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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Aufklärungen über studentische Dinge

sind vor allen Dingen national. Wenn sie daneben antisemitisch sind, so ist das,
offen heraus gesagt, nur eine Folgerung davon, eine Reaktion gegen die
internationale Arbeit des Judentums an der Zersetzung alles nationalen und
seinen Ervberungsfeldzng gegen Wohlstand und eigne Meinung der abend¬
ländischen Völker; wenn sie zum guten Teile positiv-christlich siud, so liegt
das in der mitgebrachten treuen Überzeugung einer großen Anzahl der Mit¬
glieder, wird aber noch in den Vordergrund gestellt durch die erkannte Not¬
wendigkeit, den Mitteln entgegenzuwirken, mit denen das Judentum und das
von ihnen geleitete und abhängige politische Fortschrittlertum bei den so¬
genannten Gebildeten am lebhaftesten für sich arbeitet und am meisten Erfolge
erzielt. Die Hauptheroen der Vereine find doch immer Bismarck und Moltke
gewesen und geblieben, in inniger Beziehung zu der unverbrüchlichen Hohen-
zvllerntreue dieser Studenten. So war und ist gerade auch Treitschke -- an
dessen Größe ebenfalls fieberhafte Maulwurfsarbeit nagt, deu Herumstehenden
die ausgeworfne Erde in die Augen streuend -- ihr begeistert umjubelter
eigentlicher Lehrer.

Mächtig wuchs die deutsche Studentenbewegung seit 1880 und 1881 und
wurde ein glänzendes Zeugnis für deu noch nnangefreßnen idealen Kern des
jungen Geschlechts; das Kyffhäuserfest vom August 1881 war ein Ereignis,
das, bei aller Verschiedenheit, an reinem Wollen und begeisterter Hingebung
dem Wartburgfeste der alten Burschenschaft nicht nachstand und vielfach damit
verglichen werden konnte. Die jüngere Burschenschaft selber verharrte, während
zu den Korps hinüber gerade am Anfange eine gewisse, durch das Wesen der
Korps allerdings sehr eingeschränkte Beziehung stattfand, als Ganzes völlig
regungslos. Es war nicht ungerecht, wenn man bei den deutschen Studenten
darauf hinwies, daß sich die Burschenschaft in den siebziger Jahren zum Schlafe
auf ihren Lorbeern niedergestreckt habe und in rechte Gedanken- und Plan¬
losigkeit versunken sei; ein Teil der angesehensten Burschenschafter gerade war,
seit das deutsche Reich bestand, zum Köseuer 8. <ü. der Korps übergegangen,
was wie eine Folge der Erfüllung des burschenschaftlichen Hauptgedankens
erscheinen konnte. Dagegen jubelten einzelne alte, treue und bekanntere Bur¬
schenschafter offen den deutschen Vereinen zu. Auf völliger Berkeunung aller
Möglichkeiten beruhte es uur, wenn sich vereinzelte Heißsporne von beiden
Seiten mit Ideen einer Verschmelzung oder eines Aufgehens der Burschen¬
schaft in die Vereine trugen.

Aber diese vereinzelten Stimmen, denen das Stillleben der Burschenschaft
derartige schnellfertige und überdrnßvolle Worte eingab, waren eben zugleich
die ersten Anzeichen einer Ausrüstung anch in ihren Kreisen. 1881 begann
auch dort der Aufschwung, zuerst ein äußerlicher, der sich noch ängstlich von
allen innern Fragen fernhielt, dem aber dann die Aufstellung der in unserm
vorigen Aufsatze besprochnen Programmsätze des ^. v. L!. und außerdem ein


Grenzboten III 1892 70
Aufklärungen über studentische Dinge

sind vor allen Dingen national. Wenn sie daneben antisemitisch sind, so ist das,
offen heraus gesagt, nur eine Folgerung davon, eine Reaktion gegen die
internationale Arbeit des Judentums an der Zersetzung alles nationalen und
seinen Ervberungsfeldzng gegen Wohlstand und eigne Meinung der abend¬
ländischen Völker; wenn sie zum guten Teile positiv-christlich siud, so liegt
das in der mitgebrachten treuen Überzeugung einer großen Anzahl der Mit¬
glieder, wird aber noch in den Vordergrund gestellt durch die erkannte Not¬
wendigkeit, den Mitteln entgegenzuwirken, mit denen das Judentum und das
von ihnen geleitete und abhängige politische Fortschrittlertum bei den so¬
genannten Gebildeten am lebhaftesten für sich arbeitet und am meisten Erfolge
erzielt. Die Hauptheroen der Vereine find doch immer Bismarck und Moltke
gewesen und geblieben, in inniger Beziehung zu der unverbrüchlichen Hohen-
zvllerntreue dieser Studenten. So war und ist gerade auch Treitschke — an
dessen Größe ebenfalls fieberhafte Maulwurfsarbeit nagt, deu Herumstehenden
die ausgeworfne Erde in die Augen streuend — ihr begeistert umjubelter
eigentlicher Lehrer.

Mächtig wuchs die deutsche Studentenbewegung seit 1880 und 1881 und
wurde ein glänzendes Zeugnis für deu noch nnangefreßnen idealen Kern des
jungen Geschlechts; das Kyffhäuserfest vom August 1881 war ein Ereignis,
das, bei aller Verschiedenheit, an reinem Wollen und begeisterter Hingebung
dem Wartburgfeste der alten Burschenschaft nicht nachstand und vielfach damit
verglichen werden konnte. Die jüngere Burschenschaft selber verharrte, während
zu den Korps hinüber gerade am Anfange eine gewisse, durch das Wesen der
Korps allerdings sehr eingeschränkte Beziehung stattfand, als Ganzes völlig
regungslos. Es war nicht ungerecht, wenn man bei den deutschen Studenten
darauf hinwies, daß sich die Burschenschaft in den siebziger Jahren zum Schlafe
auf ihren Lorbeern niedergestreckt habe und in rechte Gedanken- und Plan¬
losigkeit versunken sei; ein Teil der angesehensten Burschenschafter gerade war,
seit das deutsche Reich bestand, zum Köseuer 8. <ü. der Korps übergegangen,
was wie eine Folge der Erfüllung des burschenschaftlichen Hauptgedankens
erscheinen konnte. Dagegen jubelten einzelne alte, treue und bekanntere Bur¬
schenschafter offen den deutschen Vereinen zu. Auf völliger Berkeunung aller
Möglichkeiten beruhte es uur, wenn sich vereinzelte Heißsporne von beiden
Seiten mit Ideen einer Verschmelzung oder eines Aufgehens der Burschen¬
schaft in die Vereine trugen.

Aber diese vereinzelten Stimmen, denen das Stillleben der Burschenschaft
derartige schnellfertige und überdrnßvolle Worte eingab, waren eben zugleich
die ersten Anzeichen einer Ausrüstung anch in ihren Kreisen. 1881 begann
auch dort der Aufschwung, zuerst ein äußerlicher, der sich noch ängstlich von
allen innern Fragen fernhielt, dem aber dann die Aufstellung der in unserm
vorigen Aufsatze besprochnen Programmsätze des ^. v. L!. und außerdem ein


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[0561] Aufklärungen über studentische Dinge sind vor allen Dingen national. Wenn sie daneben antisemitisch sind, so ist das, offen heraus gesagt, nur eine Folgerung davon, eine Reaktion gegen die internationale Arbeit des Judentums an der Zersetzung alles nationalen und seinen Ervberungsfeldzng gegen Wohlstand und eigne Meinung der abend¬ ländischen Völker; wenn sie zum guten Teile positiv-christlich siud, so liegt das in der mitgebrachten treuen Überzeugung einer großen Anzahl der Mit¬ glieder, wird aber noch in den Vordergrund gestellt durch die erkannte Not¬ wendigkeit, den Mitteln entgegenzuwirken, mit denen das Judentum und das von ihnen geleitete und abhängige politische Fortschrittlertum bei den so¬ genannten Gebildeten am lebhaftesten für sich arbeitet und am meisten Erfolge erzielt. Die Hauptheroen der Vereine find doch immer Bismarck und Moltke gewesen und geblieben, in inniger Beziehung zu der unverbrüchlichen Hohen- zvllerntreue dieser Studenten. So war und ist gerade auch Treitschke — an dessen Größe ebenfalls fieberhafte Maulwurfsarbeit nagt, deu Herumstehenden die ausgeworfne Erde in die Augen streuend — ihr begeistert umjubelter eigentlicher Lehrer. Mächtig wuchs die deutsche Studentenbewegung seit 1880 und 1881 und wurde ein glänzendes Zeugnis für deu noch nnangefreßnen idealen Kern des jungen Geschlechts; das Kyffhäuserfest vom August 1881 war ein Ereignis, das, bei aller Verschiedenheit, an reinem Wollen und begeisterter Hingebung dem Wartburgfeste der alten Burschenschaft nicht nachstand und vielfach damit verglichen werden konnte. Die jüngere Burschenschaft selber verharrte, während zu den Korps hinüber gerade am Anfange eine gewisse, durch das Wesen der Korps allerdings sehr eingeschränkte Beziehung stattfand, als Ganzes völlig regungslos. Es war nicht ungerecht, wenn man bei den deutschen Studenten darauf hinwies, daß sich die Burschenschaft in den siebziger Jahren zum Schlafe auf ihren Lorbeern niedergestreckt habe und in rechte Gedanken- und Plan¬ losigkeit versunken sei; ein Teil der angesehensten Burschenschafter gerade war, seit das deutsche Reich bestand, zum Köseuer 8. <ü. der Korps übergegangen, was wie eine Folge der Erfüllung des burschenschaftlichen Hauptgedankens erscheinen konnte. Dagegen jubelten einzelne alte, treue und bekanntere Bur¬ schenschafter offen den deutschen Vereinen zu. Auf völliger Berkeunung aller Möglichkeiten beruhte es uur, wenn sich vereinzelte Heißsporne von beiden Seiten mit Ideen einer Verschmelzung oder eines Aufgehens der Burschen¬ schaft in die Vereine trugen. Aber diese vereinzelten Stimmen, denen das Stillleben der Burschenschaft derartige schnellfertige und überdrnßvolle Worte eingab, waren eben zugleich die ersten Anzeichen einer Ausrüstung anch in ihren Kreisen. 1881 begann auch dort der Aufschwung, zuerst ein äußerlicher, der sich noch ängstlich von allen innern Fragen fernhielt, dem aber dann die Aufstellung der in unserm vorigen Aufsatze besprochnen Programmsätze des ^. v. L!. und außerdem ein Grenzboten III 1892 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/561>, abgerufen am 09.01.2025.