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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Sedan, die Wälle, die Festung, das ganze verwickelte System der Festungs-
anlagen. Und rund herum alle die Dörfer, über das Land zerstreut, und
sauber und irisch wie aus einem Spielzeugkasten... . Die Maas erschien unter
dieser Beleuchtung in ihren langgestreckten Windungen wie ein goldner Strom.
Und das entsetzliche, blutgetränkte Schlachtfeld glich bei diesem Sonnenunter¬
gang, von der Höhe gesehen, einem kunstvollen Gemälde: tote Reiter, zer-
rißne Pferde bedeckten die Hochfläche von Floing wie helle Stellen; rechts
nach Givonue zu fesselten die letzten Bewegungen des Rückzugs das Auge des
Zuschauers durch den Wirrwarr laufender, sich überstürzender kleiner schwarzer
Gestalten. Links auf der Halbinsel von Jges stand eine bairische Batterie;
sie sah mit ihren Kanonen, die so dick wie Zündhölzchen erschienen, wie ein
gut aufgezognes Spielwerk aus, so regelmüßig arbeitete sie. Das war der
hoffnungslose, niederschmetternde Sieg, und der König empfand keine Ge¬
wissensbisse vor diesen Leichen, vor diesen Tausenden zusammengedrückter
Menschen, vor diesem weitausgedehnter Grunde, worin die unempfindliche
Natur an diesem Schlüsse eines sonnigen Tages schon blieb trotz der Feuers¬
brunst in Bazeilles, trotz des Blutbades bei Jllh, trotz der Todesangst in
Sedan."

Von Moltke hören wir weiter nichts, als was man bei seinem Tode in
allen französischen Zeitungen zu lesen bekam, nämlich daß er kein großer Feld¬
herr, sondern ein geschickter Rechenmeister gewesen sei, der nnr durch die Über¬
legenheit der Masse den Widerstand niederzuwerfen vermocht habe. Hu tsr-
ridle- lwmnro, ve- als NolUlö, soo et aur, avso W fg,(Z6 Aiibrs as
Minute MatuLMütiviLn, <mi M^init Je8 dataillss Zu donet et"z son cAviuet',,
-l, <Z0up8 et'alAvw'o! Auch vou Vismarck weiß Zola nicht viel mehr zu er¬
zähle", als daß er bei der Begegnung mit Napoleon eine alte Mütze und
große Schmierstiefel getragen habe und von einem air as alö^no dem vulÄut.
sei. Der einzige deutsche Offizier, der als halbwegs gebildeter Mann auftritt,
ist der Landwehrhauptmann von Gartlanben. Zola unterläßt aber nicht zu
bemerken, daß dieser Offizier längere Zeit in Paris gelebt und sich dort bessere
Sitten angeeignet habe. So gelingt es denn auch diesem Deutschen, die Liebe
und die äußersten Gunstbezeigungen der koketten Madame Gilberte in Sedan
ziemlich leicht zu gewinnen. Selbstverständlich spielt der preußische Spion in dem
Roman eine große Rolle. Er heißt Goliath Steinberg, ist ein Mensch von
riesiger Kraft und dummschlauem Wesen und hat als Bauernknecht in der Nähe
von Beaumont gearbeitet. Als die Franzosen hier ihr Lager aufschlagen, führt
er die Baiern hiu und wird so der Urheber der furchtbaren Niederlage. Bei
einem Stelldichein, das ihm die Magd Silvine auf dem Hofe des alten Bauern
Fouchard gewährt, wird er von Franktireurs ergriffen, nach langem Wider¬
stände gefesselt und geknebelt und schließlich nach einem lächerlichen Gerichts¬
verfahren, das die drei Franktireurs über ihn abhalten, wie ein Schwein ab-


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Sedan, die Wälle, die Festung, das ganze verwickelte System der Festungs-
anlagen. Und rund herum alle die Dörfer, über das Land zerstreut, und
sauber und irisch wie aus einem Spielzeugkasten... . Die Maas erschien unter
dieser Beleuchtung in ihren langgestreckten Windungen wie ein goldner Strom.
Und das entsetzliche, blutgetränkte Schlachtfeld glich bei diesem Sonnenunter¬
gang, von der Höhe gesehen, einem kunstvollen Gemälde: tote Reiter, zer-
rißne Pferde bedeckten die Hochfläche von Floing wie helle Stellen; rechts
nach Givonue zu fesselten die letzten Bewegungen des Rückzugs das Auge des
Zuschauers durch den Wirrwarr laufender, sich überstürzender kleiner schwarzer
Gestalten. Links auf der Halbinsel von Jges stand eine bairische Batterie;
sie sah mit ihren Kanonen, die so dick wie Zündhölzchen erschienen, wie ein
gut aufgezognes Spielwerk aus, so regelmüßig arbeitete sie. Das war der
hoffnungslose, niederschmetternde Sieg, und der König empfand keine Ge¬
wissensbisse vor diesen Leichen, vor diesen Tausenden zusammengedrückter
Menschen, vor diesem weitausgedehnter Grunde, worin die unempfindliche
Natur an diesem Schlüsse eines sonnigen Tages schon blieb trotz der Feuers¬
brunst in Bazeilles, trotz des Blutbades bei Jllh, trotz der Todesangst in
Sedan."

Von Moltke hören wir weiter nichts, als was man bei seinem Tode in
allen französischen Zeitungen zu lesen bekam, nämlich daß er kein großer Feld¬
herr, sondern ein geschickter Rechenmeister gewesen sei, der nnr durch die Über¬
legenheit der Masse den Widerstand niederzuwerfen vermocht habe. Hu tsr-
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Minute MatuLMütiviLn, <mi M^init Je8 dataillss Zu donet et«z son cAviuet',,
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zähle», als daß er bei der Begegnung mit Napoleon eine alte Mütze und
große Schmierstiefel getragen habe und von einem air as alö^no dem vulÄut.
sei. Der einzige deutsche Offizier, der als halbwegs gebildeter Mann auftritt,
ist der Landwehrhauptmann von Gartlanben. Zola unterläßt aber nicht zu
bemerken, daß dieser Offizier längere Zeit in Paris gelebt und sich dort bessere
Sitten angeeignet habe. So gelingt es denn auch diesem Deutschen, die Liebe
und die äußersten Gunstbezeigungen der koketten Madame Gilberte in Sedan
ziemlich leicht zu gewinnen. Selbstverständlich spielt der preußische Spion in dem
Roman eine große Rolle. Er heißt Goliath Steinberg, ist ein Mensch von
riesiger Kraft und dummschlauem Wesen und hat als Bauernknecht in der Nähe
von Beaumont gearbeitet. Als die Franzosen hier ihr Lager aufschlagen, führt
er die Baiern hiu und wird so der Urheber der furchtbaren Niederlage. Bei
einem Stelldichein, das ihm die Magd Silvine auf dem Hofe des alten Bauern
Fouchard gewährt, wird er von Franktireurs ergriffen, nach langem Wider¬
stände gefesselt und geknebelt und schließlich nach einem lächerlichen Gerichts¬
verfahren, das die drei Franktireurs über ihn abhalten, wie ein Schwein ab-


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[0368] Zolas Ariegsrommi 1.^ on-d^vio Sedan, die Wälle, die Festung, das ganze verwickelte System der Festungs- anlagen. Und rund herum alle die Dörfer, über das Land zerstreut, und sauber und irisch wie aus einem Spielzeugkasten... . Die Maas erschien unter dieser Beleuchtung in ihren langgestreckten Windungen wie ein goldner Strom. Und das entsetzliche, blutgetränkte Schlachtfeld glich bei diesem Sonnenunter¬ gang, von der Höhe gesehen, einem kunstvollen Gemälde: tote Reiter, zer- rißne Pferde bedeckten die Hochfläche von Floing wie helle Stellen; rechts nach Givonue zu fesselten die letzten Bewegungen des Rückzugs das Auge des Zuschauers durch den Wirrwarr laufender, sich überstürzender kleiner schwarzer Gestalten. Links auf der Halbinsel von Jges stand eine bairische Batterie; sie sah mit ihren Kanonen, die so dick wie Zündhölzchen erschienen, wie ein gut aufgezognes Spielwerk aus, so regelmüßig arbeitete sie. Das war der hoffnungslose, niederschmetternde Sieg, und der König empfand keine Ge¬ wissensbisse vor diesen Leichen, vor diesen Tausenden zusammengedrückter Menschen, vor diesem weitausgedehnter Grunde, worin die unempfindliche Natur an diesem Schlüsse eines sonnigen Tages schon blieb trotz der Feuers¬ brunst in Bazeilles, trotz des Blutbades bei Jllh, trotz der Todesangst in Sedan." Von Moltke hören wir weiter nichts, als was man bei seinem Tode in allen französischen Zeitungen zu lesen bekam, nämlich daß er kein großer Feld¬ herr, sondern ein geschickter Rechenmeister gewesen sei, der nnr durch die Über¬ legenheit der Masse den Widerstand niederzuwerfen vermocht habe. Hu tsr- ridle- lwmnro, ve- als NolUlö, soo et aur, avso W fg,(Z6 Aiibrs as Minute MatuLMütiviLn, <mi M^init Je8 dataillss Zu donet et«z son cAviuet',, -l, <Z0up8 et'alAvw'o! Auch vou Vismarck weiß Zola nicht viel mehr zu er¬ zähle», als daß er bei der Begegnung mit Napoleon eine alte Mütze und große Schmierstiefel getragen habe und von einem air as alö^no dem vulÄut. sei. Der einzige deutsche Offizier, der als halbwegs gebildeter Mann auftritt, ist der Landwehrhauptmann von Gartlanben. Zola unterläßt aber nicht zu bemerken, daß dieser Offizier längere Zeit in Paris gelebt und sich dort bessere Sitten angeeignet habe. So gelingt es denn auch diesem Deutschen, die Liebe und die äußersten Gunstbezeigungen der koketten Madame Gilberte in Sedan ziemlich leicht zu gewinnen. Selbstverständlich spielt der preußische Spion in dem Roman eine große Rolle. Er heißt Goliath Steinberg, ist ein Mensch von riesiger Kraft und dummschlauem Wesen und hat als Bauernknecht in der Nähe von Beaumont gearbeitet. Als die Franzosen hier ihr Lager aufschlagen, führt er die Baiern hiu und wird so der Urheber der furchtbaren Niederlage. Bei einem Stelldichein, das ihm die Magd Silvine auf dem Hofe des alten Bauern Fouchard gewährt, wird er von Franktireurs ergriffen, nach langem Wider¬ stände gefesselt und geknebelt und schließlich nach einem lächerlichen Gerichts¬ verfahren, das die drei Franktireurs über ihn abhalten, wie ein Schwein ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/368>, abgerufen am 09.01.2025.