Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bilder aus dem Uiiiversitätsleben

Hier wurde er in seiner Erzählung unterbrochen. Der Briefträger tum
und brachte ein Paket. Pcipendick legte es auf die Gartenbank, und ich be¬
merkte, beiß es aus der Schweiz kam und an ihn gerichtet war. Wohl Uni¬
versitätsschriften? fragte ich.

Gott bewahre! Das ist für Herrn Rubinsky, alles medizinische Bücher
und Schriften. Der arbeitet wie ein Pferd. Er meint, es käme schneller
und sichrer, Wenns an meine Adresse ginge.

Er rief Lieschen, die mußte das Paket hinauftragen; dann nahm er noch
eine Prise und fuhr in seiner Geschichte fort: Hols der Teufel! Wir bekamen
eines Abends höllisches Feuer, und die Bedienungsmannschaft des vierten
Geschützes war mit einemmal wie weggefegt. Hauptmann Weller rief mich
aus dem Unterstand herbei, wo ich die Munition zu verteilen hatte. Pcipendick,
sagte er, Sie sind ein verfluchter Kerl, wenn Sie nnr nicht so saufen wollten!
Übernehmen Sie das vierte Geschütz! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich
und nahm eine stramme Haltung an. Er musterte mich etwas unentschlossen
von oben bis unten, dann sagte er: Ist gut. Wir haben strikten Befehl, das
Feuer erst morgen früh wieder zu eröffnen. Die Geschütze werden geladen,
die Leute treten in den Unterstand und können sich hinlegen. Aber die größte
Stille, Papendick, die größte Stille! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich.
Na, ich ließ die alte Haubitze denn auch feste laden, hauche meine Kerls dabei
ordentlich an, sodaß sie eklig wurden, und lege mich dann in den Unterstand
auf den Rücken, meine Buttel in beiden Händen auf dem Bauch, und dusele
so sachte ein.

Es soll damals eine barbarische Kälte gewesen sein, warf ich ein.

Na, und ob! Es war so kalt, daß einem die Knopflöcher zufroren. Ich
mußte eins auf die Lampe gießen. Also ich nehme die Flasche und leiste mir
einen ordentlichen Rachenputzer. Nach einer Weile, es war so um zwölf oder
eins in der Nacht, da pank ich so im Halbdusel von ungefähr wieder nach
meiner Würmflasche. Der Racker sitzt fest. Na nu, denk ich, was ist denn
mit dir los? Ich richte mich ein bischen auf und zieh und zieh, die Flasche
sitzt fest. Na nu, denk ich, hat sich da was rumgewickelt? und reiße denn so
mit aller Gewalt dran. Mit einemmale, ich denke, mich rührt der Schlag,
da giebts einen Donner durch die Totenstille, und meine Haubitze geht los
und tobt wie verrückt herum in der Batterie, mitten in der Nacht. Na, Sie
können sich den Skandal denken, der nun in der Batterie losging. Donner¬
wetter, ich sag Ihnen, ich war mehr tot als lebendig. Hatten die Kerls
meine Flasche mit einem Bindfaden an die Abzugsschnur gebunden und eine
Schlagröhre ins Geschütz gesetzt, daß ich es beim ersten kräftigen Ruck ab¬
feuern mußte.

Das war ein schöner Reinfall! rief ich aus. Unter vierzehn Tagen
strammen Arrest ist es da wohl nicht abgegangen?


Bilder aus dem Uiiiversitätsleben

Hier wurde er in seiner Erzählung unterbrochen. Der Briefträger tum
und brachte ein Paket. Pcipendick legte es auf die Gartenbank, und ich be¬
merkte, beiß es aus der Schweiz kam und an ihn gerichtet war. Wohl Uni¬
versitätsschriften? fragte ich.

Gott bewahre! Das ist für Herrn Rubinsky, alles medizinische Bücher
und Schriften. Der arbeitet wie ein Pferd. Er meint, es käme schneller
und sichrer, Wenns an meine Adresse ginge.

Er rief Lieschen, die mußte das Paket hinauftragen; dann nahm er noch
eine Prise und fuhr in seiner Geschichte fort: Hols der Teufel! Wir bekamen
eines Abends höllisches Feuer, und die Bedienungsmannschaft des vierten
Geschützes war mit einemmal wie weggefegt. Hauptmann Weller rief mich
aus dem Unterstand herbei, wo ich die Munition zu verteilen hatte. Pcipendick,
sagte er, Sie sind ein verfluchter Kerl, wenn Sie nnr nicht so saufen wollten!
Übernehmen Sie das vierte Geschütz! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich
und nahm eine stramme Haltung an. Er musterte mich etwas unentschlossen
von oben bis unten, dann sagte er: Ist gut. Wir haben strikten Befehl, das
Feuer erst morgen früh wieder zu eröffnen. Die Geschütze werden geladen,
die Leute treten in den Unterstand und können sich hinlegen. Aber die größte
Stille, Papendick, die größte Stille! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich.
Na, ich ließ die alte Haubitze denn auch feste laden, hauche meine Kerls dabei
ordentlich an, sodaß sie eklig wurden, und lege mich dann in den Unterstand
auf den Rücken, meine Buttel in beiden Händen auf dem Bauch, und dusele
so sachte ein.

Es soll damals eine barbarische Kälte gewesen sein, warf ich ein.

Na, und ob! Es war so kalt, daß einem die Knopflöcher zufroren. Ich
mußte eins auf die Lampe gießen. Also ich nehme die Flasche und leiste mir
einen ordentlichen Rachenputzer. Nach einer Weile, es war so um zwölf oder
eins in der Nacht, da pank ich so im Halbdusel von ungefähr wieder nach
meiner Würmflasche. Der Racker sitzt fest. Na nu, denk ich, was ist denn
mit dir los? Ich richte mich ein bischen auf und zieh und zieh, die Flasche
sitzt fest. Na nu, denk ich, hat sich da was rumgewickelt? und reiße denn so
mit aller Gewalt dran. Mit einemmale, ich denke, mich rührt der Schlag,
da giebts einen Donner durch die Totenstille, und meine Haubitze geht los
und tobt wie verrückt herum in der Batterie, mitten in der Nacht. Na, Sie
können sich den Skandal denken, der nun in der Batterie losging. Donner¬
wetter, ich sag Ihnen, ich war mehr tot als lebendig. Hatten die Kerls
meine Flasche mit einem Bindfaden an die Abzugsschnur gebunden und eine
Schlagröhre ins Geschütz gesetzt, daß ich es beim ersten kräftigen Ruck ab¬
feuern mußte.

Das war ein schöner Reinfall! rief ich aus. Unter vierzehn Tagen
strammen Arrest ist es da wohl nicht abgegangen?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0618" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213094"/>
          <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem Uiiiversitätsleben</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2065"> Hier wurde er in seiner Erzählung unterbrochen. Der Briefträger tum<lb/>
und brachte ein Paket. Pcipendick legte es auf die Gartenbank, und ich be¬<lb/>
merkte, beiß es aus der Schweiz kam und an ihn gerichtet war. Wohl Uni¬<lb/>
versitätsschriften? fragte ich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2066"> Gott bewahre! Das ist für Herrn Rubinsky, alles medizinische Bücher<lb/>
und Schriften. Der arbeitet wie ein Pferd. Er meint, es käme schneller<lb/>
und sichrer, Wenns an meine Adresse ginge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2067"> Er rief Lieschen, die mußte das Paket hinauftragen; dann nahm er noch<lb/>
eine Prise und fuhr in seiner Geschichte fort: Hols der Teufel! Wir bekamen<lb/>
eines Abends höllisches Feuer, und die Bedienungsmannschaft des vierten<lb/>
Geschützes war mit einemmal wie weggefegt. Hauptmann Weller rief mich<lb/>
aus dem Unterstand herbei, wo ich die Munition zu verteilen hatte. Pcipendick,<lb/>
sagte er, Sie sind ein verfluchter Kerl, wenn Sie nnr nicht so saufen wollten!<lb/>
Übernehmen Sie das vierte Geschütz! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich<lb/>
und nahm eine stramme Haltung an. Er musterte mich etwas unentschlossen<lb/>
von oben bis unten, dann sagte er: Ist gut. Wir haben strikten Befehl, das<lb/>
Feuer erst morgen früh wieder zu eröffnen. Die Geschütze werden geladen,<lb/>
die Leute treten in den Unterstand und können sich hinlegen. Aber die größte<lb/>
Stille, Papendick, die größte Stille! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich.<lb/>
Na, ich ließ die alte Haubitze denn auch feste laden, hauche meine Kerls dabei<lb/>
ordentlich an, sodaß sie eklig wurden, und lege mich dann in den Unterstand<lb/>
auf den Rücken, meine Buttel in beiden Händen auf dem Bauch, und dusele<lb/>
so sachte ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2068"> Es soll damals eine barbarische Kälte gewesen sein, warf ich ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2069"> Na, und ob! Es war so kalt, daß einem die Knopflöcher zufroren. Ich<lb/>
mußte eins auf die Lampe gießen. Also ich nehme die Flasche und leiste mir<lb/>
einen ordentlichen Rachenputzer. Nach einer Weile, es war so um zwölf oder<lb/>
eins in der Nacht, da pank ich so im Halbdusel von ungefähr wieder nach<lb/>
meiner Würmflasche. Der Racker sitzt fest. Na nu, denk ich, was ist denn<lb/>
mit dir los? Ich richte mich ein bischen auf und zieh und zieh, die Flasche<lb/>
sitzt fest. Na nu, denk ich, hat sich da was rumgewickelt? und reiße denn so<lb/>
mit aller Gewalt dran. Mit einemmale, ich denke, mich rührt der Schlag,<lb/>
da giebts einen Donner durch die Totenstille, und meine Haubitze geht los<lb/>
und tobt wie verrückt herum in der Batterie, mitten in der Nacht. Na, Sie<lb/>
können sich den Skandal denken, der nun in der Batterie losging. Donner¬<lb/>
wetter, ich sag Ihnen, ich war mehr tot als lebendig. Hatten die Kerls<lb/>
meine Flasche mit einem Bindfaden an die Abzugsschnur gebunden und eine<lb/>
Schlagröhre ins Geschütz gesetzt, daß ich es beim ersten kräftigen Ruck ab¬<lb/>
feuern mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2070"> Das war ein schöner Reinfall! rief ich aus. Unter vierzehn Tagen<lb/>
strammen Arrest ist es da wohl nicht abgegangen?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0618] Bilder aus dem Uiiiversitätsleben Hier wurde er in seiner Erzählung unterbrochen. Der Briefträger tum und brachte ein Paket. Pcipendick legte es auf die Gartenbank, und ich be¬ merkte, beiß es aus der Schweiz kam und an ihn gerichtet war. Wohl Uni¬ versitätsschriften? fragte ich. Gott bewahre! Das ist für Herrn Rubinsky, alles medizinische Bücher und Schriften. Der arbeitet wie ein Pferd. Er meint, es käme schneller und sichrer, Wenns an meine Adresse ginge. Er rief Lieschen, die mußte das Paket hinauftragen; dann nahm er noch eine Prise und fuhr in seiner Geschichte fort: Hols der Teufel! Wir bekamen eines Abends höllisches Feuer, und die Bedienungsmannschaft des vierten Geschützes war mit einemmal wie weggefegt. Hauptmann Weller rief mich aus dem Unterstand herbei, wo ich die Munition zu verteilen hatte. Pcipendick, sagte er, Sie sind ein verfluchter Kerl, wenn Sie nnr nicht so saufen wollten! Übernehmen Sie das vierte Geschütz! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich und nahm eine stramme Haltung an. Er musterte mich etwas unentschlossen von oben bis unten, dann sagte er: Ist gut. Wir haben strikten Befehl, das Feuer erst morgen früh wieder zu eröffnen. Die Geschütze werden geladen, die Leute treten in den Unterstand und können sich hinlegen. Aber die größte Stille, Papendick, die größte Stille! Zu Befehl, Herr Hauptmann, sagte ich. Na, ich ließ die alte Haubitze denn auch feste laden, hauche meine Kerls dabei ordentlich an, sodaß sie eklig wurden, und lege mich dann in den Unterstand auf den Rücken, meine Buttel in beiden Händen auf dem Bauch, und dusele so sachte ein. Es soll damals eine barbarische Kälte gewesen sein, warf ich ein. Na, und ob! Es war so kalt, daß einem die Knopflöcher zufroren. Ich mußte eins auf die Lampe gießen. Also ich nehme die Flasche und leiste mir einen ordentlichen Rachenputzer. Nach einer Weile, es war so um zwölf oder eins in der Nacht, da pank ich so im Halbdusel von ungefähr wieder nach meiner Würmflasche. Der Racker sitzt fest. Na nu, denk ich, was ist denn mit dir los? Ich richte mich ein bischen auf und zieh und zieh, die Flasche sitzt fest. Na nu, denk ich, hat sich da was rumgewickelt? und reiße denn so mit aller Gewalt dran. Mit einemmale, ich denke, mich rührt der Schlag, da giebts einen Donner durch die Totenstille, und meine Haubitze geht los und tobt wie verrückt herum in der Batterie, mitten in der Nacht. Na, Sie können sich den Skandal denken, der nun in der Batterie losging. Donner¬ wetter, ich sag Ihnen, ich war mehr tot als lebendig. Hatten die Kerls meine Flasche mit einem Bindfaden an die Abzugsschnur gebunden und eine Schlagröhre ins Geschütz gesetzt, daß ich es beim ersten kräftigen Ruck ab¬ feuern mußte. Das war ein schöner Reinfall! rief ich aus. Unter vierzehn Tagen strammen Arrest ist es da wohl nicht abgegangen?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/618
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/618>, abgerufen am 08.01.2025.