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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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"gut katholischen" Bürgerkreise, also Juristen, Philologen u. s. w,, die so davor
bewahrt werden sollen, durch die akademische Freiheit und persönliche Selb¬
ständigkeit, auch durch den Einfluß von Professoren und zufälligen Bekannten
in Bahnen zu gleiten, die ihrer bisherigen Erziehung und den Anschauungen
ihrer Eltern nicht entsprechen, und die in diesen von der Kirche wohlwollend
gehegten, von der Zentrumspresse und von den Seelsorgern empfohlnen Ver¬
bindungen vielfach die Ausbildung erfahren, die sie im spätern Leben als An¬
wälte n. s, w. zu Borkämpfern der Zentrumspolitik werden läßt. Was von
der Vergnüglichkeit n> s. w. der Wingolfiten gesagt wurde, gilt auch von ihnen;
besonders stark ausgebildet ist bei ihnen, wiederum aus den Zwecken dieser
katholischen Verbindungen heraus, ihr Zusammenhang von der einen zur andern
hinüber, sodaß wer einmal als Fuchs bei ihnen eingetreten ist, niemals, wenn
er die Hochschule wechselt, die verhältnismäßig große Freiheit des "auswär¬
tigen Inaktiven" bei den andern Verbindungsarten erlangt, sondern ohne
weiteres der Kartellverbindung zugewiesen ist und unter der gleichen Kon¬
trolle bleibt.

Zahllos und unendlich mannigfach sind die nicht farbentragenden Verbin¬
dungen und sicherlich -- trotz der ebenfalls immer noch starken Zunahme der
Farbenverbindungen -- die neuerdings am üppigsten wuchernde Gattung. Wir
werden später -- in einem Schlußanfsatz -- auf die Gefahr für die Farben-
verbiudungeit, von dieser jüngern Gattung erstickt zu werden, und ihre sehr be¬
greiflichen Gründe zurückkommen. Ganz alte derartige "schwarze" Verbin¬
dungen giebt es nicht, in älterer Zeit hätten sie eben Farben angenommen,
immerhin weisen einige doch schon Jahrzehnte des Bestehens auf. Diese sind
dann auch gewöhnlich recht fest und bis auf das Fehlen von Band und Mütze
ganz als Verbindung organisirt, zum Teil haben sie sogar eigne Waffen und
fordern deren Anerkennung, bei deren Mangel sie die Satisfaktion verweigern.
Das wird von einzelnen, um uus ganz in die studentische Anschauung hinein¬
zustellen, sehr "forsch" gehandhabt, während es wieder für andre ein Weg
ist, wegen der leicht herbeizuführenden Nichtanerkennung ihrer Waffen durch
die übrigen niemals zum Ausfechten einer Forderung zu gelangen. So sind
vielfach solche schwarze Verbindungen "forscher," die nicht mit eignen Waffen
hervortreten, deren Mitglieder aber bei gelegentlichen Forderungen auf die
Waffen einer selbstgewählten andern oder der durch die Zugehörigkeit des
Gegners von selbst gegebnen Verbindungsgattung losgehn. So geht es nun
mit allerhand Unterschieden bis zu den ganz losen "Blasen" herunter, deren
Mitglieder eben nur an bestimmten Tagen mit einander kneipen und sich im
spätern Leben in der Regel aus den Augen verlieren.

Von den studentischen Vereinen sind die der "deutschen Studenten" rasch
die bedeutendste und einflußreichste, aber auch wiederum meistverknnute Gruppe
geworden. Denn die ganze Verkleinerung?'-, Verhöhnnngs- und Verleumdungs-


„gut katholischen" Bürgerkreise, also Juristen, Philologen u. s. w,, die so davor
bewahrt werden sollen, durch die akademische Freiheit und persönliche Selb¬
ständigkeit, auch durch den Einfluß von Professoren und zufälligen Bekannten
in Bahnen zu gleiten, die ihrer bisherigen Erziehung und den Anschauungen
ihrer Eltern nicht entsprechen, und die in diesen von der Kirche wohlwollend
gehegten, von der Zentrumspresse und von den Seelsorgern empfohlnen Ver¬
bindungen vielfach die Ausbildung erfahren, die sie im spätern Leben als An¬
wälte n. s, w. zu Borkämpfern der Zentrumspolitik werden läßt. Was von
der Vergnüglichkeit n> s. w. der Wingolfiten gesagt wurde, gilt auch von ihnen;
besonders stark ausgebildet ist bei ihnen, wiederum aus den Zwecken dieser
katholischen Verbindungen heraus, ihr Zusammenhang von der einen zur andern
hinüber, sodaß wer einmal als Fuchs bei ihnen eingetreten ist, niemals, wenn
er die Hochschule wechselt, die verhältnismäßig große Freiheit des „auswär¬
tigen Inaktiven" bei den andern Verbindungsarten erlangt, sondern ohne
weiteres der Kartellverbindung zugewiesen ist und unter der gleichen Kon¬
trolle bleibt.

Zahllos und unendlich mannigfach sind die nicht farbentragenden Verbin¬
dungen und sicherlich — trotz der ebenfalls immer noch starken Zunahme der
Farbenverbindungen — die neuerdings am üppigsten wuchernde Gattung. Wir
werden später — in einem Schlußanfsatz — auf die Gefahr für die Farben-
verbiudungeit, von dieser jüngern Gattung erstickt zu werden, und ihre sehr be¬
greiflichen Gründe zurückkommen. Ganz alte derartige „schwarze" Verbin¬
dungen giebt es nicht, in älterer Zeit hätten sie eben Farben angenommen,
immerhin weisen einige doch schon Jahrzehnte des Bestehens auf. Diese sind
dann auch gewöhnlich recht fest und bis auf das Fehlen von Band und Mütze
ganz als Verbindung organisirt, zum Teil haben sie sogar eigne Waffen und
fordern deren Anerkennung, bei deren Mangel sie die Satisfaktion verweigern.
Das wird von einzelnen, um uus ganz in die studentische Anschauung hinein¬
zustellen, sehr „forsch" gehandhabt, während es wieder für andre ein Weg
ist, wegen der leicht herbeizuführenden Nichtanerkennung ihrer Waffen durch
die übrigen niemals zum Ausfechten einer Forderung zu gelangen. So sind
vielfach solche schwarze Verbindungen „forscher," die nicht mit eignen Waffen
hervortreten, deren Mitglieder aber bei gelegentlichen Forderungen auf die
Waffen einer selbstgewählten andern oder der durch die Zugehörigkeit des
Gegners von selbst gegebnen Verbindungsgattung losgehn. So geht es nun
mit allerhand Unterschieden bis zu den ganz losen „Blasen" herunter, deren
Mitglieder eben nur an bestimmten Tagen mit einander kneipen und sich im
spätern Leben in der Regel aus den Augen verlieren.

Von den studentischen Vereinen sind die der „deutschen Studenten" rasch
die bedeutendste und einflußreichste, aber auch wiederum meistverknnute Gruppe
geworden. Denn die ganze Verkleinerung?'-, Verhöhnnngs- und Verleumdungs-


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[0559] „gut katholischen" Bürgerkreise, also Juristen, Philologen u. s. w,, die so davor bewahrt werden sollen, durch die akademische Freiheit und persönliche Selb¬ ständigkeit, auch durch den Einfluß von Professoren und zufälligen Bekannten in Bahnen zu gleiten, die ihrer bisherigen Erziehung und den Anschauungen ihrer Eltern nicht entsprechen, und die in diesen von der Kirche wohlwollend gehegten, von der Zentrumspresse und von den Seelsorgern empfohlnen Ver¬ bindungen vielfach die Ausbildung erfahren, die sie im spätern Leben als An¬ wälte n. s, w. zu Borkämpfern der Zentrumspolitik werden läßt. Was von der Vergnüglichkeit n> s. w. der Wingolfiten gesagt wurde, gilt auch von ihnen; besonders stark ausgebildet ist bei ihnen, wiederum aus den Zwecken dieser katholischen Verbindungen heraus, ihr Zusammenhang von der einen zur andern hinüber, sodaß wer einmal als Fuchs bei ihnen eingetreten ist, niemals, wenn er die Hochschule wechselt, die verhältnismäßig große Freiheit des „auswär¬ tigen Inaktiven" bei den andern Verbindungsarten erlangt, sondern ohne weiteres der Kartellverbindung zugewiesen ist und unter der gleichen Kon¬ trolle bleibt. Zahllos und unendlich mannigfach sind die nicht farbentragenden Verbin¬ dungen und sicherlich — trotz der ebenfalls immer noch starken Zunahme der Farbenverbindungen — die neuerdings am üppigsten wuchernde Gattung. Wir werden später — in einem Schlußanfsatz — auf die Gefahr für die Farben- verbiudungeit, von dieser jüngern Gattung erstickt zu werden, und ihre sehr be¬ greiflichen Gründe zurückkommen. Ganz alte derartige „schwarze" Verbin¬ dungen giebt es nicht, in älterer Zeit hätten sie eben Farben angenommen, immerhin weisen einige doch schon Jahrzehnte des Bestehens auf. Diese sind dann auch gewöhnlich recht fest und bis auf das Fehlen von Band und Mütze ganz als Verbindung organisirt, zum Teil haben sie sogar eigne Waffen und fordern deren Anerkennung, bei deren Mangel sie die Satisfaktion verweigern. Das wird von einzelnen, um uus ganz in die studentische Anschauung hinein¬ zustellen, sehr „forsch" gehandhabt, während es wieder für andre ein Weg ist, wegen der leicht herbeizuführenden Nichtanerkennung ihrer Waffen durch die übrigen niemals zum Ausfechten einer Forderung zu gelangen. So sind vielfach solche schwarze Verbindungen „forscher," die nicht mit eignen Waffen hervortreten, deren Mitglieder aber bei gelegentlichen Forderungen auf die Waffen einer selbstgewählten andern oder der durch die Zugehörigkeit des Gegners von selbst gegebnen Verbindungsgattung losgehn. So geht es nun mit allerhand Unterschieden bis zu den ganz losen „Blasen" herunter, deren Mitglieder eben nur an bestimmten Tagen mit einander kneipen und sich im spätern Leben in der Regel aus den Augen verlieren. Von den studentischen Vereinen sind die der „deutschen Studenten" rasch die bedeutendste und einflußreichste, aber auch wiederum meistverknnute Gruppe geworden. Denn die ganze Verkleinerung?'-, Verhöhnnngs- und Verleumdungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/559>, abgerufen am 09.01.2025.