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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zu den Sprachdummheiten

wenn es eins herunterzureißen gilt, geht es ebenso/') Der Angriff Bechsteins.
freiwillig oder gerufen, ist ganz sicherlich nicht die Stimme der Germanistik,
sondern mir der Ausfluß verletzter Prvfessoreneitelkeit, die hier in das Horn be¬
leidigten Schulmeisterstolzcs blast. Bisweilen hat auch der Schulmeister selbst
mit hiueingetutet: wenn man nicht so viel Stilgefühl im Leibe hätte, daß man
die Einschiebsel merkte, konnte man sie an den typographischen Schiebungen
sehen.

An Leidenschaftlichkeit wird Bechsteins Angriff nnr dnrch die Angriffe
der Judenpresse überboten. Er läßt keinen guten Bissen an meinem Buche.
Er ist so teuselswild darüber, daß es ihm vor lauter Erregung nicht ge¬
lungen ist, seine Gedanken zu ordnen. Zuerst ereifert er sich über den Titel,
dann über den Ton, dann über den Inhalt -- der sei zum großen Teil nicht
neu, und fast alles, was gut und richtig daran sei, finde sich ,,schon seit
Jahren in jeder bessern (!) Schulgrammatik" (aha!) , dann zur Ab¬
wechslung wieder über den Ton und wieder über den Inhalt, dann darüber,
daß bei keinem der angeführten Beispiele die Quelle angegeben ist, dann über
die Anordnung, dann wieder über den Inhalt u. s. w. Dabei ivird der
Leser fast durch die ganze Kritik hindurch -- man sieht nicht recht, ob ge¬
flissentlich oder nur infolge der ungeschickten Anordnung -- im Unklaren
darüber gelassen, was eigentlich jeweilig besprochen wird, ob das Buch selbst
oder die frühern Grenzbotenartikel, ans denen es entstanden ist. Selbst inner¬
halb der einen Auffassung kommt man nicht zur Ruhe; S. t>7 heißt es:
,,Mit dem vierten Artikel brechen die Sprachdummheiten auf eine Zeit lang
(sie) ab. Der Verfasser nennt" u. s. w. Gleich darauf: ,,Im nächsten Viertel¬
jahr kam aber die Fortsetzung nicht. Sie erschien erst" u. s. w. Brechen,
nennt, kam, erschien -- was ist das für eine Konfusion!

Was den Titel "Sprachdummheiten" betrifft, so bedaure ich Bechstein
aufrichtig, daß er sich seine Bemerkung darüber nicht hat verkneifen können.
Gewiß paßte dieser Titel, nachdem die Grenzbotenaufsätze umgearbeitet waren,
nicht mehr recht dazu, das Buch mußte einen Untertitel haben, und den habe
ich vielleicht etwas zu anspruchsvoll gefaßt. Aber an die ,,Sprachdumm¬
heiten" waren die Leser so gewöhnt, daß es sträflicher Leichtsinn gewesen wäre,
sie aufzugeben. Das Buch wäre klanglos zum Orkus hinabgegangen, wenn



*) Beiläufig: Von ihrem ersten Erscheinen an bis heute putzt sich die Zeitschrift für den
deutschen Unterricht auf jedem Umschlage mit der Bemerkung heraus: "Unter Mitwirkung
von Prof. Dr. Rudolf Hildebrand herausgegeben von Dr. Otto Lyon." Ich erlaube mir die Be¬
rechtigung dieser Bemerkung zu bestreiten. Prof. Hildebrand ist allerdings der fleißigste und
der bedeutendste Mitarbeiter der Zeitschrift. Wenn er aber mit der "Herausgabe" etwas
zu thun hätte, so wäre die Bechsteinische Kritik ganz sicherlich nicht hineingekommen. Die
Leser mögen sich also selber sagen, was sie von diesem Zusntz auf dem Umschlage zu
halten haben.
Zu den Sprachdummheiten

wenn es eins herunterzureißen gilt, geht es ebenso/') Der Angriff Bechsteins.
freiwillig oder gerufen, ist ganz sicherlich nicht die Stimme der Germanistik,
sondern mir der Ausfluß verletzter Prvfessoreneitelkeit, die hier in das Horn be¬
leidigten Schulmeisterstolzcs blast. Bisweilen hat auch der Schulmeister selbst
mit hiueingetutet: wenn man nicht so viel Stilgefühl im Leibe hätte, daß man
die Einschiebsel merkte, konnte man sie an den typographischen Schiebungen
sehen.

An Leidenschaftlichkeit wird Bechsteins Angriff nnr dnrch die Angriffe
der Judenpresse überboten. Er läßt keinen guten Bissen an meinem Buche.
Er ist so teuselswild darüber, daß es ihm vor lauter Erregung nicht ge¬
lungen ist, seine Gedanken zu ordnen. Zuerst ereifert er sich über den Titel,
dann über den Ton, dann über den Inhalt — der sei zum großen Teil nicht
neu, und fast alles, was gut und richtig daran sei, finde sich ,,schon seit
Jahren in jeder bessern (!) Schulgrammatik" (aha!) , dann zur Ab¬
wechslung wieder über den Ton und wieder über den Inhalt, dann darüber,
daß bei keinem der angeführten Beispiele die Quelle angegeben ist, dann über
die Anordnung, dann wieder über den Inhalt u. s. w. Dabei ivird der
Leser fast durch die ganze Kritik hindurch — man sieht nicht recht, ob ge¬
flissentlich oder nur infolge der ungeschickten Anordnung — im Unklaren
darüber gelassen, was eigentlich jeweilig besprochen wird, ob das Buch selbst
oder die frühern Grenzbotenartikel, ans denen es entstanden ist. Selbst inner¬
halb der einen Auffassung kommt man nicht zur Ruhe; S. t>7 heißt es:
,,Mit dem vierten Artikel brechen die Sprachdummheiten auf eine Zeit lang
(sie) ab. Der Verfasser nennt" u. s. w. Gleich darauf: ,,Im nächsten Viertel¬
jahr kam aber die Fortsetzung nicht. Sie erschien erst" u. s. w. Brechen,
nennt, kam, erschien — was ist das für eine Konfusion!

Was den Titel „Sprachdummheiten" betrifft, so bedaure ich Bechstein
aufrichtig, daß er sich seine Bemerkung darüber nicht hat verkneifen können.
Gewiß paßte dieser Titel, nachdem die Grenzbotenaufsätze umgearbeitet waren,
nicht mehr recht dazu, das Buch mußte einen Untertitel haben, und den habe
ich vielleicht etwas zu anspruchsvoll gefaßt. Aber an die ,,Sprachdumm¬
heiten" waren die Leser so gewöhnt, daß es sträflicher Leichtsinn gewesen wäre,
sie aufzugeben. Das Buch wäre klanglos zum Orkus hinabgegangen, wenn



*) Beiläufig: Von ihrem ersten Erscheinen an bis heute putzt sich die Zeitschrift für den
deutschen Unterricht auf jedem Umschlage mit der Bemerkung heraus: „Unter Mitwirkung
von Prof. Dr. Rudolf Hildebrand herausgegeben von Dr. Otto Lyon." Ich erlaube mir die Be¬
rechtigung dieser Bemerkung zu bestreiten. Prof. Hildebrand ist allerdings der fleißigste und
der bedeutendste Mitarbeiter der Zeitschrift. Wenn er aber mit der „Herausgabe" etwas
zu thun hätte, so wäre die Bechsteinische Kritik ganz sicherlich nicht hineingekommen. Die
Leser mögen sich also selber sagen, was sie von diesem Zusntz auf dem Umschlage zu
halten haben.
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[0600] Zu den Sprachdummheiten wenn es eins herunterzureißen gilt, geht es ebenso/') Der Angriff Bechsteins. freiwillig oder gerufen, ist ganz sicherlich nicht die Stimme der Germanistik, sondern mir der Ausfluß verletzter Prvfessoreneitelkeit, die hier in das Horn be¬ leidigten Schulmeisterstolzcs blast. Bisweilen hat auch der Schulmeister selbst mit hiueingetutet: wenn man nicht so viel Stilgefühl im Leibe hätte, daß man die Einschiebsel merkte, konnte man sie an den typographischen Schiebungen sehen. An Leidenschaftlichkeit wird Bechsteins Angriff nnr dnrch die Angriffe der Judenpresse überboten. Er läßt keinen guten Bissen an meinem Buche. Er ist so teuselswild darüber, daß es ihm vor lauter Erregung nicht ge¬ lungen ist, seine Gedanken zu ordnen. Zuerst ereifert er sich über den Titel, dann über den Ton, dann über den Inhalt — der sei zum großen Teil nicht neu, und fast alles, was gut und richtig daran sei, finde sich ,,schon seit Jahren in jeder bessern (!) Schulgrammatik" (aha!) , dann zur Ab¬ wechslung wieder über den Ton und wieder über den Inhalt, dann darüber, daß bei keinem der angeführten Beispiele die Quelle angegeben ist, dann über die Anordnung, dann wieder über den Inhalt u. s. w. Dabei ivird der Leser fast durch die ganze Kritik hindurch — man sieht nicht recht, ob ge¬ flissentlich oder nur infolge der ungeschickten Anordnung — im Unklaren darüber gelassen, was eigentlich jeweilig besprochen wird, ob das Buch selbst oder die frühern Grenzbotenartikel, ans denen es entstanden ist. Selbst inner¬ halb der einen Auffassung kommt man nicht zur Ruhe; S. t>7 heißt es: ,,Mit dem vierten Artikel brechen die Sprachdummheiten auf eine Zeit lang (sie) ab. Der Verfasser nennt" u. s. w. Gleich darauf: ,,Im nächsten Viertel¬ jahr kam aber die Fortsetzung nicht. Sie erschien erst" u. s. w. Brechen, nennt, kam, erschien — was ist das für eine Konfusion! Was den Titel „Sprachdummheiten" betrifft, so bedaure ich Bechstein aufrichtig, daß er sich seine Bemerkung darüber nicht hat verkneifen können. Gewiß paßte dieser Titel, nachdem die Grenzbotenaufsätze umgearbeitet waren, nicht mehr recht dazu, das Buch mußte einen Untertitel haben, und den habe ich vielleicht etwas zu anspruchsvoll gefaßt. Aber an die ,,Sprachdumm¬ heiten" waren die Leser so gewöhnt, daß es sträflicher Leichtsinn gewesen wäre, sie aufzugeben. Das Buch wäre klanglos zum Orkus hinabgegangen, wenn *) Beiläufig: Von ihrem ersten Erscheinen an bis heute putzt sich die Zeitschrift für den deutschen Unterricht auf jedem Umschlage mit der Bemerkung heraus: „Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Rudolf Hildebrand herausgegeben von Dr. Otto Lyon." Ich erlaube mir die Be¬ rechtigung dieser Bemerkung zu bestreiten. Prof. Hildebrand ist allerdings der fleißigste und der bedeutendste Mitarbeiter der Zeitschrift. Wenn er aber mit der „Herausgabe" etwas zu thun hätte, so wäre die Bechsteinische Kritik ganz sicherlich nicht hineingekommen. Die Leser mögen sich also selber sagen, was sie von diesem Zusntz auf dem Umschlage zu halten haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/600>, abgerufen am 23.07.2024.