Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Pamionische Bilder und Hotelmädchen mit erfrornen Nasenspitzen, aber keine schönen Polinnen und Die eigentlichen Tatrastädte -- das Zipser Kvmitat -- sind bekanntlich Dagegen mochte ich die prähistorische Hypothese wagen, daß die Zipser Die Eishöhle von Dobschau verdient in hohem Grade ernst genommen Pamionische Bilder und Hotelmädchen mit erfrornen Nasenspitzen, aber keine schönen Polinnen und Die eigentlichen Tatrastädte — das Zipser Kvmitat — sind bekanntlich Dagegen mochte ich die prähistorische Hypothese wagen, daß die Zipser Die Eishöhle von Dobschau verdient in hohem Grade ernst genommen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212760"/> <fw type="header" place="top"> Pamionische Bilder</fw><lb/> <p xml:id="ID_908" prev="#ID_907"> und Hotelmädchen mit erfrornen Nasenspitzen, aber keine schönen Polinnen und<lb/> gar keine Ungarinnen mehr gesehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_909"> Die eigentlichen Tatrastädte — das Zipser Kvmitat — sind bekanntlich<lb/> deutsch oder sollen es wenigstens bekanntlich sein. Belege dafür sind für mich<lb/> zwei deutsche Blätter, die dort täglich mit Ausnahme der Wochentage erscheinen.<lb/> Es sind keine Witzblätter, denn sie berichten wesentlich über Tatrareisen, und<lb/> dabei hört der Spaß gewöhnlich ans. Die vielen Obcrschlesier, aus denen sich<lb/> der Stamm der Tatrareisenden im Kerne zusammensetzt, mögen sie zu ihren<lb/> Zwecken benutzen. Sonst mahnt nichts an Deutschland, aber auch — etwa<lb/> bis auf die streng ungarischen Aufschriften sogar in dem kleinen Tatramuseum<lb/> zu Pvprad — auch gar nichts an Ungarn. Es ist ein in unsern nationalen<lb/> Hundstagen erfrischend unuativuales Land. Ich will daher über die Herkunft<lb/> der braven Zipser auch nicht die obligaten historisch-genealogischen Unter¬<lb/> suchungen anstellen, denen sich jeder Tatrareiseführer — erster und zweiter<lb/> .Klasse, wie sich die mündlichen Tatraführer dort in hierarchischer Ordnung<lb/> scheiden — mit der nötigen, von Sachkenntnis nicht getrübten Voreingenommen¬<lb/> heit hingiebt. Es ist uns völlig gleichgiltig, ob die Zipser aus Flandern,<lb/> Schwaben oder Sachsen eingewandert sind, zumal da die, die wir zu kennen<lb/> die Ehre gehabt haben, durchgehend slowakisch sprechen. Es ist uns »och gleich-<lb/> giltiger, herauszubekommen, ob sie weiland reformirt, kontrareformirt oder<lb/> katholisch ans ihrem Lande gejagt worden sind. Denn obwohl sich die Zipser<lb/> eines eignen Bischofs erfreuen, erklärte unser Kutscher auf unsre heiligsten Be¬<lb/> schwörungen, uns nicht den Abgrund hinunterstürzen zu wollen, daß ihn Gott<lb/> nichts angehe, und daß alles Unsinn sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_910"> Dagegen mochte ich die prähistorische Hypothese wagen, daß die Zipser<lb/> ursprünglich Konditoren oder Zuckerbäcker gewesen seien. Nicht in dem Sinne,<lb/> in dem Sextaner dies von Romulus und Remus behaupten. Nein, in vollen:<lb/> völkerknndigem Ernste. Diese auffallende Sitte, die Häuser rosarot oder safran¬<lb/> gelb anzustreichen, läßt doch bündige Schlüsse auf eine eingehende nationale<lb/> Beschäftigung mit Himbeerauflauf und Pastetchen zu. Auch die Kirchtürme<lb/> haben in dem Lande so ein appetitlich gequirltes und „in die Form geschlagnes"<lb/> Ansehen. Ich möchte diese Spur nicht weiter verfolgen und eröffne sie nur<lb/> beiläufig, aber mit vollster „Selbstlosigkeit" unsern ethnologischen Hypothesen-<lb/> jägeru und ihrer unerschöpflichen Spürkraft. Doch dürfen sie die „Dobschauer<lb/> Eishöhle" nicht in ihre Hypothese hineinmengen, weil das nicht mehr streng<lb/> wissenschaftlich, sondern ein Kalauer wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_911" next="#ID_912"> Die Eishöhle von Dobschau verdient in hohem Grade ernst genommen<lb/> zu werden. Nicht bloß wissenschaftlich, insofern sie den Touristen Gelegenheit<lb/> giebt, die jeweilig in ihren x. t. Führern vertretene Deluesche Kaltlufttheorie<lb/> oder die Schwalbische Kapillarwirknngslehre gegen einander zu verfechten. Wie<lb/> diese unendlichen Eismassen da wenige Fuß unter der üppigsten Hochwald-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0284]
Pamionische Bilder
und Hotelmädchen mit erfrornen Nasenspitzen, aber keine schönen Polinnen und
gar keine Ungarinnen mehr gesehen.
Die eigentlichen Tatrastädte — das Zipser Kvmitat — sind bekanntlich
deutsch oder sollen es wenigstens bekanntlich sein. Belege dafür sind für mich
zwei deutsche Blätter, die dort täglich mit Ausnahme der Wochentage erscheinen.
Es sind keine Witzblätter, denn sie berichten wesentlich über Tatrareisen, und
dabei hört der Spaß gewöhnlich ans. Die vielen Obcrschlesier, aus denen sich
der Stamm der Tatrareisenden im Kerne zusammensetzt, mögen sie zu ihren
Zwecken benutzen. Sonst mahnt nichts an Deutschland, aber auch — etwa
bis auf die streng ungarischen Aufschriften sogar in dem kleinen Tatramuseum
zu Pvprad — auch gar nichts an Ungarn. Es ist ein in unsern nationalen
Hundstagen erfrischend unuativuales Land. Ich will daher über die Herkunft
der braven Zipser auch nicht die obligaten historisch-genealogischen Unter¬
suchungen anstellen, denen sich jeder Tatrareiseführer — erster und zweiter
.Klasse, wie sich die mündlichen Tatraführer dort in hierarchischer Ordnung
scheiden — mit der nötigen, von Sachkenntnis nicht getrübten Voreingenommen¬
heit hingiebt. Es ist uns völlig gleichgiltig, ob die Zipser aus Flandern,
Schwaben oder Sachsen eingewandert sind, zumal da die, die wir zu kennen
die Ehre gehabt haben, durchgehend slowakisch sprechen. Es ist uns »och gleich-
giltiger, herauszubekommen, ob sie weiland reformirt, kontrareformirt oder
katholisch ans ihrem Lande gejagt worden sind. Denn obwohl sich die Zipser
eines eignen Bischofs erfreuen, erklärte unser Kutscher auf unsre heiligsten Be¬
schwörungen, uns nicht den Abgrund hinunterstürzen zu wollen, daß ihn Gott
nichts angehe, und daß alles Unsinn sei.
Dagegen mochte ich die prähistorische Hypothese wagen, daß die Zipser
ursprünglich Konditoren oder Zuckerbäcker gewesen seien. Nicht in dem Sinne,
in dem Sextaner dies von Romulus und Remus behaupten. Nein, in vollen:
völkerknndigem Ernste. Diese auffallende Sitte, die Häuser rosarot oder safran¬
gelb anzustreichen, läßt doch bündige Schlüsse auf eine eingehende nationale
Beschäftigung mit Himbeerauflauf und Pastetchen zu. Auch die Kirchtürme
haben in dem Lande so ein appetitlich gequirltes und „in die Form geschlagnes"
Ansehen. Ich möchte diese Spur nicht weiter verfolgen und eröffne sie nur
beiläufig, aber mit vollster „Selbstlosigkeit" unsern ethnologischen Hypothesen-
jägeru und ihrer unerschöpflichen Spürkraft. Doch dürfen sie die „Dobschauer
Eishöhle" nicht in ihre Hypothese hineinmengen, weil das nicht mehr streng
wissenschaftlich, sondern ein Kalauer wäre.
Die Eishöhle von Dobschau verdient in hohem Grade ernst genommen
zu werden. Nicht bloß wissenschaftlich, insofern sie den Touristen Gelegenheit
giebt, die jeweilig in ihren x. t. Führern vertretene Deluesche Kaltlufttheorie
oder die Schwalbische Kapillarwirknngslehre gegen einander zu verfechten. Wie
diese unendlichen Eismassen da wenige Fuß unter der üppigsten Hochwald-
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