Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Mußte es so kommen? ist, daß von den bekannten fünf Forderungen des Erfurter Programms, die Sie lauten:
1. Eine wirksame nationale und internationale Arbeiterschntzgeschgebung auf folgender Grund¬ lage: a) Festsetzung eines höchstens acht Stunden betragenden Normalarbeitstags. b) Verbot der Erwerbsarbeit für Kinder unter vierzehn Jahren. <I) Eine ununterbrochne Ruhepause von mindestens sechsunddreißig Stunden in jeder Woche für jeden Arbeiter, s) Verbot des Trucksystems. <:) Verbot der Nachtarbeit, außer für solche Industriezweige, die ihrer Natur nach, aus technischen Gründen oder aus Gründen der öffentlichen Wohlfahrt Nachtarbeit erheischen, Z, Überwachung aller gewerblichen Betriebe, Erforschung und Regelung der Arbeitsverhält¬ nisse in Stadt und Land durch ein Reichsarbeitsamt, Bezirksarbeitsämter und Arbeits¬ kammern. Durchgreifende gewerbliche Hygiene. 3. Rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den gewerblichen Arbeitern; Beseitigung der Gesindeordnungen. 4. Sicherstellung des Koalitionsrcchts. 5. Übernahme der gesamten Arbeiterversichernng durch das Reich mit maßgebender Mitwirkung der Arbeiter an der Verwaltung. Mußte es so kommen? ist, daß von den bekannten fünf Forderungen des Erfurter Programms, die Sie lauten:
1. Eine wirksame nationale und internationale Arbeiterschntzgeschgebung auf folgender Grund¬ lage: a) Festsetzung eines höchstens acht Stunden betragenden Normalarbeitstags. b) Verbot der Erwerbsarbeit für Kinder unter vierzehn Jahren. <I) Eine ununterbrochne Ruhepause von mindestens sechsunddreißig Stunden in jeder Woche für jeden Arbeiter, s) Verbot des Trucksystems. <:) Verbot der Nachtarbeit, außer für solche Industriezweige, die ihrer Natur nach, aus technischen Gründen oder aus Gründen der öffentlichen Wohlfahrt Nachtarbeit erheischen, Z, Überwachung aller gewerblichen Betriebe, Erforschung und Regelung der Arbeitsverhält¬ nisse in Stadt und Land durch ein Reichsarbeitsamt, Bezirksarbeitsämter und Arbeits¬ kammern. Durchgreifende gewerbliche Hygiene. 3. Rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den gewerblichen Arbeitern; Beseitigung der Gesindeordnungen. 4. Sicherstellung des Koalitionsrcchts. 5. Übernahme der gesamten Arbeiterversichernng durch das Reich mit maßgebender Mitwirkung der Arbeiter an der Verwaltung. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0400" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212876"/> <fw type="header" place="top"> Mußte es so kommen?</fw><lb/> <p xml:id="ID_1346" prev="#ID_1345"> ist, daß von den bekannten fünf Forderungen des Erfurter Programms, die<lb/> von der sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum Schutz der Arbeiterklasse<lb/> „zunächst" aufgestellt werden,^) kaum eine grundsätzlich verworfen, manche be¬<lb/> schränkt und selbst unbeschränkt befürwortet werden. Es darf deshalb als ein<lb/> wissenschaftlich jedenfalls überwundner Standpunkt bezeichnet werden, wenn<lb/> auch gegen diesen Teil der sozialdemokratischen Bestrebungen immer wieder das<lb/> rote Gespenst und immer wieder mit Erfolg hervorgeholt wird. Auch ist es<lb/> ein Trugschluß oder ein Fechterkuuststück, den sozialistischen Zukunftsstaat act<lb/> Ädsuräuin zu führen und damit auch jene nächsten Ziele als ebenso unsinnig<lb/> und unlogisch ohne weiteres für abgethan zu erklären. Besonders erfreulich<lb/> ist, daß unter den Vertretern der heutigen nationalökonomischen Wissenschaft<lb/> selbst der verhängnisvolle Klassengegensatz und Klasscndünkel nahezu über¬<lb/> wunden, jeder Mitarbeiter willkommen scheint. Daß wir von verschiednen<lb/> namhaften Sozialdemokraten sehr beachtenswerte Untersuchungen über die Lage<lb/> einzelner Gewerbe besitzen, ist bekannt. Es ist ebenso politisch klug wie sach¬<lb/> dienlich, daß auch in die neugeschaffne Kommission für Arbeitsstatistik Sozial-<lb/> demokraten als ständige Mitglieder berufen worden sind. Denn man täusche<lb/> sich nicht: innerhalb der Sozialdemokratie beginnt der tiefe Wissensdrang, der we¬<lb/> nigstens an den deutschen Sozialisten schon längst bemerkt worden ist, jetzt Früchte<lb/> zu tragen. Neue, mit dem ganzen Rüstzeug der modernen Bildung gewappnete<lb/> Talente fallen ihr zu. Die Redakteure ihrer Blätter sind heute zum großen<lb/> Teil akademisch gebildete Leute, und ihre Tagespresse hat die Leistungen der<lb/> kleinen Prvvinzialpresse, die von politischen Waschzetteln und vom Tagesklatsch<lb/> leben muß, vielfach überflügelt. Zudem haben ihre Mitarbeiter täglich Ge¬<lb/> legenheit, die soziale Frage an ihrem Leibe und an ihrem Magen zu studiren,</p><lb/> <note xml:id="FID_36" place="foot"> <p xml:id="ID_1347" next="#ID_1348"> Sie lauten:</p> <list> <item> 1. Eine wirksame nationale und internationale Arbeiterschntzgeschgebung auf folgender Grund¬<lb/> lage:<lb/><list><item> a) Festsetzung eines höchstens acht Stunden betragenden Normalarbeitstags.</item><item> b) Verbot der Erwerbsarbeit für Kinder unter vierzehn Jahren.</item><item> <I) Eine ununterbrochne Ruhepause von mindestens sechsunddreißig Stunden in jeder<lb/> Woche für jeden Arbeiter,</item><item> s) Verbot des Trucksystems.</item></list><lb/><lb/> </item> <item> <:) Verbot der Nachtarbeit, außer für solche Industriezweige, die ihrer Natur nach, aus<lb/> technischen Gründen oder aus Gründen der öffentlichen Wohlfahrt Nachtarbeit erheischen,</item> <item> Z, Überwachung aller gewerblichen Betriebe, Erforschung und Regelung der Arbeitsverhält¬<lb/> nisse in Stadt und Land durch ein Reichsarbeitsamt, Bezirksarbeitsämter und Arbeits¬<lb/> kammern. Durchgreifende gewerbliche Hygiene.</item> <item> 3. Rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den<lb/> gewerblichen Arbeitern; Beseitigung der Gesindeordnungen.</item> <item> 4. Sicherstellung des Koalitionsrcchts.</item> <item> 5. Übernahme der gesamten Arbeiterversichernng durch das Reich mit maßgebender Mitwirkung<lb/> der Arbeiter an der Verwaltung.</item> </list> </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0400]
Mußte es so kommen?
ist, daß von den bekannten fünf Forderungen des Erfurter Programms, die
von der sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum Schutz der Arbeiterklasse
„zunächst" aufgestellt werden,^) kaum eine grundsätzlich verworfen, manche be¬
schränkt und selbst unbeschränkt befürwortet werden. Es darf deshalb als ein
wissenschaftlich jedenfalls überwundner Standpunkt bezeichnet werden, wenn
auch gegen diesen Teil der sozialdemokratischen Bestrebungen immer wieder das
rote Gespenst und immer wieder mit Erfolg hervorgeholt wird. Auch ist es
ein Trugschluß oder ein Fechterkuuststück, den sozialistischen Zukunftsstaat act
Ädsuräuin zu führen und damit auch jene nächsten Ziele als ebenso unsinnig
und unlogisch ohne weiteres für abgethan zu erklären. Besonders erfreulich
ist, daß unter den Vertretern der heutigen nationalökonomischen Wissenschaft
selbst der verhängnisvolle Klassengegensatz und Klasscndünkel nahezu über¬
wunden, jeder Mitarbeiter willkommen scheint. Daß wir von verschiednen
namhaften Sozialdemokraten sehr beachtenswerte Untersuchungen über die Lage
einzelner Gewerbe besitzen, ist bekannt. Es ist ebenso politisch klug wie sach¬
dienlich, daß auch in die neugeschaffne Kommission für Arbeitsstatistik Sozial-
demokraten als ständige Mitglieder berufen worden sind. Denn man täusche
sich nicht: innerhalb der Sozialdemokratie beginnt der tiefe Wissensdrang, der we¬
nigstens an den deutschen Sozialisten schon längst bemerkt worden ist, jetzt Früchte
zu tragen. Neue, mit dem ganzen Rüstzeug der modernen Bildung gewappnete
Talente fallen ihr zu. Die Redakteure ihrer Blätter sind heute zum großen
Teil akademisch gebildete Leute, und ihre Tagespresse hat die Leistungen der
kleinen Prvvinzialpresse, die von politischen Waschzetteln und vom Tagesklatsch
leben muß, vielfach überflügelt. Zudem haben ihre Mitarbeiter täglich Ge¬
legenheit, die soziale Frage an ihrem Leibe und an ihrem Magen zu studiren,
Sie lauten:
1. Eine wirksame nationale und internationale Arbeiterschntzgeschgebung auf folgender Grund¬
lage:
a) Festsetzung eines höchstens acht Stunden betragenden Normalarbeitstags.
b) Verbot der Erwerbsarbeit für Kinder unter vierzehn Jahren.
<I) Eine ununterbrochne Ruhepause von mindestens sechsunddreißig Stunden in jeder
Woche für jeden Arbeiter,
s) Verbot des Trucksystems.
<:) Verbot der Nachtarbeit, außer für solche Industriezweige, die ihrer Natur nach, aus
technischen Gründen oder aus Gründen der öffentlichen Wohlfahrt Nachtarbeit erheischen,
Z, Überwachung aller gewerblichen Betriebe, Erforschung und Regelung der Arbeitsverhält¬
nisse in Stadt und Land durch ein Reichsarbeitsamt, Bezirksarbeitsämter und Arbeits¬
kammern. Durchgreifende gewerbliche Hygiene.
3. Rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den
gewerblichen Arbeitern; Beseitigung der Gesindeordnungen.
4. Sicherstellung des Koalitionsrcchts.
5. Übernahme der gesamten Arbeiterversichernng durch das Reich mit maßgebender Mitwirkung
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