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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Bei den übrigen Verbindungen können wir uns sehr kurz fassen und
brauchen uns auch nicht mit Differenzen, die für diese selbst wichtiger er¬
scheinen, aufzuhalten. Da sind zunächst eine Reihe "Landsmannschaften,"
teils im, teils nicht im "Koburger 1^. L!." Wirkliche Landsmannschaften sind
auch sie längst nicht mehr oder nie gewesen; sonst würden z. B. die Nor-
mannia oder gar die Ghibellinia auf einen sehr schwachen Mitgliederbestand
angewiesen sein. In ihrer Absicht, um nicht zu sagen ihren Zielen, und in dem
Hauptsächlichen ihrer Organisation stehn sie den Korps früherer Jahrzehnte sehr
nahe, wollten aber eben bei ihrem Entstehen den Namen Korps und manche
damit gegebne lästige und ihnen nicht ohne weiteres erfüllbare Folgerung ver¬
meiden; heute stehn sie eigentlich, was das Auftreten und Verhalten in rein
studentischen Dingen betrifft, den Burschenschafter viel näher. Bei dem
Heere der sonstigen farbentragenden, sogenannten schlagenden Verbindungen
könnten dann wiederum sehr viele kleine Unterschiede gemacht werden, die aber
alle nicht besonders interessiren. Gerade hier ist es noch vielfach die echte
Landsmannschaft der Begründer, nämlich deren Zugehörigkeit zu demselben
deutscheu Kleinstaat, derselben Provinz, demselben Gymnasium, die zur Ent¬
stehung der Verbindung geführt hat. Vielleicht zunächst als einer lvseru
"Blase," die allmählich bunte Abzeichen annimmt und "schlagend" wird,
d. h. nur aus eigne Waffen ficht und bestimmte Paukvcrhältnisfe eingeht. Zum
Teil hat sich diese Entwicklnngsfühigkeit denn auch weiter dahin fortgesetzt, daß
diese Verbindungen sich schließlich als Korps oder Burschenschaft angemeldet
und nach der üblichen Bevbachtnngsfrist Aufnahme in einen der beiden großen
Verbände gefunden haben. Seit einer Reihe von Jahren wird dieser Ver-
Puppuugsprozeß immerhin dadurch etwas gehemmt, daß eine größere Anzahl
dieser -- übrigens fast nur auf den großen Universitäten (Berlin, Leipzig)
reichlicher gedeihenden -- Verbindungen einen eignen "<ü. L.-Verband"
geschlossen hat. dem aber doch eine beträchtliche Anzahl nicht beige-
tretner, darunter gerade angesehner, gegenübersteht. Die Finken üstimiren
diese Verbindungsgattung nicht immer allzuhoch, und bezeichnenderweise -- so
ist der Finke einmal -- die am wenigsten, die sich ohne allzuviel Geld¬
ausgeben und übertriebnes Pauken redlich mit durchschlagen. Ziemlich
ein Verbreitung und Ansehn zugenommen haben in der jüngern Zeit die
farbentragenden Turnvereine, die es mit dem Fechten wie die übrigen schla¬
genden Verbindungen halten und daneben stramm ihre einfach gute Kunst
üben.

Damit können wir ohne allzuviele Gewissensbisse wegen Unterlassungs¬
sünden zu den nichtschlagenden, d. h. sogleich zu den dem Fechten grundsätzlich
abgeneigten Farbenverbinduugeu kommen. Denn hier heißt es: tertium non
cliMr, Farbenverbinduugeu, wo nur hie und da einmal auf Mensur geht, wer
gerade Lust hat oder gefordert ist, duldet die studentische Auffassung -- auf


Bei den übrigen Verbindungen können wir uns sehr kurz fassen und
brauchen uns auch nicht mit Differenzen, die für diese selbst wichtiger er¬
scheinen, aufzuhalten. Da sind zunächst eine Reihe „Landsmannschaften,"
teils im, teils nicht im „Koburger 1^. L!." Wirkliche Landsmannschaften sind
auch sie längst nicht mehr oder nie gewesen; sonst würden z. B. die Nor-
mannia oder gar die Ghibellinia auf einen sehr schwachen Mitgliederbestand
angewiesen sein. In ihrer Absicht, um nicht zu sagen ihren Zielen, und in dem
Hauptsächlichen ihrer Organisation stehn sie den Korps früherer Jahrzehnte sehr
nahe, wollten aber eben bei ihrem Entstehen den Namen Korps und manche
damit gegebne lästige und ihnen nicht ohne weiteres erfüllbare Folgerung ver¬
meiden; heute stehn sie eigentlich, was das Auftreten und Verhalten in rein
studentischen Dingen betrifft, den Burschenschafter viel näher. Bei dem
Heere der sonstigen farbentragenden, sogenannten schlagenden Verbindungen
könnten dann wiederum sehr viele kleine Unterschiede gemacht werden, die aber
alle nicht besonders interessiren. Gerade hier ist es noch vielfach die echte
Landsmannschaft der Begründer, nämlich deren Zugehörigkeit zu demselben
deutscheu Kleinstaat, derselben Provinz, demselben Gymnasium, die zur Ent¬
stehung der Verbindung geführt hat. Vielleicht zunächst als einer lvseru
„Blase," die allmählich bunte Abzeichen annimmt und „schlagend" wird,
d. h. nur aus eigne Waffen ficht und bestimmte Paukvcrhältnisfe eingeht. Zum
Teil hat sich diese Entwicklnngsfühigkeit denn auch weiter dahin fortgesetzt, daß
diese Verbindungen sich schließlich als Korps oder Burschenschaft angemeldet
und nach der üblichen Bevbachtnngsfrist Aufnahme in einen der beiden großen
Verbände gefunden haben. Seit einer Reihe von Jahren wird dieser Ver-
Puppuugsprozeß immerhin dadurch etwas gehemmt, daß eine größere Anzahl
dieser — übrigens fast nur auf den großen Universitäten (Berlin, Leipzig)
reichlicher gedeihenden — Verbindungen einen eignen „<ü. L.-Verband"
geschlossen hat. dem aber doch eine beträchtliche Anzahl nicht beige-
tretner, darunter gerade angesehner, gegenübersteht. Die Finken üstimiren
diese Verbindungsgattung nicht immer allzuhoch, und bezeichnenderweise — so
ist der Finke einmal — die am wenigsten, die sich ohne allzuviel Geld¬
ausgeben und übertriebnes Pauken redlich mit durchschlagen. Ziemlich
ein Verbreitung und Ansehn zugenommen haben in der jüngern Zeit die
farbentragenden Turnvereine, die es mit dem Fechten wie die übrigen schla¬
genden Verbindungen halten und daneben stramm ihre einfach gute Kunst
üben.

Damit können wir ohne allzuviele Gewissensbisse wegen Unterlassungs¬
sünden zu den nichtschlagenden, d. h. sogleich zu den dem Fechten grundsätzlich
abgeneigten Farbenverbinduugeu kommen. Denn hier heißt es: tertium non
cliMr, Farbenverbinduugeu, wo nur hie und da einmal auf Mensur geht, wer
gerade Lust hat oder gefordert ist, duldet die studentische Auffassung — auf


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[0557] Bei den übrigen Verbindungen können wir uns sehr kurz fassen und brauchen uns auch nicht mit Differenzen, die für diese selbst wichtiger er¬ scheinen, aufzuhalten. Da sind zunächst eine Reihe „Landsmannschaften," teils im, teils nicht im „Koburger 1^. L!." Wirkliche Landsmannschaften sind auch sie längst nicht mehr oder nie gewesen; sonst würden z. B. die Nor- mannia oder gar die Ghibellinia auf einen sehr schwachen Mitgliederbestand angewiesen sein. In ihrer Absicht, um nicht zu sagen ihren Zielen, und in dem Hauptsächlichen ihrer Organisation stehn sie den Korps früherer Jahrzehnte sehr nahe, wollten aber eben bei ihrem Entstehen den Namen Korps und manche damit gegebne lästige und ihnen nicht ohne weiteres erfüllbare Folgerung ver¬ meiden; heute stehn sie eigentlich, was das Auftreten und Verhalten in rein studentischen Dingen betrifft, den Burschenschafter viel näher. Bei dem Heere der sonstigen farbentragenden, sogenannten schlagenden Verbindungen könnten dann wiederum sehr viele kleine Unterschiede gemacht werden, die aber alle nicht besonders interessiren. Gerade hier ist es noch vielfach die echte Landsmannschaft der Begründer, nämlich deren Zugehörigkeit zu demselben deutscheu Kleinstaat, derselben Provinz, demselben Gymnasium, die zur Ent¬ stehung der Verbindung geführt hat. Vielleicht zunächst als einer lvseru „Blase," die allmählich bunte Abzeichen annimmt und „schlagend" wird, d. h. nur aus eigne Waffen ficht und bestimmte Paukvcrhältnisfe eingeht. Zum Teil hat sich diese Entwicklnngsfühigkeit denn auch weiter dahin fortgesetzt, daß diese Verbindungen sich schließlich als Korps oder Burschenschaft angemeldet und nach der üblichen Bevbachtnngsfrist Aufnahme in einen der beiden großen Verbände gefunden haben. Seit einer Reihe von Jahren wird dieser Ver- Puppuugsprozeß immerhin dadurch etwas gehemmt, daß eine größere Anzahl dieser — übrigens fast nur auf den großen Universitäten (Berlin, Leipzig) reichlicher gedeihenden — Verbindungen einen eignen „<ü. L.-Verband" geschlossen hat. dem aber doch eine beträchtliche Anzahl nicht beige- tretner, darunter gerade angesehner, gegenübersteht. Die Finken üstimiren diese Verbindungsgattung nicht immer allzuhoch, und bezeichnenderweise — so ist der Finke einmal — die am wenigsten, die sich ohne allzuviel Geld¬ ausgeben und übertriebnes Pauken redlich mit durchschlagen. Ziemlich ein Verbreitung und Ansehn zugenommen haben in der jüngern Zeit die farbentragenden Turnvereine, die es mit dem Fechten wie die übrigen schla¬ genden Verbindungen halten und daneben stramm ihre einfach gute Kunst üben. Damit können wir ohne allzuviele Gewissensbisse wegen Unterlassungs¬ sünden zu den nichtschlagenden, d. h. sogleich zu den dem Fechten grundsätzlich abgeneigten Farbenverbinduugeu kommen. Denn hier heißt es: tertium non cliMr, Farbenverbinduugeu, wo nur hie und da einmal auf Mensur geht, wer gerade Lust hat oder gefordert ist, duldet die studentische Auffassung — auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/557>, abgerufen am 09.01.2025.