Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Giri bedenklicher Widerspruch gebung in Wirksamkeit gewesen ist, die Frage auswirft, wie weit die nationale Es ist aber noch ein andrer Umstand, der es verhindert, daß die natio¬ Wie schon bemerkt, ist der Hauptbeweggrnno zur Einführung und Bei¬ Nun muß aber doch zugegeben werden, daß die Arbeitslosigkeit ebenso Giri bedenklicher Widerspruch gebung in Wirksamkeit gewesen ist, die Frage auswirft, wie weit die nationale Es ist aber noch ein andrer Umstand, der es verhindert, daß die natio¬ Wie schon bemerkt, ist der Hauptbeweggrnno zur Einführung und Bei¬ Nun muß aber doch zugegeben werden, daß die Arbeitslosigkeit ebenso <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0587" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213063"/> <fw type="header" place="top"> Giri bedenklicher Widerspruch</fw><lb/> <p xml:id="ID_1947" prev="#ID_1946"> gebung in Wirksamkeit gewesen ist, die Frage auswirft, wie weit die nationale<lb/> Arbeit und das wirtschaftliche Gedeihen durch sie gefördert worden sei, so<lb/> lautet die Antwort dahin, daß noch viel zu wünschen übrig geblieben ist. Es<lb/> hat in den letzten Jcchreu viel Arbeitslosigkeit geherrscht, die Löhne sind eher<lb/> gefallen als gestiegen, der Absatz der Erzeugnisse ist unbefriedigend, und wenn<lb/> auch einige Plätze, insbesondre die größern Städte, von einem gewissen Ge¬<lb/> deihen Zeugnis ablegen, so ist doch an andern Orten Stillstand und Rückgang<lb/> unverkennbar. Der Gründe für diese Erscheinung sind mancherlei. Daß eine<lb/> so mangelhafte Ernte, wie die des vorigen Jahres, neben den hohen Preisen<lb/> für die notwendigsten Lebensmittel einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung<lb/> im Wege stehn muß, liegt auf der Hand. Es mußte ferner vom schlimmsten<lb/> Einfluß sein, daß uns durch ungewöhnlich hohe Schutzzölle in deu Vereinigten<lb/> Staaten von Nordamerika, die zum Teil die Ausfuhr ganz verhindern, der<lb/> Absatz vieler Waren erschwert, ja unmöglich gemacht wurde. Das Zusammen¬<lb/> wirken zweier derartigen Erscheinungen mußte notwendig die übelsten Folgen<lb/> haben; schwerlich könnten wir die Unterbindung des Absatzes und die Veraus-<lb/> gabung so großer Summen für Vrvtstoffe lange ertragen. Eine Unterbilauz<lb/> im internationalen Verkehr von neunhundert Millionen Mark in einem Jahre<lb/> ist beunruhigend genug!</p><lb/> <p xml:id="ID_1948"> Es ist aber noch ein andrer Umstand, der es verhindert, daß die natio¬<lb/> nale Arbeit wirklich den Schutz genieße, den man ihr durch die Schutzzölle<lb/> hat angedeihen lassen wollen. Dieser Umstand ist von so großer politischer<lb/> und sozialer Bedeutung, daß wir uns für verpflichtet halten, mit allem Ernst<lb/> auf ihn hinzuweisen, ihn zum Gegenstande der öffentlichen Besprechung zu<lb/> machen und seine Erörterung auch den gesetzgebenden Gewalten zu empfehlen.<lb/> Es handelt sich darum, daß die Segnungen des Schutzzolls der Arbeiterwelt<lb/> verkümmert und entzogen werden durch deu Zuzug ausländischer Arbeiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1949"> Wie schon bemerkt, ist der Hauptbeweggrnno zur Einführung und Bei¬<lb/> behaltung der Schutzzölle der Wunsch und das Bestreben, den Arbeitern aus¬<lb/> reichende Beschäftigung und entsprechenden Lohn zu gewähren. Wenn die<lb/> Überschwemmung mit ausländischen Fabrikaten unsre Fabrikation nötigt, stille<lb/> M stehn oder ihre Produktion einzustellen, so werden die Arbeiter entlassen,<lb/> oder ihr Tcigelvhn wird heruntergedrückt. Wenn der Marktpreis des Getreides<lb/> unter die Produktionskosten sinkt, so wenden sich die Landwirte der Wirt¬<lb/> schaftsweise zu, bei der am meisten Arbeit gespart wird. Die Arbeitslosen<lb/> können sich auf dem platten Lande um wenigsten ernähren und drängen sich<lb/> deshalb in den größern Städten zusammen, wo sie gelegentlich zu einer Ge¬<lb/> fahr für die Ruhe und Sicherheit des Gemeinwesens werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1950" next="#ID_1951"> Nun muß aber doch zugegeben werden, daß die Arbeitslosigkeit ebenso<lb/> Wohl durch unangemeßne Vermehrung der Arbeitskräfte als durch Mangel<lb/> an Arbeitsgelegenheit entstehen kann. Wenn man daher ohne Beschränkung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0587]
Giri bedenklicher Widerspruch
gebung in Wirksamkeit gewesen ist, die Frage auswirft, wie weit die nationale
Arbeit und das wirtschaftliche Gedeihen durch sie gefördert worden sei, so
lautet die Antwort dahin, daß noch viel zu wünschen übrig geblieben ist. Es
hat in den letzten Jcchreu viel Arbeitslosigkeit geherrscht, die Löhne sind eher
gefallen als gestiegen, der Absatz der Erzeugnisse ist unbefriedigend, und wenn
auch einige Plätze, insbesondre die größern Städte, von einem gewissen Ge¬
deihen Zeugnis ablegen, so ist doch an andern Orten Stillstand und Rückgang
unverkennbar. Der Gründe für diese Erscheinung sind mancherlei. Daß eine
so mangelhafte Ernte, wie die des vorigen Jahres, neben den hohen Preisen
für die notwendigsten Lebensmittel einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung
im Wege stehn muß, liegt auf der Hand. Es mußte ferner vom schlimmsten
Einfluß sein, daß uns durch ungewöhnlich hohe Schutzzölle in deu Vereinigten
Staaten von Nordamerika, die zum Teil die Ausfuhr ganz verhindern, der
Absatz vieler Waren erschwert, ja unmöglich gemacht wurde. Das Zusammen¬
wirken zweier derartigen Erscheinungen mußte notwendig die übelsten Folgen
haben; schwerlich könnten wir die Unterbindung des Absatzes und die Veraus-
gabung so großer Summen für Vrvtstoffe lange ertragen. Eine Unterbilauz
im internationalen Verkehr von neunhundert Millionen Mark in einem Jahre
ist beunruhigend genug!
Es ist aber noch ein andrer Umstand, der es verhindert, daß die natio¬
nale Arbeit wirklich den Schutz genieße, den man ihr durch die Schutzzölle
hat angedeihen lassen wollen. Dieser Umstand ist von so großer politischer
und sozialer Bedeutung, daß wir uns für verpflichtet halten, mit allem Ernst
auf ihn hinzuweisen, ihn zum Gegenstande der öffentlichen Besprechung zu
machen und seine Erörterung auch den gesetzgebenden Gewalten zu empfehlen.
Es handelt sich darum, daß die Segnungen des Schutzzolls der Arbeiterwelt
verkümmert und entzogen werden durch deu Zuzug ausländischer Arbeiter.
Wie schon bemerkt, ist der Hauptbeweggrnno zur Einführung und Bei¬
behaltung der Schutzzölle der Wunsch und das Bestreben, den Arbeitern aus¬
reichende Beschäftigung und entsprechenden Lohn zu gewähren. Wenn die
Überschwemmung mit ausländischen Fabrikaten unsre Fabrikation nötigt, stille
M stehn oder ihre Produktion einzustellen, so werden die Arbeiter entlassen,
oder ihr Tcigelvhn wird heruntergedrückt. Wenn der Marktpreis des Getreides
unter die Produktionskosten sinkt, so wenden sich die Landwirte der Wirt¬
schaftsweise zu, bei der am meisten Arbeit gespart wird. Die Arbeitslosen
können sich auf dem platten Lande um wenigsten ernähren und drängen sich
deshalb in den größern Städten zusammen, wo sie gelegentlich zu einer Ge¬
fahr für die Ruhe und Sicherheit des Gemeinwesens werden.
Nun muß aber doch zugegeben werden, daß die Arbeitslosigkeit ebenso
Wohl durch unangemeßne Vermehrung der Arbeitskräfte als durch Mangel
an Arbeitsgelegenheit entstehen kann. Wenn man daher ohne Beschränkung
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