Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Lhina und das Abendland großen, geheimnisvollen Reiche Cathay und Zipangu (China und Japan) im Allgemein bekannt ist es, daß Columbus auf dem westlichen Seewege Die ersten europäischen Schiffe, die nach China kamen, im Jahre 1517, Lhina und das Abendland großen, geheimnisvollen Reiche Cathay und Zipangu (China und Japan) im Allgemein bekannt ist es, daß Columbus auf dem westlichen Seewege Die ersten europäischen Schiffe, die nach China kamen, im Jahre 1517, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212551"/> <fw type="header" place="top"> Lhina und das Abendland</fw><lb/> <p xml:id="ID_174" prev="#ID_173"> großen, geheimnisvollen Reiche Cathay und Zipangu (China und Japan) im<lb/> fernen Osten wußte, sollte sich der plötzlich erwachende Thatendrang des kleinen<lb/> Europas, der sich allmählich fast den ganzen Erdball unterthänig gemacht hat,<lb/> erst in unserm Jahrhundert ernstlich nach Ostasien wenden. So sehr ist China<lb/> durch seine geographische Lage geschützt gewesen. Freilich hatten die Europäer<lb/> auf der einen Seite so viel mit der Besitznahme von Teilen Afrikas und von<lb/> Südasien, sowie auf der andern mit der Besiedlung des unerwartet aufge-<lb/> fundnen neuen Kontinents Amerika zu thun, daß die Wellen der allgemeinen<lb/> Eroberungslust nur uoch in ganz matten Schlägen bis nach China gelangten.</p><lb/> <p xml:id="ID_175"> Allgemein bekannt ist es, daß Columbus auf dem westlichen Seewege<lb/> nach Indien zu gelangen hoffte. Als er dann, vor nunmehr vierhundert<lb/> Jahren, auf die amerikanischen Jnseln stieß, glaubte er der ostasiatischen Küste<lb/> nahe zu sein und ist bis zu seinem Tode in diesem Irrtum befangen geblieben.<lb/> Ja als er auf seiner vierten und letzten Reise die Mündung des Orinoko ent¬<lb/> deckte, schloß er sehr richtig, ein so gewaltiger Fluß könne nur einem Konti¬<lb/> nent entströmen; also, folgerte er weiter, muß ich mich irgendwo an der Ost¬<lb/> küste Asiens befinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_176" next="#ID_177"> Die ersten europäischen Schiffe, die nach China kamen, im Jahre 1517,<lb/> waren vier portugiesische Galeonen, und damit begann der unmittelbare Ver¬<lb/> kehr verschiedner europäischer Nationen mit dem Reiche der Mitte. Noch bis<lb/> zum heutigen Tage haben die in China lebenden Ausländer von der Nach¬<lb/> wirkung des verkehrten und inkonsequenten Auftretens dieser ersten Ankömm¬<lb/> linge zu leiden. Denn hier, wo viele Gebräuche und Ansichten jahrtausende<lb/> alt sind, und man sich nur sehr ungern zu Neuerungen entschließt, ist es un¬<lb/> gemein schwer, Auffassungen, die sich einmal festgesetzt haben, wieder auszu¬<lb/> rotten. Alles dies muß billigerweise berücksichtigt werden, wenn man das<lb/> Benehmen der Chinesen gegen die Europäer während der letzten Jahrhunderte<lb/> richtig beurteilen will. Die Chinesen sind nämlich durchaus nicht gegen den<lb/> Verkehr mit Europäern an sich gewesen, wie es ja auch bei einem so handels-<lb/> liebeudeu Volke gar nicht anders zu erwarten war. Unter den Portugiesen<lb/> scheinen sich aber viele Abenteurer befunden zu haben, und als diese nun<lb/> ebenso auftreten zu können glaubten wie die Konquistadoren in der neuen Welt,<lb/> da allerdings suchte man sie zu vertreiben. Das gelang auch an mehreren<lb/> Orten der Küste, und nur damit der Handel nicht ganz aufhöre, ließ man die<lb/> Portugiesen Macao behalten, erkannte jedoch ihr Besitzrecht erst vor einigen<lb/> Jahren an, ein echt asiatisches 1iÜ88ör Kurs durch Jahrhunderte hindurch!<lb/> Außerdem wurden die Europäer nur noch in Kanton geduldet, mußten sich<lb/> aber alles mögliche gefallen lassen. Um diese unerträgliche Lage zu andern,<lb/> schickten dann im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert verschiedne euro¬<lb/> päische Staaten Gesandtschaften an den Hof von Peking. Diese richteten<lb/> aber nur wenig ans, im Gegenteil wurden die Geschenke, die sie zu bringen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
Lhina und das Abendland
großen, geheimnisvollen Reiche Cathay und Zipangu (China und Japan) im
fernen Osten wußte, sollte sich der plötzlich erwachende Thatendrang des kleinen
Europas, der sich allmählich fast den ganzen Erdball unterthänig gemacht hat,
erst in unserm Jahrhundert ernstlich nach Ostasien wenden. So sehr ist China
durch seine geographische Lage geschützt gewesen. Freilich hatten die Europäer
auf der einen Seite so viel mit der Besitznahme von Teilen Afrikas und von
Südasien, sowie auf der andern mit der Besiedlung des unerwartet aufge-
fundnen neuen Kontinents Amerika zu thun, daß die Wellen der allgemeinen
Eroberungslust nur uoch in ganz matten Schlägen bis nach China gelangten.
Allgemein bekannt ist es, daß Columbus auf dem westlichen Seewege
nach Indien zu gelangen hoffte. Als er dann, vor nunmehr vierhundert
Jahren, auf die amerikanischen Jnseln stieß, glaubte er der ostasiatischen Küste
nahe zu sein und ist bis zu seinem Tode in diesem Irrtum befangen geblieben.
Ja als er auf seiner vierten und letzten Reise die Mündung des Orinoko ent¬
deckte, schloß er sehr richtig, ein so gewaltiger Fluß könne nur einem Konti¬
nent entströmen; also, folgerte er weiter, muß ich mich irgendwo an der Ost¬
küste Asiens befinden.
Die ersten europäischen Schiffe, die nach China kamen, im Jahre 1517,
waren vier portugiesische Galeonen, und damit begann der unmittelbare Ver¬
kehr verschiedner europäischer Nationen mit dem Reiche der Mitte. Noch bis
zum heutigen Tage haben die in China lebenden Ausländer von der Nach¬
wirkung des verkehrten und inkonsequenten Auftretens dieser ersten Ankömm¬
linge zu leiden. Denn hier, wo viele Gebräuche und Ansichten jahrtausende
alt sind, und man sich nur sehr ungern zu Neuerungen entschließt, ist es un¬
gemein schwer, Auffassungen, die sich einmal festgesetzt haben, wieder auszu¬
rotten. Alles dies muß billigerweise berücksichtigt werden, wenn man das
Benehmen der Chinesen gegen die Europäer während der letzten Jahrhunderte
richtig beurteilen will. Die Chinesen sind nämlich durchaus nicht gegen den
Verkehr mit Europäern an sich gewesen, wie es ja auch bei einem so handels-
liebeudeu Volke gar nicht anders zu erwarten war. Unter den Portugiesen
scheinen sich aber viele Abenteurer befunden zu haben, und als diese nun
ebenso auftreten zu können glaubten wie die Konquistadoren in der neuen Welt,
da allerdings suchte man sie zu vertreiben. Das gelang auch an mehreren
Orten der Küste, und nur damit der Handel nicht ganz aufhöre, ließ man die
Portugiesen Macao behalten, erkannte jedoch ihr Besitzrecht erst vor einigen
Jahren an, ein echt asiatisches 1iÜ88ör Kurs durch Jahrhunderte hindurch!
Außerdem wurden die Europäer nur noch in Kanton geduldet, mußten sich
aber alles mögliche gefallen lassen. Um diese unerträgliche Lage zu andern,
schickten dann im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert verschiedne euro¬
päische Staaten Gesandtschaften an den Hof von Peking. Diese richteten
aber nur wenig ans, im Gegenteil wurden die Geschenke, die sie zu bringen
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