Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Fischerleben auf der Adria Habe er es aber schon in seine Hütte gebracht, so sei es in Sicherheit. Hierin Von derlei Vorgängen und Übungen habe ich an unsrer Küste niemals Diese Leute, die sich mit dem Thunfischfang abgeben, sind weder aus Es ist selbstverständlich, daß bei einem solchen Zug auch mitunter Ge¬ Fischerleben auf der Adria Habe er es aber schon in seine Hütte gebracht, so sei es in Sicherheit. Hierin Von derlei Vorgängen und Übungen habe ich an unsrer Küste niemals Diese Leute, die sich mit dem Thunfischfang abgeben, sind weder aus Es ist selbstverständlich, daß bei einem solchen Zug auch mitunter Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212563"/> <fw type="header" place="top"> Fischerleben auf der Adria</fw><lb/> <p xml:id="ID_220" prev="#ID_219"> Habe er es aber schon in seine Hütte gebracht, so sei es in Sicherheit. Hierin<lb/> liege eine gewisse Billigkeit; denn der Lohn, um den der Unternehmer die<lb/> Arbeiter dinge, stehe mit der ihnen ausgegebnen Arbeit in keinem Verhältnis,<lb/> und um einen Ausgleich zu treffen, müsse zu dem versprochnen Lohne noch<lb/> eine gewisse Zugabe kommen. Aus diesem Grunde läßt der Patrone das<lb/> Stehlen uuter der Bedingung zu, daß es geschehe, ohne ihm kund zu werden.<lb/> Diese Art von stillschweigendem Übereinkommen und der Gebrauch, daß der<lb/> Patrone sein Eigentum rettet, wenn er den Räuber fängt, macht ihn und seine<lb/> Beamten außerordentlich aufmerksam, wogegen die Diebe, die weder Be¬<lb/> schimpfungen noch Strafe, sondern nur Verlust des Gutes zu befürchten haben,<lb/> überaus dreist und flink sein müssen. Beim Stehlen einzelner Stücke lassen<lb/> sie es nicht bewenden; das Beutemachen erstreckt sich auf ganze Thüre, und sie<lb/> wissen tausenderlei Kunstgriffe anzuwenden, um sie in Sicherheit zu bringen.<lb/> Mit der Hurtigkeit eines Taschenspielers lassen sie einen Thun verschwinden,<lb/> wie ein andrer eine Sardelle einsteckt.</p><lb/> <p xml:id="ID_221"> Von derlei Vorgängen und Übungen habe ich an unsrer Küste niemals<lb/> etwas gehört. Es ist das offenbar eine Lücke in ihrer Kultur. Dagegen<lb/> dürfte dort, unter den Sardiniern und Provenyalen, auch der naive Brauch<lb/> nicht vorkommen, den man, wie Dragutin Hire in seinem Urv-z-tslco ?riurorss<lb/> (Das kroatische Küstenland) erzählt, noch immer bei den Vorbereitungen zum<lb/> Fang beobachtet. Es wird berichtet, daß die Fischer, wenn sie die Netze in<lb/> Bncarizza, wo sie aufbewahrt werden, abholen, um sie auf den Fischplatz nach<lb/> Bueeari zu bringen, unterwegs von der Barke aus ins Meer hinein reden,<lb/> als ob sie mit dem Thunfisch sprächen, und sagen: Siehst du, das ist sür dich<lb/> der Weg zur Tonnara! (Fangplatz).</p><lb/> <p xml:id="ID_222"> Diese Leute, die sich mit dem Thunfischfang abgeben, sind weder aus<lb/> Preluka, noch aus Abbazia, noch aus Bnceari, noch aus irgend einem andern<lb/> der benachbarten Küstenorte, sondern sie kommen fast samt und sonders aus<lb/> dem weiter südlich gelegnen Cirkvenica, weshalb man sie Kirci nennt. Darauf<lb/> deutet auch die Bezeichnung des kleinen Molo hin, eines aus Steinen zu¬<lb/> sammengesetzten halbinselfvrmigen Baues, der sich um Ufer jedes Fangplatzes<lb/> befindet, und auf dem einige Säulen zum Befestigen der Winden und Taue<lb/> angebracht sind. Einen solchen Bau nennt man „kirskischen Landsporn"<lb/> (IQrsKi xuutio). Dort sitzen diese Männer, den Kopf mit langen blauen<lb/> Mützen bedeckt, und treiben allerlei seemännische Allotria, indem sie Polenta<lb/> kochen, Netze flicken, Löcher in den Jacken zusammennähen, rauchen oder<lb/> auch bloß tiefsinnig ins Wasser schauen, bis die Wache, die oben auf dem<lb/> Korbe der Stange sitzt, dieses Stillleben durch den Ruf, der die Ankunft der<lb/> Thüre bedeutet, unterbricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_223" next="#ID_224"> Es ist selbstverständlich, daß bei einem solchen Zug auch mitunter Ge¬<lb/> schöpfe herausgehoben werden, auf die es nicht unmittelbar abgesehen war.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Fischerleben auf der Adria
Habe er es aber schon in seine Hütte gebracht, so sei es in Sicherheit. Hierin
liege eine gewisse Billigkeit; denn der Lohn, um den der Unternehmer die
Arbeiter dinge, stehe mit der ihnen ausgegebnen Arbeit in keinem Verhältnis,
und um einen Ausgleich zu treffen, müsse zu dem versprochnen Lohne noch
eine gewisse Zugabe kommen. Aus diesem Grunde läßt der Patrone das
Stehlen uuter der Bedingung zu, daß es geschehe, ohne ihm kund zu werden.
Diese Art von stillschweigendem Übereinkommen und der Gebrauch, daß der
Patrone sein Eigentum rettet, wenn er den Räuber fängt, macht ihn und seine
Beamten außerordentlich aufmerksam, wogegen die Diebe, die weder Be¬
schimpfungen noch Strafe, sondern nur Verlust des Gutes zu befürchten haben,
überaus dreist und flink sein müssen. Beim Stehlen einzelner Stücke lassen
sie es nicht bewenden; das Beutemachen erstreckt sich auf ganze Thüre, und sie
wissen tausenderlei Kunstgriffe anzuwenden, um sie in Sicherheit zu bringen.
Mit der Hurtigkeit eines Taschenspielers lassen sie einen Thun verschwinden,
wie ein andrer eine Sardelle einsteckt.
Von derlei Vorgängen und Übungen habe ich an unsrer Küste niemals
etwas gehört. Es ist das offenbar eine Lücke in ihrer Kultur. Dagegen
dürfte dort, unter den Sardiniern und Provenyalen, auch der naive Brauch
nicht vorkommen, den man, wie Dragutin Hire in seinem Urv-z-tslco ?riurorss
(Das kroatische Küstenland) erzählt, noch immer bei den Vorbereitungen zum
Fang beobachtet. Es wird berichtet, daß die Fischer, wenn sie die Netze in
Bncarizza, wo sie aufbewahrt werden, abholen, um sie auf den Fischplatz nach
Bueeari zu bringen, unterwegs von der Barke aus ins Meer hinein reden,
als ob sie mit dem Thunfisch sprächen, und sagen: Siehst du, das ist sür dich
der Weg zur Tonnara! (Fangplatz).
Diese Leute, die sich mit dem Thunfischfang abgeben, sind weder aus
Preluka, noch aus Abbazia, noch aus Bnceari, noch aus irgend einem andern
der benachbarten Küstenorte, sondern sie kommen fast samt und sonders aus
dem weiter südlich gelegnen Cirkvenica, weshalb man sie Kirci nennt. Darauf
deutet auch die Bezeichnung des kleinen Molo hin, eines aus Steinen zu¬
sammengesetzten halbinselfvrmigen Baues, der sich um Ufer jedes Fangplatzes
befindet, und auf dem einige Säulen zum Befestigen der Winden und Taue
angebracht sind. Einen solchen Bau nennt man „kirskischen Landsporn"
(IQrsKi xuutio). Dort sitzen diese Männer, den Kopf mit langen blauen
Mützen bedeckt, und treiben allerlei seemännische Allotria, indem sie Polenta
kochen, Netze flicken, Löcher in den Jacken zusammennähen, rauchen oder
auch bloß tiefsinnig ins Wasser schauen, bis die Wache, die oben auf dem
Korbe der Stange sitzt, dieses Stillleben durch den Ruf, der die Ankunft der
Thüre bedeutet, unterbricht.
Es ist selbstverständlich, daß bei einem solchen Zug auch mitunter Ge¬
schöpfe herausgehoben werden, auf die es nicht unmittelbar abgesehen war.
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