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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Albrecht von Roon

Theodor Perthes in Bonn (gestorben 1867), an Bismcirck, Moritz von Blancken-
burg, den spätern Kaiser Wilhelm u. a. gerichtet oder von diesen an Roon
geschrieben sind. Je weiter die Darstellung vorschreitet, desto zahlreicher und
interessanter werden diese Briefe. Von besonders hervorragendem Interesse
sind die aus den Bewegungsjahren 1848 und 1849, aus der Kvnsliktszeit seit
Roons Ernennung zum Kriegsminister (1859) und aus den drei großen Kriegen,
besonders aus dem von 1866 und dem deutsch-französischen, die Roon ja beide
im Gefolge seines Kriegsherrn mitgemacht hat. Das hauptsächlichste Interesse,
das sie erregen, liegt nicht gerade in der Mitteilung bisher unbekannter That¬
sachen, obwohl natürlich auch in dieser Beziehung die Ausbeute nicht gering
ist, sondern vielmehr in der Weise, wie ein Mann solcher Art und von so hervor¬
ragender Stellung die Thatsachen ansah und auffaßte. Zu diesen Briefen
treten einzelne Denkschriften, die vollständig oder im Auszuge mitgeteilt werden,
und der in seiner Schlichtheit tief ergreifende Bericht der Gräfin Roon (ge¬
storben 1885) über die letzten Tage und das Ende ihres Gemahls. Der
Herausgeber selbst, der älteste Sohn des Ministers, Graf Waldemar von Roon,
hat sich darauf beschränkt, eine Art von verbindenden Text zu liefern oder
dort, wo Briefe u. dergl. nicht in hinreichender Fülle vorhanden gewesen sein
mögen, eine zusammenhängende Erzählung des Lebensganges seines Vaters
aus den Überlieferungen der Familie zu geben; eine eigentliche Lebensbeschrei¬
bung zu versuchen lehnt er schon in der Vorrede bescheiden ab, nur Mate¬
rialien für eine solche will er bieten. So weit dabei ein Standpunkt hervor-
tritt, ist es der streng konservativ-monarchische des Vaters. Nicht über alle
Beziehungen desselben wird dabei gleichmäßiges Licht verbreitet. So erfährt
man z. B. zwar recht viel über das Verhältnis Roons zu Kaiser Wilhelm
und zu Bismcirck, aber nur sehr wenig über die persönlichen Beziehungen zu
Moltke, woraus mau wohl wird schließen dürfen, daß diese mindestens nicht
besonders eng gewesen seien. Daß beide in der Führung des dänischen Krieges
und in der Frage der Beschießung von Paris uicht übereingestimmt haben,
tritt jedoch deutlich hervor (vergl. z.B. II. 169 ff. 497 ff.), und Reibungen
andrer Art ergeben sich aus der Beilage zum zweiten Bande über "die Stel¬
lung des Kriegsministers in Kriegszeiten," worin der Herausgeber die Frage,
ob der Kriegsminister in diesem Falle ins Hauptquartier oder nach Berlin
gehöre, im erstern Sinne entscheidet und dabei den Generalstabschef nur als
einen der Gehilfen des Kriegsherrn gelten läßt.

Das Hauptinteresse an dein Buche liegt aber weniger in der spätern
Thätigkeit Roons, als in den Jahren bis 1862. Denn seit 1862 wird er
allmählich von der Riesengestalt seines Amtsgenossen Bismarck überschattet,
und die oberste technische Leitung der drei Kriege hatte nicht er, sondern Moltke.
Im Vordergrunde steht er dagegen 1859 bis 1862; in diese drei Jahre fällt
auch seine größte selbständige That, die Schöpfung des neuen Heeres und


Albrecht von Roon

Theodor Perthes in Bonn (gestorben 1867), an Bismcirck, Moritz von Blancken-
burg, den spätern Kaiser Wilhelm u. a. gerichtet oder von diesen an Roon
geschrieben sind. Je weiter die Darstellung vorschreitet, desto zahlreicher und
interessanter werden diese Briefe. Von besonders hervorragendem Interesse
sind die aus den Bewegungsjahren 1848 und 1849, aus der Kvnsliktszeit seit
Roons Ernennung zum Kriegsminister (1859) und aus den drei großen Kriegen,
besonders aus dem von 1866 und dem deutsch-französischen, die Roon ja beide
im Gefolge seines Kriegsherrn mitgemacht hat. Das hauptsächlichste Interesse,
das sie erregen, liegt nicht gerade in der Mitteilung bisher unbekannter That¬
sachen, obwohl natürlich auch in dieser Beziehung die Ausbeute nicht gering
ist, sondern vielmehr in der Weise, wie ein Mann solcher Art und von so hervor¬
ragender Stellung die Thatsachen ansah und auffaßte. Zu diesen Briefen
treten einzelne Denkschriften, die vollständig oder im Auszuge mitgeteilt werden,
und der in seiner Schlichtheit tief ergreifende Bericht der Gräfin Roon (ge¬
storben 1885) über die letzten Tage und das Ende ihres Gemahls. Der
Herausgeber selbst, der älteste Sohn des Ministers, Graf Waldemar von Roon,
hat sich darauf beschränkt, eine Art von verbindenden Text zu liefern oder
dort, wo Briefe u. dergl. nicht in hinreichender Fülle vorhanden gewesen sein
mögen, eine zusammenhängende Erzählung des Lebensganges seines Vaters
aus den Überlieferungen der Familie zu geben; eine eigentliche Lebensbeschrei¬
bung zu versuchen lehnt er schon in der Vorrede bescheiden ab, nur Mate¬
rialien für eine solche will er bieten. So weit dabei ein Standpunkt hervor-
tritt, ist es der streng konservativ-monarchische des Vaters. Nicht über alle
Beziehungen desselben wird dabei gleichmäßiges Licht verbreitet. So erfährt
man z. B. zwar recht viel über das Verhältnis Roons zu Kaiser Wilhelm
und zu Bismcirck, aber nur sehr wenig über die persönlichen Beziehungen zu
Moltke, woraus mau wohl wird schließen dürfen, daß diese mindestens nicht
besonders eng gewesen seien. Daß beide in der Führung des dänischen Krieges
und in der Frage der Beschießung von Paris uicht übereingestimmt haben,
tritt jedoch deutlich hervor (vergl. z.B. II. 169 ff. 497 ff.), und Reibungen
andrer Art ergeben sich aus der Beilage zum zweiten Bande über „die Stel¬
lung des Kriegsministers in Kriegszeiten," worin der Herausgeber die Frage,
ob der Kriegsminister in diesem Falle ins Hauptquartier oder nach Berlin
gehöre, im erstern Sinne entscheidet und dabei den Generalstabschef nur als
einen der Gehilfen des Kriegsherrn gelten läßt.

Das Hauptinteresse an dein Buche liegt aber weniger in der spätern
Thätigkeit Roons, als in den Jahren bis 1862. Denn seit 1862 wird er
allmählich von der Riesengestalt seines Amtsgenossen Bismarck überschattet,
und die oberste technische Leitung der drei Kriege hatte nicht er, sondern Moltke.
Im Vordergrunde steht er dagegen 1859 bis 1862; in diese drei Jahre fällt
auch seine größte selbständige That, die Schöpfung des neuen Heeres und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/218>, abgerufen am 23.07.2024.