Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Fischerleben auf der Adra

Darunter befinden sich vor allein mancherlei Fische, auch solche, die nur von
den Fischern unter sie gerechnet werden, in Wirklichkeit aber keine sind, wie
Tintenfische, Sepien und andre Kopffüßer. Derlei hält sich an den Maschen
des Netzes festgeklammert. Ein unverhofftes Beutestück andrer Art dagegen
ist der Hai, der mitunter auf der Jagd hinter den Thuner her sich in das Tau¬
werk verstrickt. Wenn man die Anwesenheit eines solchen Gastes wahrnimmt,
dann heißt es, das Netz so rasch als möglich herausziehen, weil er es sonst
unfehlbar durchbeißt und dann mit ihm auch die Thüre sich auf Nimmer-
wiedersehn empfehlen. Alles läuft dann, um Beile, Bootshaken und ähnliche
Werkzeuge zu holen, um für alle Fälle, die sich mit der Ankunft des Ungetüms
ereignen können, bereit zu stehen.

Ich selbst war bei einem solchen Auftritt gegenwärtig, der fest in meiner
Erinnerung haftet. Plötzlich entstand während des Herausziehens des Netzes
ein Geschrei, neben dem das übrige Unser und Brüllen fast wie ein Gelispel
klang. Nachträglich, nicht in der Totenkammer, sondern am Ende des Flecht¬
werts, kam eines jener Ungetüme zum Vorschein, das die Slaven vol (Ochs),
die Italiener xc?8vo nmnM (MtickimuL Sri^us (no.) nennen, ein rotbrauner
Hai. Er war einige Meter lang. Man tötete ihn dadurch, daß man ihn in
der Schwebe im Netz hängen ließ, bis er durch Mangel um Luft zu Grunde
gegangen war. Bald lag die Bestie zwischen den Felsen des Gestades auf dem
Sand und gemahnte mit ihrer Körperwucht an die Dickhäuter, die noch den
Grund bevölkerten, als eben dieser Sand aus dem Meere sich niederschlug.
Dieser "Ochs" fühlte sich fein und sammtig an, wenn man vom Schädel ab¬
wärts strich, dagegen rauh und borstig, wenn man die Hand in umgekehrter
Richtung bewegte. Die Stachelflosfe starrte ihm weit unten aus dem Rücken.
Seine rundlichen Zahnreihen waren ein ganzes Zeughaus. Weißliche Fleisch¬
trümmer, die mit ihm ans dein Netze gehoben worden waren, konnten es be¬
zeugen. Es waren Überreste von Delphinen, die er in seiner Todesangst von
sich gegeben hatte. Über dem Gewimmel der Wogen an dein mit Blut be¬
feuchtete" Strande trieben sich Möven umher, ihres Anteils an der Beute
gewärtig.

Übrigens ist die Erlegung eines derartigen Tiers, obwohl man weder
mit dem Fleisch noch mit andern Teilen des Körpers -- vielleicht Stücke der
rauhen Haut ausgenommen, die man als Reibflächen zum Anbrennen von
Zündhölzchen benutzt -- etwas anfangen kann, doch nicht so ganz ohne Nutzen
für die Fischer. Allerdings wäre die Bestie imstande, schauderhaft unter den
Thüren aufzuräumen, und es fehlt nicht an Gewährsmännern, die behaupten,
daß ein Hai imstande sei, mehrere dieser großen Fische auf einmal zu ver¬
schlucken. Deshalb erhalten die Männer für den Fang eines solchen Tiers
aus der Gattung Lg.rolmrm8 eine Geldbelohnung, die sicherlich mit ebenso viel
Recht ausgesetzt worden ist, wie auf das Töten eines Wolfs oder eines


Fischerleben auf der Adra

Darunter befinden sich vor allein mancherlei Fische, auch solche, die nur von
den Fischern unter sie gerechnet werden, in Wirklichkeit aber keine sind, wie
Tintenfische, Sepien und andre Kopffüßer. Derlei hält sich an den Maschen
des Netzes festgeklammert. Ein unverhofftes Beutestück andrer Art dagegen
ist der Hai, der mitunter auf der Jagd hinter den Thuner her sich in das Tau¬
werk verstrickt. Wenn man die Anwesenheit eines solchen Gastes wahrnimmt,
dann heißt es, das Netz so rasch als möglich herausziehen, weil er es sonst
unfehlbar durchbeißt und dann mit ihm auch die Thüre sich auf Nimmer-
wiedersehn empfehlen. Alles läuft dann, um Beile, Bootshaken und ähnliche
Werkzeuge zu holen, um für alle Fälle, die sich mit der Ankunft des Ungetüms
ereignen können, bereit zu stehen.

Ich selbst war bei einem solchen Auftritt gegenwärtig, der fest in meiner
Erinnerung haftet. Plötzlich entstand während des Herausziehens des Netzes
ein Geschrei, neben dem das übrige Unser und Brüllen fast wie ein Gelispel
klang. Nachträglich, nicht in der Totenkammer, sondern am Ende des Flecht¬
werts, kam eines jener Ungetüme zum Vorschein, das die Slaven vol (Ochs),
die Italiener xc?8vo nmnM (MtickimuL Sri^us (no.) nennen, ein rotbrauner
Hai. Er war einige Meter lang. Man tötete ihn dadurch, daß man ihn in
der Schwebe im Netz hängen ließ, bis er durch Mangel um Luft zu Grunde
gegangen war. Bald lag die Bestie zwischen den Felsen des Gestades auf dem
Sand und gemahnte mit ihrer Körperwucht an die Dickhäuter, die noch den
Grund bevölkerten, als eben dieser Sand aus dem Meere sich niederschlug.
Dieser „Ochs" fühlte sich fein und sammtig an, wenn man vom Schädel ab¬
wärts strich, dagegen rauh und borstig, wenn man die Hand in umgekehrter
Richtung bewegte. Die Stachelflosfe starrte ihm weit unten aus dem Rücken.
Seine rundlichen Zahnreihen waren ein ganzes Zeughaus. Weißliche Fleisch¬
trümmer, die mit ihm ans dein Netze gehoben worden waren, konnten es be¬
zeugen. Es waren Überreste von Delphinen, die er in seiner Todesangst von
sich gegeben hatte. Über dem Gewimmel der Wogen an dein mit Blut be¬
feuchtete» Strande trieben sich Möven umher, ihres Anteils an der Beute
gewärtig.

Übrigens ist die Erlegung eines derartigen Tiers, obwohl man weder
mit dem Fleisch noch mit andern Teilen des Körpers — vielleicht Stücke der
rauhen Haut ausgenommen, die man als Reibflächen zum Anbrennen von
Zündhölzchen benutzt — etwas anfangen kann, doch nicht so ganz ohne Nutzen
für die Fischer. Allerdings wäre die Bestie imstande, schauderhaft unter den
Thüren aufzuräumen, und es fehlt nicht an Gewährsmännern, die behaupten,
daß ein Hai imstande sei, mehrere dieser großen Fische auf einmal zu ver¬
schlucken. Deshalb erhalten die Männer für den Fang eines solchen Tiers
aus der Gattung Lg.rolmrm8 eine Geldbelohnung, die sicherlich mit ebenso viel
Recht ausgesetzt worden ist, wie auf das Töten eines Wolfs oder eines


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212564"/>
          <fw type="header" place="top"> Fischerleben auf der Adra</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_224" prev="#ID_223"> Darunter befinden sich vor allein mancherlei Fische, auch solche, die nur von<lb/>
den Fischern unter sie gerechnet werden, in Wirklichkeit aber keine sind, wie<lb/>
Tintenfische, Sepien und andre Kopffüßer. Derlei hält sich an den Maschen<lb/>
des Netzes festgeklammert. Ein unverhofftes Beutestück andrer Art dagegen<lb/>
ist der Hai, der mitunter auf der Jagd hinter den Thuner her sich in das Tau¬<lb/>
werk verstrickt. Wenn man die Anwesenheit eines solchen Gastes wahrnimmt,<lb/>
dann heißt es, das Netz so rasch als möglich herausziehen, weil er es sonst<lb/>
unfehlbar durchbeißt und dann mit ihm auch die Thüre sich auf Nimmer-<lb/>
wiedersehn empfehlen. Alles läuft dann, um Beile, Bootshaken und ähnliche<lb/>
Werkzeuge zu holen, um für alle Fälle, die sich mit der Ankunft des Ungetüms<lb/>
ereignen können, bereit zu stehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_225"> Ich selbst war bei einem solchen Auftritt gegenwärtig, der fest in meiner<lb/>
Erinnerung haftet. Plötzlich entstand während des Herausziehens des Netzes<lb/>
ein Geschrei, neben dem das übrige Unser und Brüllen fast wie ein Gelispel<lb/>
klang. Nachträglich, nicht in der Totenkammer, sondern am Ende des Flecht¬<lb/>
werts, kam eines jener Ungetüme zum Vorschein, das die Slaven vol (Ochs),<lb/>
die Italiener xc?8vo nmnM (MtickimuL Sri^us (no.) nennen, ein rotbrauner<lb/>
Hai. Er war einige Meter lang. Man tötete ihn dadurch, daß man ihn in<lb/>
der Schwebe im Netz hängen ließ, bis er durch Mangel um Luft zu Grunde<lb/>
gegangen war. Bald lag die Bestie zwischen den Felsen des Gestades auf dem<lb/>
Sand und gemahnte mit ihrer Körperwucht an die Dickhäuter, die noch den<lb/>
Grund bevölkerten, als eben dieser Sand aus dem Meere sich niederschlug.<lb/>
Dieser &#x201E;Ochs" fühlte sich fein und sammtig an, wenn man vom Schädel ab¬<lb/>
wärts strich, dagegen rauh und borstig, wenn man die Hand in umgekehrter<lb/>
Richtung bewegte. Die Stachelflosfe starrte ihm weit unten aus dem Rücken.<lb/>
Seine rundlichen Zahnreihen waren ein ganzes Zeughaus. Weißliche Fleisch¬<lb/>
trümmer, die mit ihm ans dein Netze gehoben worden waren, konnten es be¬<lb/>
zeugen. Es waren Überreste von Delphinen, die er in seiner Todesangst von<lb/>
sich gegeben hatte. Über dem Gewimmel der Wogen an dein mit Blut be¬<lb/>
feuchtete» Strande trieben sich Möven umher, ihres Anteils an der Beute<lb/>
gewärtig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_226" next="#ID_227"> Übrigens ist die Erlegung eines derartigen Tiers, obwohl man weder<lb/>
mit dem Fleisch noch mit andern Teilen des Körpers &#x2014; vielleicht Stücke der<lb/>
rauhen Haut ausgenommen, die man als Reibflächen zum Anbrennen von<lb/>
Zündhölzchen benutzt &#x2014; etwas anfangen kann, doch nicht so ganz ohne Nutzen<lb/>
für die Fischer. Allerdings wäre die Bestie imstande, schauderhaft unter den<lb/>
Thüren aufzuräumen, und es fehlt nicht an Gewährsmännern, die behaupten,<lb/>
daß ein Hai imstande sei, mehrere dieser großen Fische auf einmal zu ver¬<lb/>
schlucken. Deshalb erhalten die Männer für den Fang eines solchen Tiers<lb/>
aus der Gattung Lg.rolmrm8 eine Geldbelohnung, die sicherlich mit ebenso viel<lb/>
Recht ausgesetzt worden ist, wie auf das Töten eines Wolfs oder eines</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0088] Fischerleben auf der Adra Darunter befinden sich vor allein mancherlei Fische, auch solche, die nur von den Fischern unter sie gerechnet werden, in Wirklichkeit aber keine sind, wie Tintenfische, Sepien und andre Kopffüßer. Derlei hält sich an den Maschen des Netzes festgeklammert. Ein unverhofftes Beutestück andrer Art dagegen ist der Hai, der mitunter auf der Jagd hinter den Thuner her sich in das Tau¬ werk verstrickt. Wenn man die Anwesenheit eines solchen Gastes wahrnimmt, dann heißt es, das Netz so rasch als möglich herausziehen, weil er es sonst unfehlbar durchbeißt und dann mit ihm auch die Thüre sich auf Nimmer- wiedersehn empfehlen. Alles läuft dann, um Beile, Bootshaken und ähnliche Werkzeuge zu holen, um für alle Fälle, die sich mit der Ankunft des Ungetüms ereignen können, bereit zu stehen. Ich selbst war bei einem solchen Auftritt gegenwärtig, der fest in meiner Erinnerung haftet. Plötzlich entstand während des Herausziehens des Netzes ein Geschrei, neben dem das übrige Unser und Brüllen fast wie ein Gelispel klang. Nachträglich, nicht in der Totenkammer, sondern am Ende des Flecht¬ werts, kam eines jener Ungetüme zum Vorschein, das die Slaven vol (Ochs), die Italiener xc?8vo nmnM (MtickimuL Sri^us (no.) nennen, ein rotbrauner Hai. Er war einige Meter lang. Man tötete ihn dadurch, daß man ihn in der Schwebe im Netz hängen ließ, bis er durch Mangel um Luft zu Grunde gegangen war. Bald lag die Bestie zwischen den Felsen des Gestades auf dem Sand und gemahnte mit ihrer Körperwucht an die Dickhäuter, die noch den Grund bevölkerten, als eben dieser Sand aus dem Meere sich niederschlug. Dieser „Ochs" fühlte sich fein und sammtig an, wenn man vom Schädel ab¬ wärts strich, dagegen rauh und borstig, wenn man die Hand in umgekehrter Richtung bewegte. Die Stachelflosfe starrte ihm weit unten aus dem Rücken. Seine rundlichen Zahnreihen waren ein ganzes Zeughaus. Weißliche Fleisch¬ trümmer, die mit ihm ans dein Netze gehoben worden waren, konnten es be¬ zeugen. Es waren Überreste von Delphinen, die er in seiner Todesangst von sich gegeben hatte. Über dem Gewimmel der Wogen an dein mit Blut be¬ feuchtete» Strande trieben sich Möven umher, ihres Anteils an der Beute gewärtig. Übrigens ist die Erlegung eines derartigen Tiers, obwohl man weder mit dem Fleisch noch mit andern Teilen des Körpers — vielleicht Stücke der rauhen Haut ausgenommen, die man als Reibflächen zum Anbrennen von Zündhölzchen benutzt — etwas anfangen kann, doch nicht so ganz ohne Nutzen für die Fischer. Allerdings wäre die Bestie imstande, schauderhaft unter den Thüren aufzuräumen, und es fehlt nicht an Gewährsmännern, die behaupten, daß ein Hai imstande sei, mehrere dieser großen Fische auf einmal zu ver¬ schlucken. Deshalb erhalten die Männer für den Fang eines solchen Tiers aus der Gattung Lg.rolmrm8 eine Geldbelohnung, die sicherlich mit ebenso viel Recht ausgesetzt worden ist, wie auf das Töten eines Wolfs oder eines

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/88
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/88>, abgerufen am 08.01.2025.