Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Zum Trnnksiichtsgesotzoiltwnrf es höchste Zeit sei, daß auf dem Wege der Strafgesetzgebung gegen die Trunk¬ Zum Trnnksiichtsgesotzoiltwnrf es höchste Zeit sei, daß auf dem Wege der Strafgesetzgebung gegen die Trunk¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211246"/> <fw type="header" place="top"> Zum Trnnksiichtsgesotzoiltwnrf</fw><lb/> <p xml:id="ID_227" prev="#ID_226" next="#ID_228"> es höchste Zeit sei, daß auf dem Wege der Strafgesetzgebung gegen die Trunk¬<lb/> sucht eingeschritten werde. Nicht daß, wohl aber wie dazu der Versuch gemacht<lb/> wird, mißbilligen wir. Der Entwurf des Trunksuchtsgesetzes bekämpft uicht so¬<lb/> wohl die Ursache des Übels als dessen Wirkungen, nicht sowohl die Krankheit<lb/> als deren Anzeichen. Wir begnügen uns hier mit der Andeutung, daß es uns<lb/> ein wenig verständiges Verfahren dünken würde, um einen Giftbaum unschädlich<lb/> zu machen, wenn man, anstatt ihn mit der Wurzel auszurotten, ihn wachsen<lb/> und gedeihen ließe und dann zur Schere griffe, um behutsam hie und da ein<lb/> morsches Reis abzukippen. Straft man doch auch nicht einen Brandstifter<lb/> wegen der Belästigung andrer durch Rauch, die er verschuldet hat, und läßt<lb/> ihn wegen Brandstiftung frei ausgehen. Wie sehr der Gesetzentwurf die Be¬<lb/> deutung der Gefahr unterschätzt, der er entgegentreten will, ergiebt sich schon<lb/> aus der Beschaffenheit feiner Strafmittel. Sie bestehen in Geldstrafen von<lb/> 30 bis 100 Mark und verschieden abgestuften Haftstrafen in einem nur für<lb/> eiuen einzigen Fall angedrohten höchsten Betrage von sechs Wochen, d. i. keiner<lb/> höhern Strafe, als wie sie den trifft, der ein bischen Erde oder einige Steine von<lb/> einem öffentlichen oder Privatwege wegnimmt ^ 370 ^ des Strafgefetzbuchs)<lb/> oder den, der von einem zum Dieuststcmde gehörenden Unteroffizier oder Gemeinen<lb/> des stehenden Heeres oder der Marine ohne die schriftliche Erlaubnis des vor¬<lb/> gesetzten Kommandeurs Montirungs- oder Armaturstücke kauft oder zum Pfand<lb/> nimmt ^ 370 ^ des Strafgefetzbuchs)! Der Gesetzentwurf unternimmt es, den<lb/> Kampf gegen den Alkohol auf dem Gebiet der „Übertretungen" zu führen, an¬<lb/> statt auf dem der „Vergehen" und „Verbrechen." Wer Dynamik u. a. Brenn¬<lb/> stoffe ohne polizeiliche Ermächtigung herstellt oder feilhält, ohne sonstige böse<lb/> Absichten, wird mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft<lb/> 9 des Dynamitgefetzes vom 9. Juni 1884). Unser Entwurf vergißt, daß<lb/> der Alkohol eine weit gemeingefährlichere Substanz ist als alle Sprengstoffe.<lb/> Das ist sein Grund- und Hauptfehler. So bietet er dem Strafrecht nichts<lb/> als einen neuen Einfuhrartikel aus dem Bereich der Gesundheitspflege und des<lb/> öffentlichen Auslandes, von dem man sich selbst in dieser Eigenschaft keine all-<lb/> zugroße Wirksamkeit versprechen darf. Statt eines stämmigen Baumes will er<lb/> einen krausen Busch auf unfern Rechtsboden pflanzen. Aber freilich uicht den<lb/> Gärtner trifft deswegen die Hauptschuld, sondern den Boden, dem es an Kraft<lb/> fehlt, die Wurzeln des Baumes in sich aufzunehmen. So lauge das Elend,<lb/> das der Alkoholmißbrauch unter uns bringt, uoch uicht in seiner ganzen Größe<lb/> in das Bewußtsein und dann in das Gewissen des Volkes eingedrungen ist,<lb/> und seine Bekämpfung als ein ernstes sittliches Gebot erscheint, so lauge wir<lb/> uns auf dem Standpunkte des Scherzworts befinden, daß ein Rausch dazu ge¬<lb/> höre, einen braven Mann zu machen, so lange dürfen wir auf ein ent-<lb/> schiednes Vorgehen gegen die Trunksucht auf dem Kriegsschauplatze des Straf¬<lb/> rechts nicht hoffen. Vor allem laste man sich durch den Entwurf nicht in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
Zum Trnnksiichtsgesotzoiltwnrf
es höchste Zeit sei, daß auf dem Wege der Strafgesetzgebung gegen die Trunk¬
sucht eingeschritten werde. Nicht daß, wohl aber wie dazu der Versuch gemacht
wird, mißbilligen wir. Der Entwurf des Trunksuchtsgesetzes bekämpft uicht so¬
wohl die Ursache des Übels als dessen Wirkungen, nicht sowohl die Krankheit
als deren Anzeichen. Wir begnügen uns hier mit der Andeutung, daß es uns
ein wenig verständiges Verfahren dünken würde, um einen Giftbaum unschädlich
zu machen, wenn man, anstatt ihn mit der Wurzel auszurotten, ihn wachsen
und gedeihen ließe und dann zur Schere griffe, um behutsam hie und da ein
morsches Reis abzukippen. Straft man doch auch nicht einen Brandstifter
wegen der Belästigung andrer durch Rauch, die er verschuldet hat, und läßt
ihn wegen Brandstiftung frei ausgehen. Wie sehr der Gesetzentwurf die Be¬
deutung der Gefahr unterschätzt, der er entgegentreten will, ergiebt sich schon
aus der Beschaffenheit feiner Strafmittel. Sie bestehen in Geldstrafen von
30 bis 100 Mark und verschieden abgestuften Haftstrafen in einem nur für
eiuen einzigen Fall angedrohten höchsten Betrage von sechs Wochen, d. i. keiner
höhern Strafe, als wie sie den trifft, der ein bischen Erde oder einige Steine von
einem öffentlichen oder Privatwege wegnimmt ^ 370 ^ des Strafgefetzbuchs)
oder den, der von einem zum Dieuststcmde gehörenden Unteroffizier oder Gemeinen
des stehenden Heeres oder der Marine ohne die schriftliche Erlaubnis des vor¬
gesetzten Kommandeurs Montirungs- oder Armaturstücke kauft oder zum Pfand
nimmt ^ 370 ^ des Strafgefetzbuchs)! Der Gesetzentwurf unternimmt es, den
Kampf gegen den Alkohol auf dem Gebiet der „Übertretungen" zu führen, an¬
statt auf dem der „Vergehen" und „Verbrechen." Wer Dynamik u. a. Brenn¬
stoffe ohne polizeiliche Ermächtigung herstellt oder feilhält, ohne sonstige böse
Absichten, wird mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft
9 des Dynamitgefetzes vom 9. Juni 1884). Unser Entwurf vergißt, daß
der Alkohol eine weit gemeingefährlichere Substanz ist als alle Sprengstoffe.
Das ist sein Grund- und Hauptfehler. So bietet er dem Strafrecht nichts
als einen neuen Einfuhrartikel aus dem Bereich der Gesundheitspflege und des
öffentlichen Auslandes, von dem man sich selbst in dieser Eigenschaft keine all-
zugroße Wirksamkeit versprechen darf. Statt eines stämmigen Baumes will er
einen krausen Busch auf unfern Rechtsboden pflanzen. Aber freilich uicht den
Gärtner trifft deswegen die Hauptschuld, sondern den Boden, dem es an Kraft
fehlt, die Wurzeln des Baumes in sich aufzunehmen. So lauge das Elend,
das der Alkoholmißbrauch unter uns bringt, uoch uicht in seiner ganzen Größe
in das Bewußtsein und dann in das Gewissen des Volkes eingedrungen ist,
und seine Bekämpfung als ein ernstes sittliches Gebot erscheint, so lauge wir
uns auf dem Standpunkte des Scherzworts befinden, daß ein Rausch dazu ge¬
höre, einen braven Mann zu machen, so lange dürfen wir auf ein ent-
schiednes Vorgehen gegen die Trunksucht auf dem Kriegsschauplatze des Straf¬
rechts nicht hoffen. Vor allem laste man sich durch den Entwurf nicht in
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |