Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Bilder ans dein UniversttÄtsleben Überall fehlte nur selbst das Eintrittsgeld, und so schlich ich denn traurig Als ich eintrat, sah ich eine hagre Gestalt vor mir, die sich von der Kurz vor dem Ausgange bekam er jedoch einen kräftigen Ruck nach links Ich trat näher und hörte, wie er abgerissen und ärgerlich die Worte vor Aha, dachte ich, ein Opfer der Schillerfcier! Eine teuflische Freude ver¬ Schauderhaft falsche Betonung! schrie ich ihm zu, schauderhaft! Was Alle Wetter, riefen wir lachend, eine nette Überraschung! Und Fritz setzte Der Pfarrer schob sein Käppchen etwas zurück, blies ein paar Rauch¬ Bilder ans dein UniversttÄtsleben Überall fehlte nur selbst das Eintrittsgeld, und so schlich ich denn traurig Als ich eintrat, sah ich eine hagre Gestalt vor mir, die sich von der Kurz vor dem Ausgange bekam er jedoch einen kräftigen Ruck nach links Ich trat näher und hörte, wie er abgerissen und ärgerlich die Worte vor Aha, dachte ich, ein Opfer der Schillerfcier! Eine teuflische Freude ver¬ Schauderhaft falsche Betonung! schrie ich ihm zu, schauderhaft! Was Alle Wetter, riefen wir lachend, eine nette Überraschung! Und Fritz setzte Der Pfarrer schob sein Käppchen etwas zurück, blies ein paar Rauch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212617"/> <fw type="header" place="top"> Bilder ans dein UniversttÄtsleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_405" prev="#ID_404"> Überall fehlte nur selbst das Eintrittsgeld, und so schlich ich denn traurig<lb/> beim, mied die laut bewegten Straßen, ging quer über den ersten Universitätshof<lb/> und wollte eben durch den kümmerlich beleuchteten Kreuzgang.</p><lb/> <p xml:id="ID_406"> Als ich eintrat, sah ich eine hagre Gestalt vor mir, die sich von der<lb/> Lichtung am Ausgange silhouetteuhaft abhob. Sie griff mit den Händen bald<lb/> nach der rechten, bald nach der linken Wand und machte dabei die wunder-<lb/> lichsten Sprünge. Nun war es freilich für jeden Menschen, der nicht Platt¬<lb/> füße hatte, ein Kunststück, auf den schmalen, trogartig ausgehöhlten Laufschwellen<lb/> des Kreuzganges zu gehen, ohne zu torkeln. Aber die Bewegungen des<lb/> Schwarzen waren denn doch zu gewaltsam und zu sprunghaft, als daß man<lb/> dabei nu einen nüchternen Menschen hätte glauben können. Ich hatte keine<lb/> Lust, hier mit einem Betrunknen zusammenzugeraten, blieb stehn und wollte<lb/> warten, bis er glücklich hinaus wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_407"> Kurz vor dem Ausgange bekam er jedoch einen kräftigen Ruck nach links<lb/> und flog dröhnend gegen eine mächtige Thür, die in die Lagerräume eines<lb/> Weinhündlers führte. Dort hielt er sich krampfhaft an der Klinke der Keller¬<lb/> thür fest, schwankte eine Weile pendelartig hin und her, bis er mit dem Rücken<lb/> glücklich die Holzfüllung und damit eine feste „Operationsbasis" für seine<lb/> weitern Kämpfe mit den bösen Geistern gewonnen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_408"> Ich trat näher und hörte, wie er abgerissen und ärgerlich die Worte vor<lb/> sich hinpoltertc: Durch diese hohle Gasse muß er kommen, es führt kein andrer<lb/> Weg — ist ja eine ganz falsche Betonung, ganz falsche Betonung! Und das<lb/> nennt sich Schillerrezitator!</p><lb/> <p xml:id="ID_409"> Aha, dachte ich, ein Opfer der Schillerfcier! Eine teuflische Freude ver¬<lb/> mischt mit bitterm Groll über mein Geschick packte mich, als ich uun die<lb/> trunkfüllige Gestalt vor mir sah, diesen traurigen Philister, dem es vergönnt<lb/> gewesen war, den Dichter „programmmäßig" mitzufeiern.</p><lb/> <p xml:id="ID_410"> Schauderhaft falsche Betonung! schrie ich ihm zu, schauderhaft! Was<lb/> versteht so ein Schillerrezitator von der Betonung! Das muß ganz anders<lb/> gemacht werden! Und nun brüllte ich ihm den ersten Teil des Tellmonvlogs<lb/> ins Ohr, daß das ganze Gewölbe dröhnte. Bei der Stelle: Fort mußt dn,<lb/> deine Uhr ist abgelaufen! packte ich ihn ingrimmig unter dem Arme, schüttelte<lb/> ihn, daß ihm der Chlinderhnt übers Gesicht flog, und schleppte ihn auf den<lb/> zweiten Umversitätshof, wo eine Gaslaterne brannte. Donnerstag und Frei¬<lb/> tag! ich hätte vor Schreck in die Erde sinken mögen! Der Unglückliche war<lb/> niemand anders als Professor Müller!</p><lb/> <p xml:id="ID_411"> Alle Wetter, riefen wir lachend, eine nette Überraschung! Und Fritz setzte<lb/> hinzu: Da hätte ich sehen mögen, Herr Pfarrer, wie Sie uun davonstürzten.</p><lb/> <p xml:id="ID_412"> Der Pfarrer schob sein Käppchen etwas zurück, blies ein paar Rauch¬<lb/> wolken in die Luft und wollte weiter erzählen, als die Magd eintrat: Die<lb/> Frau Pfarrerin ließe fragen, ob die Herren zum Abendbrot blieben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
Bilder ans dein UniversttÄtsleben
Überall fehlte nur selbst das Eintrittsgeld, und so schlich ich denn traurig
beim, mied die laut bewegten Straßen, ging quer über den ersten Universitätshof
und wollte eben durch den kümmerlich beleuchteten Kreuzgang.
Als ich eintrat, sah ich eine hagre Gestalt vor mir, die sich von der
Lichtung am Ausgange silhouetteuhaft abhob. Sie griff mit den Händen bald
nach der rechten, bald nach der linken Wand und machte dabei die wunder-
lichsten Sprünge. Nun war es freilich für jeden Menschen, der nicht Platt¬
füße hatte, ein Kunststück, auf den schmalen, trogartig ausgehöhlten Laufschwellen
des Kreuzganges zu gehen, ohne zu torkeln. Aber die Bewegungen des
Schwarzen waren denn doch zu gewaltsam und zu sprunghaft, als daß man
dabei nu einen nüchternen Menschen hätte glauben können. Ich hatte keine
Lust, hier mit einem Betrunknen zusammenzugeraten, blieb stehn und wollte
warten, bis er glücklich hinaus wäre.
Kurz vor dem Ausgange bekam er jedoch einen kräftigen Ruck nach links
und flog dröhnend gegen eine mächtige Thür, die in die Lagerräume eines
Weinhündlers führte. Dort hielt er sich krampfhaft an der Klinke der Keller¬
thür fest, schwankte eine Weile pendelartig hin und her, bis er mit dem Rücken
glücklich die Holzfüllung und damit eine feste „Operationsbasis" für seine
weitern Kämpfe mit den bösen Geistern gewonnen hatte.
Ich trat näher und hörte, wie er abgerissen und ärgerlich die Worte vor
sich hinpoltertc: Durch diese hohle Gasse muß er kommen, es führt kein andrer
Weg — ist ja eine ganz falsche Betonung, ganz falsche Betonung! Und das
nennt sich Schillerrezitator!
Aha, dachte ich, ein Opfer der Schillerfcier! Eine teuflische Freude ver¬
mischt mit bitterm Groll über mein Geschick packte mich, als ich uun die
trunkfüllige Gestalt vor mir sah, diesen traurigen Philister, dem es vergönnt
gewesen war, den Dichter „programmmäßig" mitzufeiern.
Schauderhaft falsche Betonung! schrie ich ihm zu, schauderhaft! Was
versteht so ein Schillerrezitator von der Betonung! Das muß ganz anders
gemacht werden! Und nun brüllte ich ihm den ersten Teil des Tellmonvlogs
ins Ohr, daß das ganze Gewölbe dröhnte. Bei der Stelle: Fort mußt dn,
deine Uhr ist abgelaufen! packte ich ihn ingrimmig unter dem Arme, schüttelte
ihn, daß ihm der Chlinderhnt übers Gesicht flog, und schleppte ihn auf den
zweiten Umversitätshof, wo eine Gaslaterne brannte. Donnerstag und Frei¬
tag! ich hätte vor Schreck in die Erde sinken mögen! Der Unglückliche war
niemand anders als Professor Müller!
Alle Wetter, riefen wir lachend, eine nette Überraschung! Und Fritz setzte
hinzu: Da hätte ich sehen mögen, Herr Pfarrer, wie Sie uun davonstürzten.
Der Pfarrer schob sein Käppchen etwas zurück, blies ein paar Rauch¬
wolken in die Luft und wollte weiter erzählen, als die Magd eintrat: Die
Frau Pfarrerin ließe fragen, ob die Herren zum Abendbrot blieben.
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