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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Mitgliedern, ihr Organ, die "Deutsche Kolonialzeitung," hat etwa eben soviel
und noch mehr Leser, was um so mehr sagen will, wenn man bedenkt, wie
gern so viele innerlich mit einer Sache sympathisiren, wie schwer sie aber
aufzurütteln und zu einer mit Mühe und Kosten verbundnen Thätigkeit heran¬
zuziehen sind. Einen Anhalt für die Anzahl der Freunde der deutschen Ko-
louinlpolitik hat man auch an der Menge der Zeitungen und Zeitschriften, die
die Aufmerksamkeit und die Neugier ihrer Abomieuten durch Aufsätze, Reise¬
berichte, Schilderungen und telegraphische und andre Mitteilungen wach er¬
halten. Zu ihnen kommen die kirchlichen Kreise und die Missionsvereine,
sowie endlich die nicht geringe Zahl derer, die in der Marine, auf Handels¬
schiffen und im internationalen Verkehr beschäftigte Angehörige haben, durch die
sie veranlaßt werden, gleich diesen selbst auch an der Entwicklung der deutschen
Kolonien Anteil zu nehmen. Die Deutschen, die aus dem Vaterlande aus¬
gewandert sind und sich in der Fremde angesiedelt haben, sind sicherlich, wie
durchweg zu begeisterten Anhängern der Reichseinheit, so auch zu deu über¬
zeugten Freunden der kolonialen Arbeit zu rechnen. Wo sind dagegen die
koloniefeindlichen Vereine und Gesellschaften, wo haben sich die "Gegner" zu
einer großen Organisation zuscunmeuthun können, um eine so umfassende und
regsame Bewegung zu hemmen, zu unterdrücken, zu töten? Gegnerschaft aus
politischen Nebenzwecken, die mit den Kolonien nichts zu thun haben, ist leine
wahre, ernste und furchtbare Gegnerschaft. Es wird immer Politiker geben,
die is, KiüsstZ spekuliren, die jede Niederlage ihrer Regierung mit Freuden be¬
grüßen, es giebt also auch Politiker, die schließlich der Beeinträchtigung der
Einheit und der Aufopferung der auswärtigen von uns besetzten Gebiete noch
Geschmack abgewinnen würden, die sie vielleicht sogar mit hämischer Schaden¬
freude erleben würden, aber die öffentliche Meinung sind sie und vertreten sie
nun und nimmermehr.

Man kann es gegenwärtig an dem Beispiel Englands sehen, welchen
Rückhalt die moderne Kolonialbewcgung an der öffentlichen Meinung der großen
Nationen und der führenden Industrieländer hat. Die englische Regierung
weiß, mit welchen Kosten vie Unterwerfung des schönen zentralafrikanischen
Landes der tapfern Wagcmda verbunden sein wird, sie weiß, welche Wechsel¬
fälle vou Erfolg und Mißgeschick die Fortsetzung der begonnenen Versuche
hervorrufen kann, und wie schwer es insbesondre halten wird, eine gute und
bequeme Verbindung mit der Küste bei Mombas herzustellen, sie hätte an¬
gesichts dieser Schwierigkeiten nicht übel Lust, das Unternehmen aufzugeben.
Aber sie weiß auch, wie vorsichtig sie verfahren muß, um sich nicht bei dein
englischen Volke bloßzustellen, und sie verfährt auch wirklich so vorsichtig, daß
man zweifeln muß, ob es ihr mit der Räumung Ernst sei. Gladstone hat
vor den Parlamentswahlen geredet und versprochen, aber wie schweigsam ist
er jetzt! Welche Winkelzüge macht Lord Rvsebery in seinen ministeriellen


Mitgliedern, ihr Organ, die „Deutsche Kolonialzeitung," hat etwa eben soviel
und noch mehr Leser, was um so mehr sagen will, wenn man bedenkt, wie
gern so viele innerlich mit einer Sache sympathisiren, wie schwer sie aber
aufzurütteln und zu einer mit Mühe und Kosten verbundnen Thätigkeit heran¬
zuziehen sind. Einen Anhalt für die Anzahl der Freunde der deutschen Ko-
louinlpolitik hat man auch an der Menge der Zeitungen und Zeitschriften, die
die Aufmerksamkeit und die Neugier ihrer Abomieuten durch Aufsätze, Reise¬
berichte, Schilderungen und telegraphische und andre Mitteilungen wach er¬
halten. Zu ihnen kommen die kirchlichen Kreise und die Missionsvereine,
sowie endlich die nicht geringe Zahl derer, die in der Marine, auf Handels¬
schiffen und im internationalen Verkehr beschäftigte Angehörige haben, durch die
sie veranlaßt werden, gleich diesen selbst auch an der Entwicklung der deutschen
Kolonien Anteil zu nehmen. Die Deutschen, die aus dem Vaterlande aus¬
gewandert sind und sich in der Fremde angesiedelt haben, sind sicherlich, wie
durchweg zu begeisterten Anhängern der Reichseinheit, so auch zu deu über¬
zeugten Freunden der kolonialen Arbeit zu rechnen. Wo sind dagegen die
koloniefeindlichen Vereine und Gesellschaften, wo haben sich die „Gegner" zu
einer großen Organisation zuscunmeuthun können, um eine so umfassende und
regsame Bewegung zu hemmen, zu unterdrücken, zu töten? Gegnerschaft aus
politischen Nebenzwecken, die mit den Kolonien nichts zu thun haben, ist leine
wahre, ernste und furchtbare Gegnerschaft. Es wird immer Politiker geben,
die is, KiüsstZ spekuliren, die jede Niederlage ihrer Regierung mit Freuden be¬
grüßen, es giebt also auch Politiker, die schließlich der Beeinträchtigung der
Einheit und der Aufopferung der auswärtigen von uns besetzten Gebiete noch
Geschmack abgewinnen würden, die sie vielleicht sogar mit hämischer Schaden¬
freude erleben würden, aber die öffentliche Meinung sind sie und vertreten sie
nun und nimmermehr.

Man kann es gegenwärtig an dem Beispiel Englands sehen, welchen
Rückhalt die moderne Kolonialbewcgung an der öffentlichen Meinung der großen
Nationen und der führenden Industrieländer hat. Die englische Regierung
weiß, mit welchen Kosten vie Unterwerfung des schönen zentralafrikanischen
Landes der tapfern Wagcmda verbunden sein wird, sie weiß, welche Wechsel¬
fälle vou Erfolg und Mißgeschick die Fortsetzung der begonnenen Versuche
hervorrufen kann, und wie schwer es insbesondre halten wird, eine gute und
bequeme Verbindung mit der Küste bei Mombas herzustellen, sie hätte an¬
gesichts dieser Schwierigkeiten nicht übel Lust, das Unternehmen aufzugeben.
Aber sie weiß auch, wie vorsichtig sie verfahren muß, um sich nicht bei dein
englischen Volke bloßzustellen, und sie verfährt auch wirklich so vorsichtig, daß
man zweifeln muß, ob es ihr mit der Räumung Ernst sei. Gladstone hat
vor den Parlamentswahlen geredet und versprochen, aber wie schweigsam ist
er jetzt! Welche Winkelzüge macht Lord Rvsebery in seinen ministeriellen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/210>, abgerufen am 25.08.2024.