregiment.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/221>, abgerufen am 23.12.2024.