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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Frmienvorein Reform

werden sich verständige Männer nicht "bereit finden lassen, die Mittel gütigst
zu gewähren," mit denen gedankenlose Gleichmacherei ungesunde Experimente
vornehmen will, sondern werden es solchen Frauen, die es durchaus nicht
anders haben wollen, ruhig allein überlassen, mit eigner Anstrengung und ans
eigne Kosten das Schlußsiasko herbeizuführen. Daß "die Gleichheit nötig sei
zum Wohle der Gesamtheit und damit zum Wohle des Mannes," ist eine Ein¬
bildung, die der Wahrheit geradezu widerspricht. Nur durch Berücksichtigung
"der von der Natur gewollten Verschiedenheit," deren verschämtes Anerkenntnis
selbst der Verfasserin einmal entschlüpft ist, wird sich auf beideu Seiten Wohl¬
befinden, Glück und Zufriedenheit erringen lassen. Wer darauf ausgeht, von
Äpfel- und Birnenbänmen durch gleiche Pflege künftighin gleiche Früchte zu er¬
zielen, wird niemals Erfolg sehen; wer beide nach ihrer Eigenart behandelt und
von Apfelbäumen nur Äpfel und von Birnbäumen nnr Birnen erwartet,
dem wird jeder Baum Früchte nach seiner Art tragen. Die abnormen Mädchen,
die durch ungewöhnliche Organisation aus dem Rahmen ihres Geschlechts her-
ausfallen und in sich die Fähigkeit und den unüberwindlichen Drang zum
Studium zu fühlen glauben, mögen die Gymnasialkenntnisse durch Privatunter¬
richt erwerben und dann als Studentinnen in das Paradies der Schweiz gehen,
wo sie es in Zürich nach neuester Entscheidung des Erziehungsrates sogar zur
Stellung einer Privatdozentiu und Professorin bringen können. Für solche
Ausnahmen aber besondre Veranstaltungen zu treffen, wäre Übertriebenheit.

Der deutsche Frauenverein "Reform" hat seine Forderungen offenbar gar
nicht bis in die letzten Folgerungen ausgedacht. Frauen, die akademische Studien
betreiben, können sich nicht ebenmäßig im häuslichen Berufe ausbilde", und
wären sie auch darin geschult, so könnten sie doch ihren natürlichen Beruf gnr
nicht übernehmen, wenn sie überhaupt ein Amt zu verwalten oder wissenschaft¬
liche Leistungen hervorzubringen die Absicht hätten. Sie könnten sich nicht an
einen Mann binden, sondern müßten ehelos bleiben, um ihrem naturwidriger
Berufe nicht untreu zu werden. Und würden die Forderungen des Vereins
"Reform" auch auf dem gewerblichen, kaufmännischen und künstlerischen Gebiete
durchgeführt, so müßten anch da die Ehebündnisse aufhören. Man käme also
schließlich auf anderen Wege zu demselben Ziele, das die Sozialdemokratie
erstrebt, zum thatsächlichen Ende der Ehe. Die Damen des deutschen Frauen-
vereins "Reform" hätten dann die Wahl, entweder mit den Sozialdemokraten
auch die freie Liebe samt allem Zubehör einzuführen oder aber ihre ganze
Herrlichkeit nach einigen Jahrzehnten mit dem aussterbenden Menschengeschlecht
ins Grab sinken zu sehen. Freilich bringt es weibliche Logik, die selbst nach
den hochgespannter Erwartungen der Fran Kettler bei völliger Gleichheit der
Bildung beider Geschlechter nur "so ziemlich beseitigt" werden würde, fertig, die
Zukunftspläne des Frauenvereins "Reform" mit der Fürsorge sür Gesuuder-
haltung der Familie als der Stütze des Staates zu begründen!


Der deutsche Frmienvorein Reform

werden sich verständige Männer nicht „bereit finden lassen, die Mittel gütigst
zu gewähren," mit denen gedankenlose Gleichmacherei ungesunde Experimente
vornehmen will, sondern werden es solchen Frauen, die es durchaus nicht
anders haben wollen, ruhig allein überlassen, mit eigner Anstrengung und ans
eigne Kosten das Schlußsiasko herbeizuführen. Daß „die Gleichheit nötig sei
zum Wohle der Gesamtheit und damit zum Wohle des Mannes," ist eine Ein¬
bildung, die der Wahrheit geradezu widerspricht. Nur durch Berücksichtigung
„der von der Natur gewollten Verschiedenheit," deren verschämtes Anerkenntnis
selbst der Verfasserin einmal entschlüpft ist, wird sich auf beideu Seiten Wohl¬
befinden, Glück und Zufriedenheit erringen lassen. Wer darauf ausgeht, von
Äpfel- und Birnenbänmen durch gleiche Pflege künftighin gleiche Früchte zu er¬
zielen, wird niemals Erfolg sehen; wer beide nach ihrer Eigenart behandelt und
von Apfelbäumen nur Äpfel und von Birnbäumen nnr Birnen erwartet,
dem wird jeder Baum Früchte nach seiner Art tragen. Die abnormen Mädchen,
die durch ungewöhnliche Organisation aus dem Rahmen ihres Geschlechts her-
ausfallen und in sich die Fähigkeit und den unüberwindlichen Drang zum
Studium zu fühlen glauben, mögen die Gymnasialkenntnisse durch Privatunter¬
richt erwerben und dann als Studentinnen in das Paradies der Schweiz gehen,
wo sie es in Zürich nach neuester Entscheidung des Erziehungsrates sogar zur
Stellung einer Privatdozentiu und Professorin bringen können. Für solche
Ausnahmen aber besondre Veranstaltungen zu treffen, wäre Übertriebenheit.

Der deutsche Frauenverein „Reform" hat seine Forderungen offenbar gar
nicht bis in die letzten Folgerungen ausgedacht. Frauen, die akademische Studien
betreiben, können sich nicht ebenmäßig im häuslichen Berufe ausbilde», und
wären sie auch darin geschult, so könnten sie doch ihren natürlichen Beruf gnr
nicht übernehmen, wenn sie überhaupt ein Amt zu verwalten oder wissenschaft¬
liche Leistungen hervorzubringen die Absicht hätten. Sie könnten sich nicht an
einen Mann binden, sondern müßten ehelos bleiben, um ihrem naturwidriger
Berufe nicht untreu zu werden. Und würden die Forderungen des Vereins
„Reform" auch auf dem gewerblichen, kaufmännischen und künstlerischen Gebiete
durchgeführt, so müßten anch da die Ehebündnisse aufhören. Man käme also
schließlich auf anderen Wege zu demselben Ziele, das die Sozialdemokratie
erstrebt, zum thatsächlichen Ende der Ehe. Die Damen des deutschen Frauen-
vereins „Reform" hätten dann die Wahl, entweder mit den Sozialdemokraten
auch die freie Liebe samt allem Zubehör einzuführen oder aber ihre ganze
Herrlichkeit nach einigen Jahrzehnten mit dem aussterbenden Menschengeschlecht
ins Grab sinken zu sehen. Freilich bringt es weibliche Logik, die selbst nach
den hochgespannter Erwartungen der Fran Kettler bei völliger Gleichheit der
Bildung beider Geschlechter nur „so ziemlich beseitigt" werden würde, fertig, die
Zukunftspläne des Frauenvereins „Reform" mit der Fürsorge sür Gesuuder-
haltung der Familie als der Stütze des Staates zu begründen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/90>, abgerufen am 23.07.2024.