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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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als der Ackerbauer mit seiner mechanischen Beschäftigung. Nur an seinein
Ruhetage, wo er in eine durchaus menschliche Existenz eintrete, gebühre es
auch diesem, daß er "das Bessere, das der Boden seines Landes gewährt,
mit genieße und eine des freien Menschen würdige Kleidung trage."

Es ist aber wohl zehn gegen eins zu wetten, daß dieser Ackerbauer gar
bald den Appetit bekommen wird, in dieselbe "durchaus menschliche Existenz"
einzutreten, in die z. V. der Maun der höhern Kunst und Wissenschaft ein¬
getreten ist, und worin er tagtäglich das Bessere genießt. Soll aber der
sozialistisch eingerichtete Staat nicht sofort in Trümmer gehen, so darf der
Handarbeiter das nicht. Mit der gleichen Verteilung des Angenehmen ist es
also wiederum nicht weit her. Die notdürftigen Nahrungsmittel mögen sich
am Ende vielleicht in die Berechnung einstellen lassen, sodaß jeder zu leben
hat. Die Annehmlichkeit aber, die auf Geschmack und Neigung steht, läßt sich
nicht mit in diese Rechnung bringen, wie sie die Regierung aufzustellen haben
soll. Richtig ist, daß alle in diesem Staat Diener des Ganzen sind, keiner
sich sonderlich bereichern, auch keiner verarmen kaun, daß allen einzelnen die
Fortdauer ihres Zustandes und dadurch dem Ganzen seine ruhige und gleich¬
müßige Fortdauer verbürgt ist; aber daß der einzelne in diesem Zustande zu
irgend welcher Annehmlichkeit des Lebens komme, dafür kann keine Aussicht,
geschweige denn eine Bürgschaft gegeben werden. Die ganze Kunst der Re¬
gierung läuft darauf hinaus, den Staat zu einem Staate der Notdurft zu
macheu und in der Gewähr des Notdürftigen zu erhalte", und das alles
durch Gesetz und Zwang.

Davor schrickt Fichtes Theorie auch gar nicht zurück. Er sagt aus¬
drücklich, daß dieser aus dem Gleichgewichte des Verkehrs erfolgende Zustand
allen seinen Bürgern "durch Gesetz und Zwang zuzusichern" sei. Und ebenso
wenig schrickt er vor der Folge dieses Satzes zurück. Denn die Folge ist, daß
jeder Einfluß abgeschnitten werden muß, der dieses Gleichgewicht stören könnte.
Alle Personen dieses Staates müssen also nnter der Botmäßigkeit der Regie¬
rung stehn. Da nun das bei Ausländern nicht der Fall sein mürbe, so muß
jeder Verkehr mit den Ausländern den Unterthanen unmöglich gemacht werden-
Der Staat mit seinem aufgestellten Verkehrs- und Handelssystem muß ein
geschlossener sein; daher sein Name: der Vernunftstaat ist der "geschlossene
Handelsstaat." Er ist ein geschlossenes Reich des Verkehrs, wie er ein ge¬
schlossenes Reich der Gesetze und der Menschen ist. Nur in der möglichsten
Unabhängigkeit des geschlossenen Handelsstaates und in der selbständigen Er¬
zeugung seiner Bedürfnisse aus sich selbst ist es möglich, jeden Streit gegen¬
seitig sich überbietender und alle Schwankungen des Nationalvermögens mög¬
lichst auszuschließen.

Bedarf der Staat eines Tauschhandels mit andern Nationen, so hat ihn
lediglich die Negierung zu führen, wie diese allein Krieg zu beschließen und


als der Ackerbauer mit seiner mechanischen Beschäftigung. Nur an seinein
Ruhetage, wo er in eine durchaus menschliche Existenz eintrete, gebühre es
auch diesem, daß er „das Bessere, das der Boden seines Landes gewährt,
mit genieße und eine des freien Menschen würdige Kleidung trage."

Es ist aber wohl zehn gegen eins zu wetten, daß dieser Ackerbauer gar
bald den Appetit bekommen wird, in dieselbe „durchaus menschliche Existenz"
einzutreten, in die z. V. der Maun der höhern Kunst und Wissenschaft ein¬
getreten ist, und worin er tagtäglich das Bessere genießt. Soll aber der
sozialistisch eingerichtete Staat nicht sofort in Trümmer gehen, so darf der
Handarbeiter das nicht. Mit der gleichen Verteilung des Angenehmen ist es
also wiederum nicht weit her. Die notdürftigen Nahrungsmittel mögen sich
am Ende vielleicht in die Berechnung einstellen lassen, sodaß jeder zu leben
hat. Die Annehmlichkeit aber, die auf Geschmack und Neigung steht, läßt sich
nicht mit in diese Rechnung bringen, wie sie die Regierung aufzustellen haben
soll. Richtig ist, daß alle in diesem Staat Diener des Ganzen sind, keiner
sich sonderlich bereichern, auch keiner verarmen kaun, daß allen einzelnen die
Fortdauer ihres Zustandes und dadurch dem Ganzen seine ruhige und gleich¬
müßige Fortdauer verbürgt ist; aber daß der einzelne in diesem Zustande zu
irgend welcher Annehmlichkeit des Lebens komme, dafür kann keine Aussicht,
geschweige denn eine Bürgschaft gegeben werden. Die ganze Kunst der Re¬
gierung läuft darauf hinaus, den Staat zu einem Staate der Notdurft zu
macheu und in der Gewähr des Notdürftigen zu erhalte», und das alles
durch Gesetz und Zwang.

Davor schrickt Fichtes Theorie auch gar nicht zurück. Er sagt aus¬
drücklich, daß dieser aus dem Gleichgewichte des Verkehrs erfolgende Zustand
allen seinen Bürgern „durch Gesetz und Zwang zuzusichern" sei. Und ebenso
wenig schrickt er vor der Folge dieses Satzes zurück. Denn die Folge ist, daß
jeder Einfluß abgeschnitten werden muß, der dieses Gleichgewicht stören könnte.
Alle Personen dieses Staates müssen also nnter der Botmäßigkeit der Regie¬
rung stehn. Da nun das bei Ausländern nicht der Fall sein mürbe, so muß
jeder Verkehr mit den Ausländern den Unterthanen unmöglich gemacht werden-
Der Staat mit seinem aufgestellten Verkehrs- und Handelssystem muß ein
geschlossener sein; daher sein Name: der Vernunftstaat ist der „geschlossene
Handelsstaat." Er ist ein geschlossenes Reich des Verkehrs, wie er ein ge¬
schlossenes Reich der Gesetze und der Menschen ist. Nur in der möglichsten
Unabhängigkeit des geschlossenen Handelsstaates und in der selbständigen Er¬
zeugung seiner Bedürfnisse aus sich selbst ist es möglich, jeden Streit gegen¬
seitig sich überbietender und alle Schwankungen des Nationalvermögens mög¬
lichst auszuschließen.

Bedarf der Staat eines Tauschhandels mit andern Nationen, so hat ihn
lediglich die Negierung zu führen, wie diese allein Krieg zu beschließen und


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[0544] als der Ackerbauer mit seiner mechanischen Beschäftigung. Nur an seinein Ruhetage, wo er in eine durchaus menschliche Existenz eintrete, gebühre es auch diesem, daß er „das Bessere, das der Boden seines Landes gewährt, mit genieße und eine des freien Menschen würdige Kleidung trage." Es ist aber wohl zehn gegen eins zu wetten, daß dieser Ackerbauer gar bald den Appetit bekommen wird, in dieselbe „durchaus menschliche Existenz" einzutreten, in die z. V. der Maun der höhern Kunst und Wissenschaft ein¬ getreten ist, und worin er tagtäglich das Bessere genießt. Soll aber der sozialistisch eingerichtete Staat nicht sofort in Trümmer gehen, so darf der Handarbeiter das nicht. Mit der gleichen Verteilung des Angenehmen ist es also wiederum nicht weit her. Die notdürftigen Nahrungsmittel mögen sich am Ende vielleicht in die Berechnung einstellen lassen, sodaß jeder zu leben hat. Die Annehmlichkeit aber, die auf Geschmack und Neigung steht, läßt sich nicht mit in diese Rechnung bringen, wie sie die Regierung aufzustellen haben soll. Richtig ist, daß alle in diesem Staat Diener des Ganzen sind, keiner sich sonderlich bereichern, auch keiner verarmen kaun, daß allen einzelnen die Fortdauer ihres Zustandes und dadurch dem Ganzen seine ruhige und gleich¬ müßige Fortdauer verbürgt ist; aber daß der einzelne in diesem Zustande zu irgend welcher Annehmlichkeit des Lebens komme, dafür kann keine Aussicht, geschweige denn eine Bürgschaft gegeben werden. Die ganze Kunst der Re¬ gierung läuft darauf hinaus, den Staat zu einem Staate der Notdurft zu macheu und in der Gewähr des Notdürftigen zu erhalte», und das alles durch Gesetz und Zwang. Davor schrickt Fichtes Theorie auch gar nicht zurück. Er sagt aus¬ drücklich, daß dieser aus dem Gleichgewichte des Verkehrs erfolgende Zustand allen seinen Bürgern „durch Gesetz und Zwang zuzusichern" sei. Und ebenso wenig schrickt er vor der Folge dieses Satzes zurück. Denn die Folge ist, daß jeder Einfluß abgeschnitten werden muß, der dieses Gleichgewicht stören könnte. Alle Personen dieses Staates müssen also nnter der Botmäßigkeit der Regie¬ rung stehn. Da nun das bei Ausländern nicht der Fall sein mürbe, so muß jeder Verkehr mit den Ausländern den Unterthanen unmöglich gemacht werden- Der Staat mit seinem aufgestellten Verkehrs- und Handelssystem muß ein geschlossener sein; daher sein Name: der Vernunftstaat ist der „geschlossene Handelsstaat." Er ist ein geschlossenes Reich des Verkehrs, wie er ein ge¬ schlossenes Reich der Gesetze und der Menschen ist. Nur in der möglichsten Unabhängigkeit des geschlossenen Handelsstaates und in der selbständigen Er¬ zeugung seiner Bedürfnisse aus sich selbst ist es möglich, jeden Streit gegen¬ seitig sich überbietender und alle Schwankungen des Nationalvermögens mög¬ lichst auszuschließen. Bedarf der Staat eines Tauschhandels mit andern Nationen, so hat ihn lediglich die Negierung zu führen, wie diese allein Krieg zu beschließen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/544>, abgerufen am 08.01.2025.