Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Laß nicht vom Linke" dich nmgarneiil auf den Religionsunterricht und auf den Bildungsgang der Volksschullehrer Dieses Gesetz, das -- man mag sonst darüber denken, wie man will -- Wir zweifeln nicht daran, daß der Nationalliberalismns die Wiederbe¬ Was wir aber aufs tiefste beklagen, ist das: daß sich der Liberalismus Herr von Vennigsen hat sich gewiß in der Vergangenheit um unser Vater¬ Laß nicht vom Linke» dich nmgarneiil auf den Religionsunterricht und auf den Bildungsgang der Volksschullehrer Dieses Gesetz, das — man mag sonst darüber denken, wie man will — Wir zweifeln nicht daran, daß der Nationalliberalismns die Wiederbe¬ Was wir aber aufs tiefste beklagen, ist das: daß sich der Liberalismus Herr von Vennigsen hat sich gewiß in der Vergangenheit um unser Vater¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0622" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211790"/> <fw type="header" place="top"> Laß nicht vom Linke» dich nmgarneiil</fw><lb/> <p xml:id="ID_1922" prev="#ID_1921"> auf den Religionsunterricht und auf den Bildungsgang der Volksschullehrer<lb/> sicherte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1923"> Dieses Gesetz, das — man mag sonst darüber denken, wie man will —<lb/> doch jedenfalls nicht grundsätzlich abwich von der bisher in der preußische»<lb/> Unterrichtsverwaltung cingehaltnen Richtung, und einige mißdeutete kaiserliche<lb/> Reden waren die einzigen thatsächlichen Unterlagen für die Behauptung des<lb/> Liberalismus, daß unsre „liberalen Einrichtungen im reaktionären Sinne<lb/> angetastet werden" sollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1924"> Wir zweifeln nicht daran, daß der Nationalliberalismns die Wiederbe¬<lb/> lebung des Kampfes für „ideale Bestrebungen" für eine lebensvolle Aufgabe<lb/> hält, und es scheint uns nicht unmöglich, daß es ihm vorübergehend gelingen<lb/> wird, das Bürgertum noch einmal um die Fahne des Liberalismus zur Ver¬<lb/> teidigung aller der Freiheiten zu scharen, die dem Deutschen lieb geworden<lb/> sind. Aber wir glauben, daß dem kurzen Rausche, bei dem natürlich die weiter<lb/> links stehenden Elemente der „großen liberalen Partei" den Ton angebe»<lb/> würden, el» langer Katzenjammer folgen würde, wie er dem Rausche des<lb/> „ersten Kulturkampfes" gefolgt ist. Im Interesse des Liberalismus würden<lb/> wir dies keineswegs beklagen; er würde damit nur die gerechte Strafe für<lb/> seine Extravaganzen erhalten und es büße», daß er diese schwere und doch so<lb/> große Zeit, eine Zeit voll »euer Ideale »ut »euer, erstrebenswerter Ziele,<lb/> nicht verstanden, daß er seinen Blick ausschließlich in die Vergangenheit richtet,<lb/> und daß er Spuk und Altweibermärchen für Wirklichkeiten gehalten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1925"> Was wir aber aufs tiefste beklagen, ist das: daß sich der Liberalismus<lb/> anschickt, unsrer ganzen innern Entwicklung eine verkehrte Richtung zu geben,<lb/> die tüchtige Kraft unsers gesunden „Bürgertums in ^Stadt und Land" in<lb/> einen unfruchtbaren politischen Machtkampf zu verwickeln, das Verständnis für<lb/> die sozialen Aufgaben der Gegenwart, das ohnehin in dem in allen seinen<lb/> Wünschen befriedigten Bürgertum erst ganz allmählich zu erwachen begann,<lb/> wieder völlig zu ertöte». Wer den Ernst »»d die wahre Ursache der sozialen<lb/> Gefahr erkannt hat, und wer die Bedeutung zu würdigen weiß, die eine ver¬<lb/> ständnisvolle, mäßigende und anschleichende Beteiligung des Bürgertums an den<lb/> sozialpolitischen Bestrebungen der Gegenwart haben würde, der wird darüber<lb/> nicht zweifelhaft sein können, daß in letzter Linie niemand anders mit einer<lb/> Aufrollung der alten politischen Zänkereien gedient werden würde, als der<lb/> revolutionären Sozialdemokratie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1926" next="#ID_1927"> Herr von Vennigsen hat sich gewiß in der Vergangenheit um unser Vater¬<lb/> land die größten Verdienste erworben, und alle nationalen Männer Schulden<lb/> ihm den Dank. Aber das alles kann und soll uns nicht hindern, es offen<lb/> auszusprechen, daß er sich mit seinem »enesten Aufruf des ganzen Liberalis¬<lb/> mus gegen die hereinbrechende Reaktion auf einen Wege begeben hat, der<lb/> uns alle ins Verderben führen kann. Noch einmal an seinem Lebensabende</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0622]
Laß nicht vom Linke» dich nmgarneiil
auf den Religionsunterricht und auf den Bildungsgang der Volksschullehrer
sicherte.
Dieses Gesetz, das — man mag sonst darüber denken, wie man will —
doch jedenfalls nicht grundsätzlich abwich von der bisher in der preußische»
Unterrichtsverwaltung cingehaltnen Richtung, und einige mißdeutete kaiserliche
Reden waren die einzigen thatsächlichen Unterlagen für die Behauptung des
Liberalismus, daß unsre „liberalen Einrichtungen im reaktionären Sinne
angetastet werden" sollten.
Wir zweifeln nicht daran, daß der Nationalliberalismns die Wiederbe¬
lebung des Kampfes für „ideale Bestrebungen" für eine lebensvolle Aufgabe
hält, und es scheint uns nicht unmöglich, daß es ihm vorübergehend gelingen
wird, das Bürgertum noch einmal um die Fahne des Liberalismus zur Ver¬
teidigung aller der Freiheiten zu scharen, die dem Deutschen lieb geworden
sind. Aber wir glauben, daß dem kurzen Rausche, bei dem natürlich die weiter
links stehenden Elemente der „großen liberalen Partei" den Ton angebe»
würden, el» langer Katzenjammer folgen würde, wie er dem Rausche des
„ersten Kulturkampfes" gefolgt ist. Im Interesse des Liberalismus würden
wir dies keineswegs beklagen; er würde damit nur die gerechte Strafe für
seine Extravaganzen erhalten und es büße», daß er diese schwere und doch so
große Zeit, eine Zeit voll »euer Ideale »ut »euer, erstrebenswerter Ziele,
nicht verstanden, daß er seinen Blick ausschließlich in die Vergangenheit richtet,
und daß er Spuk und Altweibermärchen für Wirklichkeiten gehalten hat.
Was wir aber aufs tiefste beklagen, ist das: daß sich der Liberalismus
anschickt, unsrer ganzen innern Entwicklung eine verkehrte Richtung zu geben,
die tüchtige Kraft unsers gesunden „Bürgertums in ^Stadt und Land" in
einen unfruchtbaren politischen Machtkampf zu verwickeln, das Verständnis für
die sozialen Aufgaben der Gegenwart, das ohnehin in dem in allen seinen
Wünschen befriedigten Bürgertum erst ganz allmählich zu erwachen begann,
wieder völlig zu ertöte». Wer den Ernst »»d die wahre Ursache der sozialen
Gefahr erkannt hat, und wer die Bedeutung zu würdigen weiß, die eine ver¬
ständnisvolle, mäßigende und anschleichende Beteiligung des Bürgertums an den
sozialpolitischen Bestrebungen der Gegenwart haben würde, der wird darüber
nicht zweifelhaft sein können, daß in letzter Linie niemand anders mit einer
Aufrollung der alten politischen Zänkereien gedient werden würde, als der
revolutionären Sozialdemokratie.
Herr von Vennigsen hat sich gewiß in der Vergangenheit um unser Vater¬
land die größten Verdienste erworben, und alle nationalen Männer Schulden
ihm den Dank. Aber das alles kann und soll uns nicht hindern, es offen
auszusprechen, daß er sich mit seinem »enesten Aufruf des ganzen Liberalis¬
mus gegen die hereinbrechende Reaktion auf einen Wege begeben hat, der
uns alle ins Verderben führen kann. Noch einmal an seinem Lebensabende
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