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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Aufklärungen über studentische Dinge

etwa nach Baden-Baden oder Helgoland verlegen, besondre Feinschmeckerkartells
könnten ihr Heim in Hamburg aufschlagen u. s. w., und nach drei Semestern
würden dann die Inaktiven auf die Universitäten oder auch direkt zu Qua-
ritsch entlasten werden. Nun, ganz soweit ist es ja noch nicht, und die Medi¬
ziner studiren auch in den Korps noch vielfach schon vom ersten Semester an,
aber die Zeiten, von denen wir noch wissen, sind doch wohl unwiederbring¬
lich dahin, wo sich ein paar Korpsbnrschen während ihrer Aktivität zusammen¬
thaten, um in einer freien Nachmittagsstunde -- der freien Stunden giebt es
ja leider trotz alles Nichtstudirens im heutigen Verbindnngsleben so spär¬
liche! -- mit einander ein wenig Homer und Sophokles zu lesen.

Nicht ausschließlich, aber zum guten Teil hängt mit dieser völligen Ent¬
fremdung zwischen der Universität und ihren Kreisen einesteils und den jungen
Korpsstudenten andernteils auch das zusammen, daß die Korps ihren Boden
in dem gesellschaftlichen Leben der Universitätsstädte mehr und mehr verlieren.
Wie gesagt, nicht ausschließlich; Gründe, die sonst mitspielen, sind ihr an
vielen Orten noch gestelltes Ansinnen, daß bei den Veranstaltungen der So¬
zietäten, Harmonien, Kasinos, Museums oder wie sonst die erste Bürgergesell-
schast des Orts sich nennt, ja daß selbst in Privatgesellschaften nur die Farben
der Korps gezeigt werden dürfen -- womit sie schon seit einer Reihe
von Jahren überall schnöde Ablehnung erfahren haben; ferner -- wir scheuen
uns uicht, das einmal zum wirklichen Besten der jungen Korpsiers offen aus¬
zusprechen -- ihr persönliches Benehmen, das von einer "führenden" Stellung
in der Studentenschaft gar nichts, dagegen von Naseweisheit und Ungezogen¬
heit sehr viel spüren läßt. Ungezogenheit ist eigentlich nicht das richtige
Wort, als Primaner wußten sich dieselben Leute sehr nett zu benehmen; es
ist absichtliche Hvchmutsflegelei, in die sie als Füchse eines über alle sonstigen
Sterblichen himmelhoch erhabnen Korps verfallen sind. Dies vor allem ist
es, was überall und gerade auch auf solchen Hochschulen, wo ursprünglich die
Korps wirklich dominirten, in Bonn und Heidelberg, es den Burschenschaftern
und hie und da auch Mitgliedern andrer Verbindungen ohne oder mit Farben
leichter gemacht hat, im Verkehr mit den Professoren- und Einwohnerkreisen
die beliebtesten und durchaus vorgezognen Studenten zu sein. Wir wissen
Wohl, daß auf diese Dinge von vielen Korps gar kein Wert gelegt wird, wir
wünschen auch selber für alle Klassen der Studenten, daß sie nie in die
flaue Familiensimpelei verfallen mögen, brauchen aber doch wohl die Gründe
hier uicht zu erörtern, die nicht nur für den einzelnen Studenten und für die
Zwecke, wegen deren er auf der Hochschule ist, sondern auch für die Verbin¬
dungen an sich einen netten Umgang mit der guten Gesellschaft durchaus
wünschenswert machen -- bis zu dem Grunde herab, daß die Abiturienten
aus der Universitätsstadt selber am ehesten in die Verbindung eintreten werden,
die in ihrem Elternhause am meisten gekannt und geachtet ist.


Aufklärungen über studentische Dinge

etwa nach Baden-Baden oder Helgoland verlegen, besondre Feinschmeckerkartells
könnten ihr Heim in Hamburg aufschlagen u. s. w., und nach drei Semestern
würden dann die Inaktiven auf die Universitäten oder auch direkt zu Qua-
ritsch entlasten werden. Nun, ganz soweit ist es ja noch nicht, und die Medi¬
ziner studiren auch in den Korps noch vielfach schon vom ersten Semester an,
aber die Zeiten, von denen wir noch wissen, sind doch wohl unwiederbring¬
lich dahin, wo sich ein paar Korpsbnrschen während ihrer Aktivität zusammen¬
thaten, um in einer freien Nachmittagsstunde — der freien Stunden giebt es
ja leider trotz alles Nichtstudirens im heutigen Verbindnngsleben so spär¬
liche! — mit einander ein wenig Homer und Sophokles zu lesen.

Nicht ausschließlich, aber zum guten Teil hängt mit dieser völligen Ent¬
fremdung zwischen der Universität und ihren Kreisen einesteils und den jungen
Korpsstudenten andernteils auch das zusammen, daß die Korps ihren Boden
in dem gesellschaftlichen Leben der Universitätsstädte mehr und mehr verlieren.
Wie gesagt, nicht ausschließlich; Gründe, die sonst mitspielen, sind ihr an
vielen Orten noch gestelltes Ansinnen, daß bei den Veranstaltungen der So¬
zietäten, Harmonien, Kasinos, Museums oder wie sonst die erste Bürgergesell-
schast des Orts sich nennt, ja daß selbst in Privatgesellschaften nur die Farben
der Korps gezeigt werden dürfen — womit sie schon seit einer Reihe
von Jahren überall schnöde Ablehnung erfahren haben; ferner — wir scheuen
uns uicht, das einmal zum wirklichen Besten der jungen Korpsiers offen aus¬
zusprechen — ihr persönliches Benehmen, das von einer „führenden" Stellung
in der Studentenschaft gar nichts, dagegen von Naseweisheit und Ungezogen¬
heit sehr viel spüren läßt. Ungezogenheit ist eigentlich nicht das richtige
Wort, als Primaner wußten sich dieselben Leute sehr nett zu benehmen; es
ist absichtliche Hvchmutsflegelei, in die sie als Füchse eines über alle sonstigen
Sterblichen himmelhoch erhabnen Korps verfallen sind. Dies vor allem ist
es, was überall und gerade auch auf solchen Hochschulen, wo ursprünglich die
Korps wirklich dominirten, in Bonn und Heidelberg, es den Burschenschaftern
und hie und da auch Mitgliedern andrer Verbindungen ohne oder mit Farben
leichter gemacht hat, im Verkehr mit den Professoren- und Einwohnerkreisen
die beliebtesten und durchaus vorgezognen Studenten zu sein. Wir wissen
Wohl, daß auf diese Dinge von vielen Korps gar kein Wert gelegt wird, wir
wünschen auch selber für alle Klassen der Studenten, daß sie nie in die
flaue Familiensimpelei verfallen mögen, brauchen aber doch wohl die Gründe
hier uicht zu erörtern, die nicht nur für den einzelnen Studenten und für die
Zwecke, wegen deren er auf der Hochschule ist, sondern auch für die Verbin¬
dungen an sich einen netten Umgang mit der guten Gesellschaft durchaus
wünschenswert machen — bis zu dem Grunde herab, daß die Abiturienten
aus der Universitätsstadt selber am ehesten in die Verbindung eintreten werden,
die in ihrem Elternhause am meisten gekannt und geachtet ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/556>, abgerufen am 09.01.2025.