Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dänischer Zeit

Nee! sagte er endlich, und dann rieb er an seillein Leder weiter.

Aber du bist doch verheiratet! Hat deine Fran denn gar nichts erlebt?

Hinrich machte ein erstauntes Gesicht.

Nee! meinte er nach langer Pause.

Hinrich, begann einer der altern Brüder, was sagtest du denn, als du
deine Frau heiraten wolltest?

Was ich sagte? Deern, wullt du mi?

Mehr nicht?

Nee!

,
Und was sagte sie denn?

Das weiß ich nich mehr!

Und als dein Junge geboren wurde, was sagtest du denn da?

Hinrich spuckte den zerkauten Strohhalm aus und ucihm einen neuen. Da
war ich nich bei -- Herr Stizrat und ich hatten Gericht!

Was sind denn hier für Löcher im Wagen? fragte Jürgen. Er ver¬
zweifelte an Hinrich und belustigte sich damit, seine Füße durch das Korb¬
geflecht zu stecken.

Bleib da man von, Junge, das is von Anno dazumal, als all die Leute
aufn Wagen stiegen und der Herr sie wieder runter smeißen ließ!

Wann war denn das? fragten wir, und Hinrich, dessen ausdrucksloses
Gesicht sich etwas belebt hatte, kratzte sich hinter den Ohren.

Wann das war? Das kann ich wahrhaftig nich sagen so in die fuf-
zigcr Jahrens, als ihr noch klein oder noch garnich auf die Welt wart!

Was passirte denn damals?

Hinrich sah uns verdrießlich an. Das weiß doch jedermann, was da
passirte -- das brauch ich doch nich zu erzählen. Da hat Paster Simpel
in Feldkircher ein Buch über geschrieben, und in all die Zcitungens hat es
gestanden! Oh, was is dies Fett doch einmal steche! Slina hat es gekocht;
aber siecht is es doch!

Er murrte noch eine Zeit lang über die Schlechtigkeit des heutigen Fettes
im besondern und über die Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen, dann sagte
Jürgen, daß er zu Mahlmann gehen wolle.

Was willst du bei den? fragte Hinrich mit scheelem Blick, denn wenn
er jemanden haßte, so war es unser Freund Mahlmann.

Oh, der erzählt viel besser als dn, Hinrich! Den braucht man nur zu
bitten gleich erzählt er so lange, wie wir wollen!

Ja, son vermaledeiter Lügenbeutel, der sein Leben lang ins Zuchthaus
gesessen, der hat den Mund voll Snack! Weiter hat er auch nix zu thun
gehabt!

Hinrich fiel grimmig über das Lederzeug her. Und er is doch nich bei
gewesen, als wir zu Gericht waren nach Petersdvrf, wo Johann Bvhnsacken


Aus dänischer Zeit

Nee! sagte er endlich, und dann rieb er an seillein Leder weiter.

Aber du bist doch verheiratet! Hat deine Fran denn gar nichts erlebt?

Hinrich machte ein erstauntes Gesicht.

Nee! meinte er nach langer Pause.

Hinrich, begann einer der altern Brüder, was sagtest du denn, als du
deine Frau heiraten wolltest?

Was ich sagte? Deern, wullt du mi?

Mehr nicht?

Nee!

,
Und was sagte sie denn?

Das weiß ich nich mehr!

Und als dein Junge geboren wurde, was sagtest du denn da?

Hinrich spuckte den zerkauten Strohhalm aus und ucihm einen neuen. Da
war ich nich bei — Herr Stizrat und ich hatten Gericht!

Was sind denn hier für Löcher im Wagen? fragte Jürgen. Er ver¬
zweifelte an Hinrich und belustigte sich damit, seine Füße durch das Korb¬
geflecht zu stecken.

Bleib da man von, Junge, das is von Anno dazumal, als all die Leute
aufn Wagen stiegen und der Herr sie wieder runter smeißen ließ!

Wann war denn das? fragten wir, und Hinrich, dessen ausdrucksloses
Gesicht sich etwas belebt hatte, kratzte sich hinter den Ohren.

Wann das war? Das kann ich wahrhaftig nich sagen so in die fuf-
zigcr Jahrens, als ihr noch klein oder noch garnich auf die Welt wart!

Was passirte denn damals?

Hinrich sah uns verdrießlich an. Das weiß doch jedermann, was da
passirte — das brauch ich doch nich zu erzählen. Da hat Paster Simpel
in Feldkircher ein Buch über geschrieben, und in all die Zcitungens hat es
gestanden! Oh, was is dies Fett doch einmal steche! Slina hat es gekocht;
aber siecht is es doch!

Er murrte noch eine Zeit lang über die Schlechtigkeit des heutigen Fettes
im besondern und über die Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen, dann sagte
Jürgen, daß er zu Mahlmann gehen wolle.

Was willst du bei den? fragte Hinrich mit scheelem Blick, denn wenn
er jemanden haßte, so war es unser Freund Mahlmann.

Oh, der erzählt viel besser als dn, Hinrich! Den braucht man nur zu
bitten gleich erzählt er so lange, wie wir wollen!

Ja, son vermaledeiter Lügenbeutel, der sein Leben lang ins Zuchthaus
gesessen, der hat den Mund voll Snack! Weiter hat er auch nix zu thun
gehabt!

Hinrich fiel grimmig über das Lederzeug her. Und er is doch nich bei
gewesen, als wir zu Gericht waren nach Petersdvrf, wo Johann Bvhnsacken


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0650" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211818"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dänischer Zeit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1986" prev="#ID_1985"> Nee! sagte er endlich, und dann rieb er an seillein Leder weiter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1987"> Aber du bist doch verheiratet! Hat deine Fran denn gar nichts erlebt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1988"> Hinrich machte ein erstauntes Gesicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1989"> Nee! meinte er nach langer Pause.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1990"> Hinrich, begann einer der altern Brüder, was sagtest du denn, als du<lb/>
deine Frau heiraten wolltest?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1991"> Was ich sagte? Deern, wullt du mi?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1992"> Mehr nicht?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1993"> Nee!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1994"> ,<lb/>
Und was sagte sie denn?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1995"> Das weiß ich nich mehr!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1996"> Und als dein Junge geboren wurde, was sagtest du denn da?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1997"> Hinrich spuckte den zerkauten Strohhalm aus und ucihm einen neuen. Da<lb/>
war ich nich bei &#x2014; Herr Stizrat und ich hatten Gericht!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1998"> Was sind denn hier für Löcher im Wagen? fragte Jürgen. Er ver¬<lb/>
zweifelte an Hinrich und belustigte sich damit, seine Füße durch das Korb¬<lb/>
geflecht zu stecken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1999"> Bleib da man von, Junge, das is von Anno dazumal, als all die Leute<lb/>
aufn Wagen stiegen und der Herr sie wieder runter smeißen ließ!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2000"> Wann war denn das? fragten wir, und Hinrich, dessen ausdrucksloses<lb/>
Gesicht sich etwas belebt hatte, kratzte sich hinter den Ohren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2001"> Wann das war? Das kann ich wahrhaftig nich sagen so in die fuf-<lb/>
zigcr Jahrens, als ihr noch klein oder noch garnich auf die Welt wart!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2002"> Was passirte denn damals?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2003"> Hinrich sah uns verdrießlich an. Das weiß doch jedermann, was da<lb/>
passirte &#x2014; das brauch ich doch nich zu erzählen. Da hat Paster Simpel<lb/>
in Feldkircher ein Buch über geschrieben, und in all die Zcitungens hat es<lb/>
gestanden! Oh, was is dies Fett doch einmal steche! Slina hat es gekocht;<lb/>
aber siecht is es doch!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2004"> Er murrte noch eine Zeit lang über die Schlechtigkeit des heutigen Fettes<lb/>
im besondern und über die Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen, dann sagte<lb/>
Jürgen, daß er zu Mahlmann gehen wolle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2005"> Was willst du bei den? fragte Hinrich mit scheelem Blick, denn wenn<lb/>
er jemanden haßte, so war es unser Freund Mahlmann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2006"> Oh, der erzählt viel besser als dn, Hinrich! Den braucht man nur zu<lb/>
bitten   gleich erzählt er so lange, wie wir wollen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2007"> Ja, son vermaledeiter Lügenbeutel, der sein Leben lang ins Zuchthaus<lb/>
gesessen, der hat den Mund voll Snack! Weiter hat er auch nix zu thun<lb/>
gehabt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2008" next="#ID_2009"> Hinrich fiel grimmig über das Lederzeug her. Und er is doch nich bei<lb/>
gewesen, als wir zu Gericht waren nach Petersdvrf, wo Johann Bvhnsacken</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0650] Aus dänischer Zeit Nee! sagte er endlich, und dann rieb er an seillein Leder weiter. Aber du bist doch verheiratet! Hat deine Fran denn gar nichts erlebt? Hinrich machte ein erstauntes Gesicht. Nee! meinte er nach langer Pause. Hinrich, begann einer der altern Brüder, was sagtest du denn, als du deine Frau heiraten wolltest? Was ich sagte? Deern, wullt du mi? Mehr nicht? Nee! , Und was sagte sie denn? Das weiß ich nich mehr! Und als dein Junge geboren wurde, was sagtest du denn da? Hinrich spuckte den zerkauten Strohhalm aus und ucihm einen neuen. Da war ich nich bei — Herr Stizrat und ich hatten Gericht! Was sind denn hier für Löcher im Wagen? fragte Jürgen. Er ver¬ zweifelte an Hinrich und belustigte sich damit, seine Füße durch das Korb¬ geflecht zu stecken. Bleib da man von, Junge, das is von Anno dazumal, als all die Leute aufn Wagen stiegen und der Herr sie wieder runter smeißen ließ! Wann war denn das? fragten wir, und Hinrich, dessen ausdrucksloses Gesicht sich etwas belebt hatte, kratzte sich hinter den Ohren. Wann das war? Das kann ich wahrhaftig nich sagen so in die fuf- zigcr Jahrens, als ihr noch klein oder noch garnich auf die Welt wart! Was passirte denn damals? Hinrich sah uns verdrießlich an. Das weiß doch jedermann, was da passirte — das brauch ich doch nich zu erzählen. Da hat Paster Simpel in Feldkircher ein Buch über geschrieben, und in all die Zcitungens hat es gestanden! Oh, was is dies Fett doch einmal steche! Slina hat es gekocht; aber siecht is es doch! Er murrte noch eine Zeit lang über die Schlechtigkeit des heutigen Fettes im besondern und über die Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen, dann sagte Jürgen, daß er zu Mahlmann gehen wolle. Was willst du bei den? fragte Hinrich mit scheelem Blick, denn wenn er jemanden haßte, so war es unser Freund Mahlmann. Oh, der erzählt viel besser als dn, Hinrich! Den braucht man nur zu bitten gleich erzählt er so lange, wie wir wollen! Ja, son vermaledeiter Lügenbeutel, der sein Leben lang ins Zuchthaus gesessen, der hat den Mund voll Snack! Weiter hat er auch nix zu thun gehabt! Hinrich fiel grimmig über das Lederzeug her. Und er is doch nich bei gewesen, als wir zu Gericht waren nach Petersdvrf, wo Johann Bvhnsacken

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/650
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/650>, abgerufen am 23.07.2024.