Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Aufklärungen über studentische Dinge aber den Aktiven den Eindruck eines ungeheuer nobeln und wohlsituirten alten In dem zunehmenden Geldverthun sehn wir die innere Hauptgefahr sür Für ungerechtfertigt halten wir aber den häufig zu findenden Vorwurf, Gerechtfertigter ist es wieder, wenn mau besorgt darauf hingewiesen hat, Aufklärungen über studentische Dinge aber den Aktiven den Eindruck eines ungeheuer nobeln und wohlsituirten alten In dem zunehmenden Geldverthun sehn wir die innere Hauptgefahr sür Für ungerechtfertigt halten wir aber den häufig zu findenden Vorwurf, Gerechtfertigter ist es wieder, wenn mau besorgt darauf hingewiesen hat, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0555" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213031"/> <fw type="header" place="top"> Aufklärungen über studentische Dinge</fw><lb/> <p xml:id="ID_1833" prev="#ID_1832"> aber den Aktiven den Eindruck eines ungeheuer nobeln und wohlsituirten alten<lb/> Herrn, sodaß aus der Addition dieser Eindrücke die Überzeugung entsteht,<lb/> daß die betreffende Verbindung eine Finanzmacht ersten Ranges sei, dem gegen¬<lb/> über der schlechte Kassenabschluß des laufende!? Semesters nicht das geringste<lb/> zu bedeuten habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1834"> In dem zunehmenden Geldverthun sehn wir die innere Hauptgefahr sür<lb/> den Fortbestand dessen, was gut und tüchtig im Korpswesen ist. Die For¬<lb/> derung eines hohen „Wechsels" für die Eintretenden (bei manchen Korps<lb/> werden 3000 Mark jährlich und noch weit mehr von den Mitgliedern ver¬<lb/> braucht) vermag da nichts zu helfen; durch sie werden die Korps nur eben<lb/> mehr und mehr, wie gesagt, ans die modernen Geldkreise angewiesen, und die<lb/> gedankenarmen Sprößlinge der Parvenus, unter denen die zahlreichen Bier-<lb/> brnnersöhne bei weitem noch nicht die übelsten sind, suchen dann, was ihnen<lb/> an Herkunft, Sicherheit und unabsichtlicher Vornehmheit fehlt, bei der zum<lb/> Glück immer noch großen Wertschätzung dieser Dinge in den Korps desto<lb/> eifriger durch die Verdeutlichung ihrer Finanzkraft wett zu machen. So ent¬<lb/> wickelt sich ein leidiger oiroulus vitiosus, dessen Ergebnis eine stets wachsende<lb/> Verteuerung des Lebens in dein betreffenden Korps und die weitere Betonung<lb/> und Hinaufschraubung der finanziellen Gesichtspunkte bei der Aufnahme neuer<lb/> Mitglieder ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1835"> Für ungerechtfertigt halten wir aber den häufig zu findenden Vorwurf,<lb/> die Einrichtung und Disziplin der Korps wirke verdünnend und schädige die<lb/> Individualität. Die Kvrpserziehuug soll ja doch uur für die spätere Be¬<lb/> fähigung, verantwortungsvolle Stellen einzunehmen, vorbilden. Denn so sonder¬<lb/> bar es auch manchen klingen mag, kaum werden irgendwo an die Verantwort¬<lb/> lichkeit, das Pflichtgefühl, die Selbständigkeit, die augenblickliche Entschlossen¬<lb/> heit und den Takt eines Beamten so strenge Anforderungen erhoben, wie<lb/> gegenüber den mit der Leitung und Vertretung einer studentischen Verbindung<lb/> betrauten Chargirten, und wiederum nirgends deckt ihn der studentische Parla¬<lb/> mentarismus und die kollegiale Sachbehandlung weniger, als bei den Korps.<lb/> Dasselbe trifft in nicht viel geringerm Grade auch für die übrigen Mitglieder zu,<lb/> denn die Disziplin der studentischen Korporationen ist uirgeuds, gerade auch<lb/> den Füchsen gegenüber nicht, eine blinde und mechanische, wie etwa in einer<lb/> Anstalt, sondern legt absichtlich überall Verantwortlichkeit auf, und nur darnach,<lb/> wie diese bewahrt wird, erfolgen die Beförderungen innerhalb der Verbindung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1836" next="#ID_1837"> Gerechtfertigter ist es wieder, wenn mau besorgt darauf hingewiesen hat,<lb/> daß die aktiven Korps heutzutage in höhern geistigen Dingen versimpeln und<lb/> insbesondre mit der Hochschule als univsrsitas littsiArurn so gut wie gar nichts<lb/> uuchr zu thun haben. In der That ist fast gar kein Grund mehr, weshalb sie<lb/> gerade in Bonn, Heidelberg, Straßburg oder Freiburg bestehen; man könnte<lb/> sie ohne Schaden, wenn mau ihnen nur einen Paukboden sicherte, ebensogut</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0555]
Aufklärungen über studentische Dinge
aber den Aktiven den Eindruck eines ungeheuer nobeln und wohlsituirten alten
Herrn, sodaß aus der Addition dieser Eindrücke die Überzeugung entsteht,
daß die betreffende Verbindung eine Finanzmacht ersten Ranges sei, dem gegen¬
über der schlechte Kassenabschluß des laufende!? Semesters nicht das geringste
zu bedeuten habe.
In dem zunehmenden Geldverthun sehn wir die innere Hauptgefahr sür
den Fortbestand dessen, was gut und tüchtig im Korpswesen ist. Die For¬
derung eines hohen „Wechsels" für die Eintretenden (bei manchen Korps
werden 3000 Mark jährlich und noch weit mehr von den Mitgliedern ver¬
braucht) vermag da nichts zu helfen; durch sie werden die Korps nur eben
mehr und mehr, wie gesagt, ans die modernen Geldkreise angewiesen, und die
gedankenarmen Sprößlinge der Parvenus, unter denen die zahlreichen Bier-
brnnersöhne bei weitem noch nicht die übelsten sind, suchen dann, was ihnen
an Herkunft, Sicherheit und unabsichtlicher Vornehmheit fehlt, bei der zum
Glück immer noch großen Wertschätzung dieser Dinge in den Korps desto
eifriger durch die Verdeutlichung ihrer Finanzkraft wett zu machen. So ent¬
wickelt sich ein leidiger oiroulus vitiosus, dessen Ergebnis eine stets wachsende
Verteuerung des Lebens in dein betreffenden Korps und die weitere Betonung
und Hinaufschraubung der finanziellen Gesichtspunkte bei der Aufnahme neuer
Mitglieder ist.
Für ungerechtfertigt halten wir aber den häufig zu findenden Vorwurf,
die Einrichtung und Disziplin der Korps wirke verdünnend und schädige die
Individualität. Die Kvrpserziehuug soll ja doch uur für die spätere Be¬
fähigung, verantwortungsvolle Stellen einzunehmen, vorbilden. Denn so sonder¬
bar es auch manchen klingen mag, kaum werden irgendwo an die Verantwort¬
lichkeit, das Pflichtgefühl, die Selbständigkeit, die augenblickliche Entschlossen¬
heit und den Takt eines Beamten so strenge Anforderungen erhoben, wie
gegenüber den mit der Leitung und Vertretung einer studentischen Verbindung
betrauten Chargirten, und wiederum nirgends deckt ihn der studentische Parla¬
mentarismus und die kollegiale Sachbehandlung weniger, als bei den Korps.
Dasselbe trifft in nicht viel geringerm Grade auch für die übrigen Mitglieder zu,
denn die Disziplin der studentischen Korporationen ist uirgeuds, gerade auch
den Füchsen gegenüber nicht, eine blinde und mechanische, wie etwa in einer
Anstalt, sondern legt absichtlich überall Verantwortlichkeit auf, und nur darnach,
wie diese bewahrt wird, erfolgen die Beförderungen innerhalb der Verbindung.
Gerechtfertigter ist es wieder, wenn mau besorgt darauf hingewiesen hat,
daß die aktiven Korps heutzutage in höhern geistigen Dingen versimpeln und
insbesondre mit der Hochschule als univsrsitas littsiArurn so gut wie gar nichts
uuchr zu thun haben. In der That ist fast gar kein Grund mehr, weshalb sie
gerade in Bonn, Heidelberg, Straßburg oder Freiburg bestehen; man könnte
sie ohne Schaden, wenn mau ihnen nur einen Paukboden sicherte, ebensogut
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